Briefe

"Microsoft ist (noch kein) Monopolist"

19.03.1993

COMPUTERWOCHE Nr. 12 vom 19.03.1993 Seite 8

Ich denke, in der Diskussion um Microsoft sollten zwei Dinge sauber auseinandergehalten werden.

Zum einen sind dort die Klagen gegen Microsoft und die Untersuchungen des US-Kartellamtes. Soweit Microsoft Schutzrechte anderer verletzt beziehungsweise die sich aus der Groesse des Unternehmens erwachsende Marktmacht missbraucht hat, ist es Aufgabe ordentlicher Gerichte, dies zu beurteilen und gegebenenfalls Sanktionen zu erlassen. In dem Zusammenhang ist auch die Diskussion zu sehen, Microsoft nach System- und Anwendungssoftware zu trennen. Dass solche staatlich durchgesetzten Entflechtungen nicht unbedingt zum Nachteil des betroffenen Unternehmens ausgehen muessen, zeigt der Fall AT&T. Auch IBM haette es aus heutiger Sicht vielleicht gut getan, wenn bereits das damalige Antitrust- Verfahren zur Zerlegung des Konzerns in unabhaengige Einheiten gefuehrt haette.

Zum anderen ist die Bedeutung von Microsoft-Produkten in vielen Bereichen zu nennen. Wenn Microsoft-Produkte den Produkten anderer Hersteller vorgezogen werden, so sind dies in der Regel Kosten- Nutzen-Ueberlegungen und damit rein wirtschaftliche Entscheidungen. Und wenn andere Hersteller ihre eigene (schlechte) Absatzentwicklung beklagen, dann sollte sich zuerst nicht der Hausjurist mit dem Problem befassen, sondern die Entwicklungsabteilung. Wordstar ist nicht deshalb bedeutungslos geworden, weil Microsoft, Word Perfect und Lotus Rechte verletzen, sondern weil deren Produkte ein besseres Preis-Leistungs- Verhaeltnis bieten. Ashton-Tate wurde zum Problemfall, weil sie nicht in der Lage war, eine stabile Version 4 fuer dBase auf den Markt zu bringen. Wenn Kunden dann in das Lager von Clipper und FoxPro wechseln, dann sind das die Mechanismen der Marktwirtschaft.

Microsoft ist (noch) kein Monopolist. Es ist doch kein Geheimnis, dass OS/2 von der Systemarchitektur DOS/Windows weit ueberlegen ist. Warum also ist OS/2 am Markt kein Erfolg? Statt Access gibt es auch noch Paradox for Windows, statt Excel gibt es Quattro, 1-2-3 oder Improve, statt WinWord gibt es AmiPro etc. Wo ist da das Monopol? Wenn Hersteller die Entwicklung der Bedeutung von Windows 3.0 unterschaetzt und IBM auf dem OS/2-Weg gefolgt sind, dann ist das aus heutiger Sicht eine Fehlentscheidung gewesen. Und primaer diese Fehleinschaetzung ist der Grund, warum die Anwender so lange auf Windows-Produkte von Lotus, Borland und anderen warten mussten.

Wer die Informationspolitik von Microsoft kritisiert, sollte diese Informationspolitik mit der anderer Hersteller zum Beispiel ueber CompuServe verfolgen. Das gleiche trifft auch auf den Support zu. Bisher bietet kein anderer Hersteller etwas Vergleichbares wie die MS-Knowledge-Base an. Von einem Verschweigen von Problemen kann nun wahrlich nicht die

Rede sein. Ein Blick in die CompuServe-Foren zum Beispiel fuer Visual Basic, MS Access und Windows NT erlaubt eine objektive Beurteilung dieser Behauptung.

Ein weiteres Thema ist die Offenlegung von Schnittstellen. Auf die Veroeffentlichung offener Schnittstellen wie ODBC und MAPI durch Microsoft haben andere Hersteller durch Zusammenschluss und Vereinbarung konkurrierender Standards wie IDAPI und VIM reagiert.

Warum hat man auf Basis dieser Schnittstellen nicht schlicht Anwendungen entwickelt, statt sich nach dem Motto "alle gegen Microsoft" auf einen anderen Standard zu einigen? Und warum setzen sich diese Alternativen nun (noch) nicht durch? Wenn Windows NT auch fuer Unix eine ernste Konkurrenz werden sollte, liegt es dann nicht vielleicht auch daran, dass die Unix-Gilde selbst durch ihre heillose Zerstrittenheit Microsoft die Zeit gegeben hat, ein Konkurrenzprodukt zu entwickeln?

Letztlich ist es der Markt, der ueber Erfolg und Misserfolg entscheidet. Und die Entscheider in den grossen Unternehmen lassen sich meiner Einschaetzung nach nicht durch "Hochglanz" beeindrucken. Wenn also Microsoft wirtschaftlich, insbesondere im Vergleich zu den Mitbewerbern, so erfolgreich ist, kann es dann nicht auch daran liegen, dass sie schlicht und einfach besser ist?

Wolfgang Sprick

Geschaeftsfuehrer der datagon GmbH, Wiesbaden