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Microsoft hat sich den Zorn der EU-Kommission zugezogen

10.10.2001
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Europäische Union könnte in ihrem unabhängig von den USA verfolgten Kartellverfahren gegen Microsoft drastische Strafmaßnahmen verhängen. Möglicherweise muss der Softwareriese mehrere Milliarden Dollar Strafe zahlen sowie einige Funktionen aus seiner marktbeherrschenden Windows-Software entfernen. Das geht aus einem vertraulichen Dokument der Europäischen Kommission, der Exekutive der EU, hervor, die das "Wall Street Journal" zitiert. Darin heißt es weiter, der US-Softwarekonzern habe die Untersuchungen der EU absichtlich behindert.

Die Brüsseler Kartellwächter werfen der Gates-Company vor, ihre Marktführerschaft in Sachen Betriebssystem und Office-Software illegal ausgenutzt zu haben, um in den schnell wachsenden Markt für Unternehmens- und Internet-Software vorzudringen. So habe Microsoft sein Windows-2000-Betriebssystem sowie begleitende Produkte absichtlich so programmiert, dass sie nicht mit den Anwendungen von konkurrierenden Firmen harmonieren.

Ferner warf die EU den Softwerkern in ungewöhnlich harscher Sprache vor, ihren "Windows Media Player" illegal mit ihrem Betriebssystem gebündelt zu haben, um die Konkurrenz auszuschalten. Diese Praxis "friere die Innovation und den Wettbewerb ein". Auf diese Weise nehme Microsoft anderen Firmen den Anreiz, mit neuen Produkten auf den Markt zu kommen, und bewirke, dass Wettbewerber aus dem Markt gedrängt würden. Die EU kreidet dem Redmonder Softwarekonzern zudem an, durch Zurückhaltung von Schnittstelleninformationen Konkurrenten daran gehindert zu haben, Begleitprodukte für Windows zu entwickeln. Des weiteren bezeichnet die EU in ihrem 70-seitigen Dokument Microsofts Lizenzpolitik als missbräuchlich und diskriminierend.

In ihrer hauptsächlich auf den Servermarkt gerichteten Untersuchung konzentrierte sich Brüssel vor allem auf Microsofts existierende Produktlinie und geht nicht direkt auf das neue Betriebssystem Windows XP ein, das am 25. Oktober auf den Markt kommen soll. Allerdings deutet die Argumentation der Behörden bereits an, dass die Kommission sich in der Zukunft auch Windows XP vornehmen könnte.

Die europäischen Kartellwächter werfen Microsoft in ihrem Bericht zudem vor, die EU-Untersuchung behindert zu haben. So habe Microsoft beispielsweise zu seiner Verteidigung 34 Briefe eingereicht, die andere Unternehmen angeblich zur Unterstützung des Softwarekonzerns geschrieben hatten. Laut EU stellte sich jedoch heraus, dass die Gates-Company die Briefe in einigen Fällen selbst verfasst hatte oder die betroffenen Firmen sich nicht bewusst waren, dass ihre Schreiben als Beweis verwendet werden sollten. Einige Unternehmen erklärten gegenüber der Kommission, dass Microsoft bei seiner Bitte um Unterstützung sogar einen anderen Verwendungszweck genannt habe.

Da der US-Softwareriese nicht mit den europäischen Behörden kooperiert habe, könnte die zu verhängende Strafe deutlich höher ausfallen, heißt es in dem EU-Dokument weiter. Die Kommission ist befugt, eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent von Microsofts Jahresumsatz, also rund 2,5 Milliarden Dollar, zu verhängen.

Ein Microsoft-Sprecher erklärte, sein Unternehmen habe mit der Kommission zusammengearbeitet und die europäischen Kartellgesetze nicht verletzt. Man werde auf die EU-Vorwürfe in einer formellen Antwort eingehen, die im kommenden Monat fällig werde. Noch vor sechs Wochen, als die EU ankündigte, ihre Antitrust-Untersuchung gegen Microsoft auszuweiten, hatte die Gates-Company eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin hieß es, man sei zuversichtlich, dass die EU am Ende ihrer Prüfung zu dem Schluss kommen werde, dass Microsoft sich an die europäischen Gesetze halte. "Wir nehmen unsere Verantwortung in Europa ernst und arbeiten hart daran, dass Windows mit den Produkten anderer Firmen gut funktioniert", hatte Philippe Courtois, President von Microsofts Europa-Geschäft, erklärt.