Kein Kompromiss im Kartellprozess in Sicht

Microsoft bleibt stur

28.06.2002
MÜNCHEN (CW) - Auch nach den Schlussplädoyers im US-amerikanischen Kartellprozess gegen Microsoft beharren beide Seiten auf ihren Standpunkten. Die Kläger fordern nach wie vor, den Windows-Quellcode offen zu legen, während die Microsoft-Anwälte weiter argumentieren, dies sei nicht machbar. Mit einem Richterspruch ist erst in einigen Monaten zu rechnen.

US-Bezirksrichterin Colleen Kollar-Kotelly hatte beide Parteien vor der letzten Stellungnahme dazu aufgefordert, ihre Forderungen beziehungsweise Standpunkte zu priorisieren. Die Anwälte der Klägerseite verlangten als wichtigste Maßnahme, um Microsofts Monopolbestrebungen entgegenzuwirken, den Quellcode von Windows offen zu legen. Ferner sollte es den PC-Herstellern künftig möglich sein, die Konfiguration des Betriebssystems flexibler zu handhaben, fordert Anwalt Steve Kuney. Ein Basis-Windows ohne Middleware wie Internet Explorer und Media Player verlangten die neun klagenden Bundesstaaten, die sich im letzten Jahr der außergerichtlichen Einigung zwischen dem US-Justizministerium und Microsoft nicht anschließen wollten, jedoch nicht mehr.

Microsoft will sich auf keinen Kompromiss einlassen

Die Microsoft-Anwälte hielten sich dagegen nicht an die Vorgaben des Gerichts und zeigten sich an keiner Einigung interessiert. In einem nur wenige Minuten dauernden Plädoyer bezeichnete John Warden die Vorschläge der Kläger als fehlerhaft und nicht akzeptabel. Eine Freigabe des Quellcodes würde bedeuten, dass Microsoft sein geistiges Eigentum verschenke, ergänzte sein Kollege Dan Webb. Konstruktive Vorschläge blieb die Microsoft-Seite dagegen schuldig. Stattdessen bot Warden dem Gericht sarkastisch an, doch einige Strafen aus dem vorangegangenen Verfahren zu korrigieren.

Microsoft spiele mit seiner Taktik ein riskantes Spiel, kommentiert Bob Lande, Professor für Recht an der University of Baltimore. Wenn das Gericht eine Frage stelle, müssten die Parteien darauf antworten. Dies habe Microsoft jedoch nicht getan. Das könne gefährlich für das Unternehmen werden, denn die aggressive Position des Softwareherstellers irritiere das Gericht, glaubt auch der kalifornische Anwalt Rich Gray.

Nach dem US-Kartellstreit drohen weitere Prozesse

Bis Kollar-Kotelly entscheidet, welche Sanktionen gegen Microsoft angemessen sind, werden nach Einschätzung von Experten noch einige Monate vergehen. Die Menge und Komplexität der Prozessunterlagen ließen keine schnelle Entscheidung zu. Doch auch wenn die Richterin mit ihrem Spruch einen Schlussstrich unter das seit vier Jahren andauernde Kartellverfahren zieht, ist der Prozessmarathon für Microsoft noch nicht zu Ende. Neben privaten Kartellklagen von Sun Microsystems und AOL liegt eine Sammelklage beim Bundesgericht in Baltimore vor. Außerdem laufen zurzeit Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen den Softwarekonzern. (ba)