Neue Tendenzen in der Datenspeichertechnik:

Metalldünnschichtplatte vor dem Durchbruch

03.02.1984

Allen verschiedenen Ausführungsformen der Magnetspeichertechnik liegt dasselbe Prinzip zugrunde: der mechanisch bewegte Schichtmagnetogrammträger. Auch im nächsten Jahrzehnt wird der Markt für Massenspeicher nach diesem Prinzip arbeiten. Alle heute bekannten Produktlinien werden auch Ende der 80er Jahre eine Rolle spielen, neue Arten kommen hinzu.

In der Datenverarbeitung geht die Entwicklung der Magnetspeichertechnik hin zu immer höheren Aufzeichnungsdichten. Entsprechend werden die Grenzen dieser Dichten diskutiert. Grund dafür sind die Kosten pro Bit oder Megabyte. Es wäre jedoch falsch, allein das Produkt aus Flußwechsel- und Spurdichte zu betrachten. Wesentlich sind auch die Datensicherheit oder die Fehlerrate sowie die Zugriffszeit.

Betrachtet man die bestehenden Produktlinien, scheint die Situation zunächst einfach:

- Magnetplattenspeicher,

- Disketten und

- Computerbänder

beherrschen mit ihren günstigen spezifischen Kosten die Basis der Datenspeicherhierarchie. Wie sich diese Produkte weiterentwickeln, läßt sich aber nur halbwegs eindeutig ableiten. Technische Argumente werden hier von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, Investitions- und Marktstrategien überlagert. Es kommen aber auch die Kreativität der Techniker und das Prestigedenken ihrer Unternehmer hinzu.

Die weiteste Verbreitung haben flexible Speichermedien. Erst das Computerband hat die elektronische Datenverarbeitung im großen Umfang ermöglicht. Die Disketten haben den Übergang von großen zentralen Systemen zur Anwendung in kleinen Einheiten ermöglicht.

3 1/2-Zoll-Diskette als Standard

Das erstaunliche Wachstumsprodukt Diskette hat in jüngster Zeit zwei technisch logische Schritte gemacht: Es werden hochkoerzitive Magnetpigmente in dünnen Schichten eingesetzt und immer kleinere Formate angewendet. Der nächste Standard wird hier die 3 1/2-Zoll-Diskette sein. Die Fertigungstechnik erlaubt Schichten bis knapp unter ein Mikrometer Dicke, so daß auf der Grundlage nadelförmiger, feinteiliger Magnetteilchen noch Entwicklungsmöglichkeiten bestehen.

Die Tatsache, daß es keine dimensionsstabilen Trägerfolien gibt, ist ein Hindernis für die Weiterentwicklung größerer Formate. Das gilt jedenfalls, solange diese Geräte nicht Spurservos anwenden, was allerdings ihrer ursprünglichen Konzeption zuwiderliefe. Über kurz oder lang werden sich deshalb Medien- und Gerätehersteller über die Einführung von Fehlerkorrekturcodes unterhalten müssen. Sonst geht die Leistungssteigerung wie bisher schon zu Lasten des Mediums.

Die Vertikalaufzeichnung hat zwar gute Zukunftsaussichten, bis sie aber genutzt wird, dauert es noch geraume Zeit.

Gerade die Kontaktaufzeichnung auf flexiblen Datenträgern, bevorzugt Disketten, stellt physikalisch-technisch die logische Anwendung dieses Aufzeichnungsprinzips dar. Man darf aber nicht übersehen, daß die mögliche Erhöhung der Aufzeichnungsdichte an die Präzision der Gerätemechanik und der Spurfindung neue Anforderungen stellt.

Die größte Bremse in der weiteren Entwicklung ist jedoch die Massenfertigung von Disketten mit Hilfe der Vakuumsputtertechnik von CoCr-Schichten und der komplementären Einpolköpfe in Dünnfilmtechnik. Zwar haben wir gerade die Labordemonstration dieser Technik erfolgreich hinter uns gebracht, doch braucht man für technische Aufgaben dieser Größe noch erheblich mehr Zeit.

Das zeigen auch Bemühungen, zwischenzeitlich partikuläre Vertikalschichten zu entwickeln, sei es mit nadelförmigen Pigmenten, sei es mit Ba-Ferriten. Wir haben aber Zweifel, ob diese Experimente technisch schlüssig sind.

Reelle Chancen räumen wir dagegen der isotropen Aufzeichnung mit multiaxialen Partikelschichten ein, die allein schon vom aufzeichnungstheoretischen Standpunkt aus fasziniert. Wenn die Bedenken wegen der Temperaturunabhängigkeit der Magneteigenschaften solcher Pigmente überzeugend ausgeräumt sind, wird hier mehr als eine Interimslösung für flexible Datenmedien entstehen. Wir werden unsere bereits im Labor entwickelten Pigmente für eine Fertigung isotrop magnetisierbarer Disketten optimieren.

