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Microsoft entdeckt die Privatsphäre - bei anderen

24.06.1999
Konvertiten aus Redmond

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Softwareriese Microsoft hat sich als strenger Verfechter der Privatsphäre im Internet geoutet. Allerdings kehrt das Unternehmen nicht vor der eigenen Haustür, sondern droht anderen Web-Firmen mit dem Entzug seines Werbebudgets. Nach einer Rede des Microsoft-COOs Bob Herbold auf der Messe „PC Expo“ schaltet die Firma im neuen Jahr keine Banner mehr auf Web-Sites, bei denen die Privatsphäre der Surfer nicht strikt eingehalten wird. Die Gates-Company wolle künftig die Umsetzung der Auflagen kontrollie-ren, denn die Privatsphäre sei laut Herbold absolut nötig für den Erfolg des Inter-net und des elektronischen Handels.

Microsoft investierte im vergangenen Jahr Beobachtern zufolge rund 34 Millionen Dollar in Web-Werbung, der gesamte Markt setzt jährlich rund zwei Milliarden Dollar um. Mehr als 750 Web-Sites erhielten insgesamt Geld für die Einblendung der Redmonder Banner. Erst vor kurzem sah sich das Unternehmen harscher Kri-tik ausgesetzt, als bekannt wurde, daß bei der Online-Registrierung von Windows 98 und Office 97 benutzerspezifische Identifikationsnummern nach Redmond übertragen worden waren - ohne Wissen der Anwender. Zudem signierten die Programme aus dem MS-Office-Paket jede erstellte Datei mit einem „Global Unique Identifier“ (GUID). Nach Angaben von Microsoft handelte es sich um ein Versehen.

Der Vorstoß von Microsoft soll verhindern, daß sie amerikanische Regierung mit Gesetzen regulierend in die Strukturen des Internet eingreift. Die Industrie war von staatlicher Seite aufgefordert worden, aus eigener Initiative dem Schutz der Online-Privatsphäre zu gewährleisten. Sollte dies nicht gelingen, sehe sich die Regierung gezwungen, passende Gesetze zu verabschieden. Die Gates-Company sprach sich bislang im Gleichklang mit anderen Unternehmen vehement gegen staatliche Interventionen im Web aus.