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Antitrust-Prozeß

Microsoft blamiert sich mit falschem Video

03.02.1999
Von Michael Hufelschulte
Antitrust-Prozeß

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - James Allchin, Microsofts Senior Vice-President und Cheftechnologe, hat seinem Arbeitgeber eine peinliche Panne vor Gericht beschert. Allchin, der in diesen Tagen im Kartellverfahren gegen Microsoft als Zeuge der Verteidigung befragt wird, hatte bereits am Montag auf Drängen von Bundesanwalt David Boies eingeräumt, daß Windows 98 in vieler Hinsicht keine Vorteile gegenüber einer Installation des Internet-Explorer in älteren Windows-Versionen aufweist. Für den Kunden spiele es im Prinzip keine Rolle, woher er den Browser beziehe. Boies machte anschließend deutlich, daß es sehr wohl einen Unterschied mache, ob der Kunde eine freie und selbständige Entscheidung treffe oder ob Microsoft ihm diese durch die Integration des Browsers ins Betriebssystem aufzwinge.

Noch schlimmer kam es am gestrigen Dienstag. Der Microsoft-Manager mußte im Kreuzverhör zugeben, daß ein von der Gates-Company als Beweisstück vorgelegtes Video nicht das zeigte, was es hätte zeigen sollen - eine Testreihe nämlich, die Allchin durchgeführt hatte, um zu beweisen, daß Windows 98 nach Entfernung des Internet Explorer nur noch eingeschränkt arbeitsfähig ist. Dazu hatte Allchins Team angeblich ein von Edward Felten, Zeuge der Anklage, geschriebenes Programm auf verschiedenen Testrechnern installiert. Das sogenannte "Felten-Programm" entfernt den Microsoft-Browser angeblich ohne Nachteile komplett aus Windows 98. Leider war in den Screenshots, die auf dem Beweisvideo zu sehen waren, in der Titelzeile eines Fensters deutlich "Internet Explorer" zu lesen - Feltens Programm konnte wohl kaum zuvor zum Einsatz gekommen sein.

Allchin versuchte sich damit herauszureden, daß "da wohl jemand den falschen Monitor gefilmt habe" oder eventuell andere installierte Programme dafür verantwortlich seien, daß die Bildschirme nicht nach einem "Felten-System" aussahen. Ein gefundenes Fressen für Ankläger Boies, der zu recht darauf hinwies, daß Microsoft vorab zugesichert hatte, seine Tests nur auf "jungfräulichen" Systemen durchführen wollte, um Wechselwirkungen mit anderen Applikationen auszuschließen. Ausgesprochen peinlich für Microsoft", befand Ankläger Boies daraufhin. Da half es auch nichts mehr, daß Allchin Vertrauen in sein technisches Team beteuerte und darauf bestand, er habe "mit eigenen Augen" gesehen, wie Windows 98 von Feltens Programm beschädigt worden sei.