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Microsoft darf OpenOffice-Anwender verklagen

16.09.2004

Im Rahmen ihres umfassenden Abkommens vom April dieses Jahres, als Sun und Microsoft sämtliche Rechtsstreitigkeiten begruben und eine weitgehende technische Zusammenarbeit beschlossen, wurde offenbar auch eine für die Open-Source-Community wichtige Übereinkunft getroffen: Die ehemaligen Erzrivalen einigten sich darauf, dass Microsoft das Recht erhält, alle Anwender und Anbieter der quelloffenen Büro-Suite "OpenOffice", die das Produkt nach dem 1. April 2004 einsetzen oder verteilen, wegen potenzieller Patentverletzungen zu verklagen.

Das gilt jedoch nicht für Suns kommerziell vermarktetes Pendant "Star Office". Sun hatte Star Office 1999 im Rahmen der Übernahme des Hamburger Anbieters Star Division erworben und den Code unter einer Open-Source-Lizenz ein Jahr später freigegeben.

In der Open-Source-Gemeinde hat nun ein Rätselraten begonnen, was diese Übereinkunft, die erst am vergangenen Montag mit der Veröffentlichung von Suns jährlichem Bericht an die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) publik wurde, zu bedeuten hat. Microsoft sendet derzeit eher friedliche Signale an OpenOffice-Anwender aus. Das Unternehmen hat angekündigt, enger mit Entwicklern des Projekts zusammenarbeiten zu wollen. Außerdem plant die deutsche Landesgesellschaft erstmals in der nächsten Woche an der Internationalen OpenOffice.org Conference in Berlin teilzunehmen. Sprecherin Sandra Schwan erklärte gegenüber dem Nachrichtendienst "IDG News Service", es gehe in Berlin nicht darum, Produkte zu verkaufen, man wolle vielmehr eine aktivere Rolle in der Diskussion um offene Standards spielen.

Diskutiert wird nun, ob Sun mit dem Zugeständnis an Microsoft seine Unterstützung des Open-Source-Projekts lockert. Das Abkommen gebe nur dann Sinn, wenn Sun im Rahmen der unternehmenstrategischen Ausrichtung beschlossen habe, OpenOffice nicht mehr so energisch zu unterstützen wie bisher, meint Richard Donovan, ein Spezialist für Antitrust-Fragen von Kelley Drye and Warren LLP in New York. Donovan glaubt außerdem, dass die Vereinbarung zwischen den Partnern die Open-Office-Anhängerschaft nachhaltig verunsichern könnte. Wer künftig OpenOffice einsetze, müsse mit der Unsicherheit leben, dass Microsoft rechtliche Schritte gegen ihn einleiten könnte.

Russ Castronovo, ein Sprecher von Sun Microsystems versicherte jedoch, dass Suns Support für OpenOffice so stark wie immer sei und Microsoft schon immer die Möglichkeit gehabt habe, Anwender der offenen Bürosuite zu verklagen. Wer quelloffene Software nutze, habe nie die Garantie, dass nicht irgendjemand patentrechtliche Ansprüche geltend mache. Ähnliche Töne sind aus dem Open-Source-Lager zu vernehmen: Suns Arbeit am OpenOffice-Projekt habe sich seit April nicht verändert, bestätigte Louis Suárez-Potts von der Firma Collabnet, der aktiv am OpenOffice-Projekt mitarbeitet. Seiner Einschätzung nach wird der Deal zwischen Sun und Microsoft keine Auswirkungen auf die Arbeit der Open-Source-Entwickler haben. (hv)