Zweite Woche der Verhandlung

Microsoft fühlt sich als Opfer einer perfiden Netscape-Taktik

30.10.1998

Wardens Strategie zielte im wesentlich darauf ab, Barksdale mit der Frage in die Enge zu treiben, welche Nachteile Millionen Käufer denn durch Microsofts inkriminiertes Geschäftsgebaren erlitten haben sollen.

Nicht direkt ausgesprochen, schien die Fragestellung doch durch viele Argumentationen durch. So wollte Warden etwa wissen, ob Barksdale glaube, es wäre für Kunden von Vorteil, wenn Microsoft seine Browser-Software "Internet Explorer" nicht kostenlos verteilt hätte. Netscapes Chief Executive Officer (CEO) erwiderte, auf lange Sicht sehe er das so. Durch die kostenfreie Vergabe der Microsoft-Software gebe es für Drittanbieter keinen Anreiz mehr, mit erst noch zu entwickelnden innovativen Produkten gegen Microsoft anzutreten. Warden konterte, ein Gericht tue gut daran, sich bei seiner Entscheidung nicht auf hypothetische Was-wäre-wenn-Situationen zurückzuziehen, sondern sich einfach zu fragen, ob jetzt und heute den Konsumenten ein Nachteil durch Microsofts Geschäftspraktiken entstanden sei.

Im Laufe der Verhandlung reagierte Microsoft recht flexibel auf sich verändernde Stimmungslagen vor Gericht. In einem sehr umstrittenen Punkt im Duell der beiden Browser-Lieferanten zielen die Klageführer, also das US-amerikanische Justizministerium und 20 Bundesstaaten, auf die Einschätzung eines Treffens des Topmanagements von Microsoft und Netscape am 21. Juni 1995. Dabei soll Microsoft nach Unterlagen, die Netscape-Anwalt Gary Reback am folgenden Tag an das Justizministerium schickte, offen gedroht haben, Netscape erheblich zu schaden. Die Gates-Company werde Netscape nur noch unter bestimmten Voraussetzungen mit wichtigen technologischen Informationen versorgen. Hierzu gehörte eine Beteiligung an der Andreessen-Company sowie ein Sitz im dortigen Aufsichtsrat. Außerdem wolle das Softwarehaus aus Redmond die Möglichkeit bekommen, Netscapes Bewegungsspielraum als Microsoft-Konkurrent zu beeinflussen.

Ein weiterer wesentlicher Vorwurf gegen das monopolistisch agierende Unternehmen zielt auf den angeblichen Vorschlag der Microsoft-Manager, den Browser-Markt zwischen Microsoft und Netscape aufzuteilen: Gates solle die Welt der Windows-Systeme zugeschlagen bekommen, Netscape den Rest.

Insbesondere gegen diese Beschuldigung wehrt sich Microsoft-Anwalt Warden heftig. Argumentierte er aber zunächst dahingehend, das Treffen habe in der geschilderten Form gar nicht stattgefunden, so änderte er später die Taktik: Nunmehr verlief die Verteidigungslinie entlang einer Verschwörungsargumentation. Netscape habe das Treffen lediglich zu dem Zweck vereinbart, Microsoft in eine Falle zu locken, um dann das Justizministerium mit angeblich belastendem Material zu versorgen.

Ein weiterer Höhepunkt des Verfahrens dürfte die Wiedergabe einer Videoaufzeichnung der dreitägigen Anhörung von Bill Gates von vor einigen Wochen sein. Darin drückt der Microsoft-Chef unter anderem seine Befürchtung aus, Netscape-Software in Verbindung mit der Programmiersprache Java könnte das lukrative Windows-Geschäft nachhaltig gefährden.

Außerdem soll das Videoband demonstrieren, wie sehr Gates versuchte, Fragen auszuweichen und sich in Widersprüche verwickelte. Der Microsoft-Chef soll bei der insgesamt fast zwanzigstündigen Auseinandersetzung immer wieder arrogant und teilweise beleidigend aufgetreten sein.