Gang an die Börse ist für US-Software-Anbieter mit Fallstricken verbunden:

Micropro schließt europäisches Hauptquartier

18.05.1984

MÜNCHEN - In Zusammenhang mit ihrem Gang an die American Soft Exchange (ASE) straffte jetzt die Micropro International Corporation, weltweit einer der größten Anbieter von Mikrocomputersoftware, ihre Vertriebsorganisation, indem sie ihr europäisches Hauptquartier in München auflöste. Nach einer unerfreulichen Geschäftsentwicklung in den USA sowie beim neugegründeten Japan-Ableger soll dieser mit Personalabbau verbundene Schritt nach Aussagen von Micropro-Verantwortlichen das Unternehmen wieder auf Vordermann bringen. Europachef und GmbH-Geschäftsführer Werner Brodt ließ sich von den neuen Organisations- und Führungstrukturen indes nicht überzeugen und nahm seinen Hut.

"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen", ärgert sich Brodt über die jetzt eingeleiteten Maßnahmen seines US-Managements. Er habe in den vergangenen Jahren die gesamte Europaorganisation mit fünf Ländergesellschaften aufgebaut und zuletzt den Löwenanteil des weltweiten Konzernumsatzes getragen.

Nach dem Weggang des Micropro-Managers ändert sich nun die Struktur der einzelnen Ländergesellschaften maßgeblich. Während die europäischen Töchter bislang von München aus gesteuert und beliefert wurden, sollen nun neue Läger eingerichtet und die Verantwortung, "unter dem Dach der US-Mutter", den jeweiligen Country-Managern zugeführt werden. Die Geschäftsführung der GmbH übernimmt der bisherige Vertriebsmanager Reinhard Strobel. Obgleich ihm durch die Reorganisationsaktivitäten der Corporation kein leichter Start prophezeit wird, ist der oberste Mikroproverkäufer zuversichtlich: "Es sind jetzt längerfristige Veränderungen erforderlich, die aber keine größeren Entlassungen nach sich ziehen werden." Lediglich einige Anpassungen könnten dazu führen, daß man den einen oder anderen Mitarbeiter im Bereich des Lagers freistellen müsse.

Nach den Worten von Ex-Europachef Brodt begannen die Schwierigkeiten für seine Organisation, als sich das US-Management entschloß, an die New Yorker Softwarebörse zu gehen. Als die ersten Aktienpakete im März dieses Jahres plaziert wurden, habe man die Geschäftslage überzogen positiv dargestellt. Während die Europäer, Brodt zufolge, mit guten Ergebnissen aufwarteten, entwickelte sich das Geschäft in den USA und anderen Tochtergesellschaften jedoch nicht wie erhofft.

Schon bald habe die Börse auf die schwankende Gewinnsituation von Micropro reagiert, so daß die Unternehmenslenker im kalifornischen San Raphael kurzfristig Sparmaßnahmen einleiten mußten. Unverständlich ist für Brodt dabei, daß seine Vorgesetzten den Rotstift dort ansetzten, wo das Geschäft am besten lief, nämlich bei den Europagesellschaften. So habe er im Geschäftsjahr 1982/83 den Umsatz von "quasi Null" auf 4,7 Millionen Dollar hochbringen können und in der laufenden Dekade bereits 8 Millionen Dollar eingefahren. Resümmiert Brodt: "Ich fühle mich verschaukelt. "

Die Münchner GmbH-Mitarbeiter sind indes keineswegs überrascht von der Entscheidung ihres US-Managements. Schon seit längerer Zeit sei in der Diskussion, daß die Amerikaner die Europazentrale mit ihren sieben hochdotierten Mitarbeitern als "überflüssiges Anhängsel" betrachteten. In dem Bestreben Brodts möglichst unabhängig von der Muttergesellschaft zu operieren und in Europa ein zweites Headquarter einzurichten, sei zwischen ihm und seinen US-Vorgesetzten ein ständig wachsender Dissenz entstanden. Insbesondere mit dem erst kürzlich nominierten Micropro-Präsidenten Glenn Haney kam es offensichtlich haufiger zu Differenzen. Was Brodt von dem Ex-Sperry-Manager hält formuliert er lakonisch: "Über Haneys Qualitäten kann ich nur sagen, er ist ein exzellenter Tennisspieler. "