Linux und Windows vereint

Microsoft freundet sich mit Open Source an

21.07.2016
Von 
Thomas Joos ist freiberuflicher IT-Consultant und seit 20 Jahren in der IT tätig. Er schreibt praxisnahe Fachbücher und veröffentlicht in zahlreichen IT-Publikationen wie TecChannel.de und PC Welt.
Seit Satya Nadella als CEO die Führung von Microsoft übernommen hat, geht Microsoft andere Wege bezüglich der Zusammenarbeit mit der Open-Source-Community. So integriert der Software-Riese etwa die Open Source Bash-Shell in Windows oder stellt das .NET Framework sowie andere Tools unter Open Source.

Entwickelt sich Microsoft langsam zu einem Open-Source-Unternehmen? Sicherlich nicht, aber der Software-Riese öffnet sich immer mehr der Open-Source-Gemeinde.

In diesem Bereich arbeitet Microsoft eng mit Entwicklern aus der Open-Source-Szene zusammen und integriert immer mehr Open-Source-Lösungen in das eigene Portfolio. Davon profitieren Unternehmen und Kunden von Microsoft enorm, aber auch der Softwareriese selbst. Die Open-Source-Gemeinde hat ebenfalls Vorteile von der Zusammenarbeit, da deren Produkte noch enger mit Windows und anderen Microsoft-Produkten verzahnt sind und dadurch reibungsloser zusammenarbeiten.

Linux und Windows sind jetzt Partner

Prominentes Beispiel für die Öffnung von Microsoft gegenüber Open Source ist die Integration der Ubuntu Bash im Anniversary Update von Windows 10. Mit dieser Erweiterung lassen sich Linux-Befehle in Windows nutzen. Die Technik wird dazu nicht emuliert, sondern der Ubuntu-Hersteller Canonical hat die Ubuntu Bash fest in das Microsoft-Betriebssystem integriert. Die Installation erfolgt über die Windows-Oberfläche. In der Befehlszeile oder der PowerShell stehen nach der Einbindung gängige Linux-Befehle zur Verfügung, mit denen auch Windows-Systeme verwaltet werden können.

Windows 10 Anniversary Update verfügt über die die Ubuntu-Bash und kann damit Linux-Befehle ausführen.
Windows 10 Anniversary Update verfügt über die die Ubuntu-Bash und kann damit Linux-Befehle ausführen.
Foto: Thomas Joos

Aber nicht nur im Client-Betriebssystem von Microsoft bemerkt man die Unterstützung von Open Source. Linux wird in Windows Server 2016 noch besser virtualisierbar sein als in Windows Server 2012 R2. Dazu kommt die Integration verschiedener Linux-Images in Microsoft Azure. So lässt sich auch Red Hat Enterprise Linux problemlos in Microsoft Azure betreiben. Unternehmen die, parallel zu Windows, auch auf Linux setzen, können das System jetzt wesentlich enger mit Windows verbinden.

Das ist wohl auch die Strategie dahinter. Denn gegen das OpenSource-System zu kämpfen hat Microsoft schlussendlich nichts gebracht. Viele Serverdienste laufen unter Linux einfach besser. Dazu kommt, dass viele Unternehmen auf Linux setzen, aber auch auf Windows nicht verzichten wollen oder können. Hier ist eine Kooperation effizienter und nutzbringender, und zwar für beide Seiten.

Microsoft unterstützt OpenSource-Entwickler

Microsoft unterstützt aber nicht nur Linux, sondern ebenfalls viele andere Open-Source-Projekte. Dazu hat Microsoft zunächst das .NET Framework als Open Source zur Verfügung gestellt. Das erleichtert vor allem Entwicklern die Arbeit. Die Entwicklungsumgebung Visual Studio stellt Microsoft für Developer ebenfalls als Open Source kostenlos zur Verfügung.

Auf GitHub hat Microsoft einen eigenen Bereich. Hier ist der Quellcode verschiedener Tools und Erweiterungen zu sehen, die Microsoft zur Verfügung stellt. Über "Microsoft on GitHub" kann der Anwender noch mehr Software und Code finden.