Disketten bis zu zehn MByte

Wenn alle Möglichkeiten der Geräte- und Medientechnik genutzt werden, können Disketten die kleinen Festplattenspeicher bis zu einer Kapazität um zehn MByte und darüber hinaus verdrängen. Diese Aussage gilt aber nur, wenn die Probleme der Datensicherheit, der Spurhaltung und letztlich auch der Kosten gelöst werden. Welche Schwierigkeiten einem so ehrgeizigen Programm entgegenstehen, zeigt die bisher recht erfolglos verlaufene Geschichte der Winchester-Cartridges.

An neuartigen Konstruktionsprinzipien wird wohl kein Weg vorbeiführen. Will man hohe Datenraten erzielen, bietet sich das Prinzip der sogenannten Bernoulli-Geräte an. Ob für eine Formatverkleinerung unter 3 1/2 Zoll noch viel Spielraum ist, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Flexy-Disks, die kleiner als zwei Zoll sind, sind schlecht zu handhaben und gehen leichter verloren.

Das erheblich ältere Datenspeichermedium, das Computerband, ist von all diesen Überlegungen merkwürdigerweise verschont geblieben. Für diese Stagnation gibt es eigentlich keine einfache Erklärung.

Wie sich der Markt für die Offline-Speicherung großer Datenmengen entwickeln wird, läßt sich aber anhand des Cartridge-Systems mit High-Density-Chromdioxid-Computerband ablesen. Die voraussichtlichen Kenndaten des neuen Produkts zeigen deutlich, daß das Hauptgewicht auf die Zuverlässigkeit gelegt wurde.

Obwohl auf die maximale Aufzeichnungsdichte verzichtet wurde, ist pro Bandeinheit eine Kapazität von 200 MByte zu erwarten. Dies und der verhältnismäßig rasche Zugriff werden das System attraktiv machen. Die optischen Speichersysteme der ersten Generation werden es gegen diese Konkurrenz schwer haben.

An diese Stelle gehört ein weitergehender Vergleich der Magnetspeicherung mit der optischen Speichertechnik, bei dem allerdings gilt: Vergleiche extrapolierter Speicherdichten reichen nicht aus, zumal darüberteils abwegige Vorstellungen herrschen.

Die Aufzeichnungsdichte eines optischen Mediums ist - bedingt durch die Gesetze der Beugungsoptik - eng an die Wellenlänge des verwendeten Lichtes geknüpft. Bei Halbleiterlasern kann deshalb eine lineare Dichte von zirka 35 000 Markierungen pro Inch nicht überschritten werden. Dagegen lassen bereits konservative Schätzungen für eine weiterentwickelte Magnetspeichertechnik 55 000 Flußwechsel pro Inch, optimistischere Annahmen sogar weit über 100 000 Flußwechsel pro Inch erwarten.

Zwar verfügen optische Speicher grundsätzlich über eine höhere Speicherdichte, legt man aber die begrenzte lineare Dichte zugrunde und extrapoliert unter realistischen Randbedingungen, so kommt man bei Verwendung von Halbleiterlasern höchstens auf einen Faktor fünf, mit Glaslasern auf den Faktor zehn für die Dichte optischer Speicherung im Vergleich zur Magnetspeicherung.

Optische Probleme noch nicht gelöst

Welche anderen Eigenschaften optischer Speicher können dann den enormen Aufwand für diese neue Technologie rechtfertigen, wenn die Speicherdichte im besten Fall nur eine relativ geringe Überlegenheit erwarten läßt? Diese Frage ist um so berechtigter, als die Probleme sehr hohe Fehlerraten, der Archivierbarkeit und vor allem der Reversibilität oder Löschbarkeit bisher keineswegs überzeugend gelöst sind.

Die Attraktivität optischer Speicher könnte nach Lösung ihrer Hauptprobleme darin liegen, daß sie die Speicherung großer Datenmengen auf einer austauschbaren Platte mit nicht allzu langer Zugriffszeit ermöglichen. Dadurch könnte die optische Platte durchaus für Anwendungsgebiete interessant werden, in denen die elektronische Speicherung bisher nicht eingedrungen ist. Dazu müßten aber auch billigere Platten entwickelt werden. Der Anreiz, in einem ergänzenden Arbeitsgebiet tätig zu werden, ist also auch für den Hersteller magnetischer Medien vorhanden.

Die Domäne der Magnetspeicher wird damit aber noch keineswegs angetastet. Dazu sind unbegrenzt reversible optische Speicherplatten nötig, die auch die Online-Speicherung flüchtiger Datenspeicher leisten können.

Bisher erfüllen nur magneto-optisch ansteuerbare Schichten die Grundvoraussetzung. Schichten, die den Phasenübergang kristallin-amorph zur reversiblen Speicherung nutzen, oder andere denkbare Systeme müssen den Leistungsnachweis erst noch grundsätzlich erbringen. Sie sind eher als löschbar, nicht als reversibel im eigentlichen Sinn anzusprechen.