Auf GitHub stellt Microsoft seine OpenSource-Anwendungen und Codes zur Verfügung.
Auf GitHub stellt Microsoft seine OpenSource-Anwendungen und Codes zur Verfügung.
Foto: Thomas Joos

Microsoft unterstützt auch Entwickler für Cloud-Anwendungen. So gibt es für Microsoft Azure verschiedene Open Source Development Kits und plattformübergreifende Tools. Beispiel dafür ist das azure-xplat-cli. Dabei handelt es sich um ein Befehlszeilen-Tool für Linux und Mac auf Basis von Java. Die Software ist Bestandteil des Azure SDK für Node.js. Mit dem Tool lassen sich die verschiedenen Cloud-Dienste in Microsoft Azure verwalten inklusive virtuellen Servern.

Container-Technologie in Windows Server 2016

Eine der spektakulärsten Aktionen zur Zusammenarbeit mit der OpenSource-Community ist sicherlich die Integration von Docker in Windows Server 2016 und Microsoft Azure. Microsoft arbeitet dazu eng mit den Entwicklern von Docker zusammen, die wiederum Verwaltungstools für Docker in Windows Server 2016 zur Verfügung stellen. Unternehmen profitieren von dieser Zusammenarbeit, indem sie Docker-Container in Windows Server 2016 nutzen können. Hier lassen sich alle Arten von Cloudanwendungen betreiben - auch im Bereich Open Source.

Windows Server 2016 bietet mit der Container-Technologie auf Basis von Docker massive Unterstützung für OpenSource.
Windows Server 2016 bietet mit der Container-Technologie auf Basis von Docker massive Unterstützung für OpenSource.
Foto: Thomas Joos

SQL Server unter Linux betreiben

Zukünftige Versionen des Microsoft-Datenbankservers "SQL Server" lassen sich unter Linux betreiben. Ab Mitte 2017 will Microsoft SQL Server 2016 auch auf Basis von Linux zur Verfügung stellen. Die Installation kann auf einem Linux-Server im Netzwerk erfolgen oder in Microsoft Azure. Da SQL Server 2016 für Windows optimiert ist, wird die Linux-Variante aller Wahrscheinlichkeit nicht über alle Funktionen der Windows-Version verfügen. Microsoft spricht vor allem von den Kernfunktionen der relationalen Datenbank-Engine, die sich auf Linux-Servern installieren lässt. Dennoch ist die Entwicklung bemerkenswert und es ist zu erwarten, dass Microsoft diese Funktionen schnell erweitern wird.

Big Data mit OpenSource - Hadoop und HDInsight

Big Data-Lösungen werden zum größten Teil von Open-Source-Anwendungen beherrscht. Hadoop, eine der bekanntesten Lösungen in diesem Bereich, lässt sich in Microsoft Azure auf einem virtuellen Linux-Server betreiben. Microsoft bietet mit HDInsight aber auch eine eigene Version von Hadoop an, die als Cloud-Dienst ohne zu Grunde liegendes Betriebssystem genutzt werden kann. HDInsight setzt intern auf ein Ubuntu-Linux-System. Canonical arbeitet ebenfalls besonders eng mit Microsoft im OpenSource-Bereich zusammen. Aber auch Red Hat und SUSE sind enge Microsoft-Partner. Auch die Linux-Distributionen dieser Unternehmen sind auf Microsoft Azure zu finden.

SONiC: Linux von Microsoft für die Verwaltung von Netzwerkgeräten

Mit SONiC (Software for Open Networking in the Cloud) will Microsoft ein eigenes Linux-Derivat auf den Markt bringen, das vor allem für die Verwaltung von Netzwerkgeräten geeignet sein soll. Basis des Systems ist Debian GNU/Linux. Über dieses System werden Layer 2 und Layer 3-Funktionen zur Verfügung gestellt.

Das Linux-System soll allerdings nicht als Serverbetriebssystem oder auf Clients installiert werden, sondern dient dazu Netzwerkgeräte zu steuern. Microsoft bringt dazu Funktionen aus Microsoft Azure, genauer gesagt das Azure Cloud Switch (ACS)-System, aus der Cloud in hybride und lokale Netzwerke. Mit der Software werden Netzwerke in Microsoft Azure verbunden.

Generell soll SONiC nahezu beliebige Netzwerk-Hardware unterstützen. Wichtig ist, dass die Hardware auf der SONiC installiert wird, die Spezifikationen des Open Compute Project (OCP) erfüllt. Nahezu alle großen Rechenzentren-Betreiber arbeiten hier zusammen, sodass zu erwarten ist, dass immer mehr Hersteller von Netzwerk-Hardware sich an die Spezifikationen halten beziehungsweise diese unterstützen werden.

SSH für Windows

Die Secure Shell (SSH) spielt in Open-Source-Systemen, vor allem in Linux, eine wichtige Rolle bei der sicheren Datenübertragung. Auch Windows soll mit einer nativen Unterstützung für SSH ausgestattet werden. Hier arbeiten die Entwickler des OpenSSH-Projektes eng mit Microsoft zusammen, um die Einbindung von SSH in Windows zu realisieren. Umgesetzt wird das Ganze auch mit einer PowerShell-Implementation. Den aktuellen Entwicklungsstand kann man auf GitHub nachverfolgen. Die dadurch zu erwartenden Verbesserungen für SSH stellt Microsoft als Open Source zur Verfügung, sodass auch andere Systeme davon profitieren.

Microsoft will über die PowerShell also einen SSH-Client sowie einen SSH-Server zur Verfügung stellen, der jeweils unabhängig als Systemdienst laufen soll. Diese Implementation bedeutet, dass von Windows aus auch Linux-Server verwaltungsfähig sind und umgekehrt.

Microsoft Open-Source-Strategie und die Unternehmen

Es wird schnell klar, dass der Konfrontationskurs von Microsoft mit Open-Source-Anwendungen und Tools ein Ende hat. Der Software-Riese versucht an jeder möglichen Stelle eine Zusammen mit Open-Source-Herstellern, wo immer das aus Sicht von Microsoft sinnvoll ist. Der Vorteil für Unternehmen besteht darin, dass jetzt auch Open-Source-Produkte einfacher in die bestehende Microsoft-lastige Software-Infrastruktur integriert werden können.

Vor allem die Container-Technologie, aber auch Programme und Tools auf Basis von .NET, und die Zusammenarbeit mit Linux auf verschiedenen Ebenen, bringt Unternehmen echten Mehrwert. Wer aktuell im Netzwerk oder bei Cloud-Lösungen nicht auf Open Source setzt, sollte sich die "neuen Möglichkeiten" genau anschauen. Denn der Support von Open-Source-Lösungen durch Microsoft eröffnet neu Möglichkeiten für Businessmodelle und für Kosteneinsparungen.

Fazit

Open Source ist in vielen Bereichen effizienter und besser geeignet als Windows-Lösungen. In der Zusammenarbeit mit Windows ergeben sich wiederum für Open-Source-Tools wichtige Ergänzungen und Vorteile. Es lohnt sich für Microsoft mit der Open-Source-Community zusammenzuarbeiten, da dadurch auch Microsoft-Produkte verbessert werden beziehungsweise diese jetzt auch im Open-Source-Umfeld interessant sein könnten.

Open-Source-Anwendungen wurden in den letzten Jahren immer beliebter, professioneller und wichtiger, vor allem im Bereich der Datenverarbeitung und Big Data. Diesen Zusammenhang hat Steve Ballmer nahezu komplett verschlafen. Die neue Führungsriege aus Satya Nadella und Co. geht hier schlauer vor, und es profitieren beide Seiten von der neuen Zusammenarbeit.

Dabei entwickelt Microsoft nicht nur eigne Open-Source-Anwendungen oder nimmt OpenSource-Anwendungen in sein Portfolio mit auf, sondern arbeitet an neuen Lösungen eng mit der Open-Source-Community zusammen. Dabei profitieren nicht nur die On-Premise-Lösungen, sondern auch die Microsoft Cloud-Plattform "Microsoft Azure" von der Microsoft Open-Source-Strategie.

Besonders Entwickler sollten sich die neuen Möglichkeiten ansehen, da mit der "Open-Source-Öffnung" Anwendungen zur Verfügung gestellt werden, die bisher nur kostenpflichtig nutzbar waren. (hal)