Es ist deshalb sicher zu früh, von einer Herausforderung der Magnettechnik durch die neue Technik der optischen Speicher zu sprechen. Für diese Technik sind noch viele Probleme zu lösen, die erhebliche Zeit fordern.

Magnetplatten haben in dieser Konkurrenz eine gute Ausgangsposition. Sie stehen vor einem großen Entwicklungssprung, der erhebliche Anstrengungen erfordert.

Es geht um die kleinen Formate, also fünf Zoll, aber auch bereits 3,5 Zoll. Diese kleinen Durchmesser sind durch die Dichtenerhöhung, die sinnvolle Kapazitätsnutzung und neue Fertigungstechniken begünstigt.

Die Partikelschichten in der Magnettechnik kommen bisher auf eine Aufzeichnungsdichte von etwa 10 000 Flußwechseln pro Inch. Jetzt müssen dünnere Schichten mit höherer Koerzitivkraft entwickelt werden. Es gibt bereits Schichten für den Bereich bis maximal 20 000 linearer Flußwechsel pro Inch. Der verfahrenstechnische Aufwand und entsprechend die Kosten sind jedoch hoch, die Ausbeute nach wie vor niedrig.

Diese Anstrengungen können also nur eine Zwischenlosung sein. Man versucht eben, einmal getätigte Investitionen so lange wie möglich auszunutzen.

Die logische technische Lösung liegt eindeutig in Metalldünnschichtplatten. Sie haben ein höheres magnetisches Moment und können kostengünstig naßchemisch in Großchargen hergestellt werden. Fast die gesamte Industrie versucht, diesen Metalldünnschichtplatten in den nächsten Jahren zum Durchbruch zu verhelfen.

Es ist entgegen landläufiger Meinung nicht die Korrosion, die das Problem darstellt. Im praktischen Betrieb spielt die während der Lebensdauer eines Festplattenspeichers keine Rolle. Einschränkende Faktoren liegen in den Aufzeichnungs- und Wiedergabebedingungen selbst: Um mit einer nur wenige hundert Nanometer dicken Schicht einen ausreichenden Signalpegel zu erreichen, braucht man sehr niedrige Flughöhen. Sie setzen äußerst glatte Träger und Oberflächen voraus, die sehr schwierig vor Beschädigungen oder Adhäsion am Magnetkopf zu schützen sind.

So wartet man jenseits der 10 000 fci noch auf technisch machbare Lösungen, seien es sehr dünne Gleit- oder Schutzschichten, seien es Magnetköpfe mit negativem Anpreßdruck. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß der Dünnfilmkopf, den diese Platten letztendlich erfordern, noch immer nicht in Großserie hergestellt wird. Chemisch hergestellte Metalldünnschichtplatten eignen sich in Kombination mit diesen Köpfen auch bei longitudinaler Aufzeichnung für sehr hohe Dichten. Die Theorie wird in diesem Punkt von den Meßergebnissen bestätigt.

Es ist also zur Zeit nicht notwendig, auf die aufwendigeren aufgedampften oder gesputterten Dünnschichten überzugehen, auch wenn zum Beispiel die von uns untersuchten CoSm-Schichten durchaus noch magnetische Vorteile aufweisen.

Entwicklungsschwerpunkte

Zweifelhaft erscheint zur Zeit auch die Untersuchung von vertikalorientierten Metallschichten für Magnetspeicher mit fliegenden Köpfen. Nach der Abstandsformel erwartet man niedrigere Flußwechseldichten als bei der Kontaktvertikalaufzeichnung auf Flexy-Disks und keine Vorteile gegen Metalldünnschichtplatten mit longitudinaler Anisotropie.

Die Entwicklungsschwerpunkte erscheinen deshalb als eindeutig bei

- Disketten mit hochkoerzitiven dünnen Pigmentschichten unter Verwendung von nadelförmigen und isotropen Pigmenten sowie CoCr-Vertikalschichten

- Computerband Cartridge mit Chromdioxidband

- Metalldünnfilmplatten mit longitudinal orientierten Schichten, hergestellt durch chemische oder elektrochemische Abscheidung.

- Festplattenspeicher und Speicherdisketten mit Abmessung von fünf Zoll und darunter

- Optische Speicherplatten mit irreversiblen oder löschbaren einfachen Schichten und reversiblen magneto-optischen Schichten.

Das Grundprinzip der Magnetspeicher, vor 50 Jahren zum ersten Mal durch das Magnetband vorgegeben, wird auch bei diesen Entwicklungen beibehalten. Es scheint, daß selbst die optische Speicherung - wenn sie in Zukunft in Konkurrenz treten will - die Aufzeichnung in kleinen magnetischen Bereichen nutzen wird Sie bedeutet damit keine Abkehr.

* Leiter der Entwicklung im Unternehmensbereich Informationssysteme bei BASF