Anwender sollen Web-Standards einfordern

Metadaten bilden Grundlage für elektronischen Handel

10.11.1998
Trotz der Standardisierungen im Internet gehen die führenden Hersteller von Web-Browsern unterschiedliche Wege. Tim Berners-Lee, Direktor des World Wide Web Consortium (W3C) erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Frank Niemann, warum das so ist, und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen beim W3C.

CW: Die Hypertext Markup Lan- guage liegt in der Version 4 vor, doch es scheint, als würden die Browser-Hersteller immer noch nicht die Chance nutzen, Designern von Web-Seiten die Arbeit zu erleichtern.

Berners-Lee: Nun, mit HTML 4.0 sind sich die Anbieter wesentlich näher gekommen als es noch bei HTML 3.2 der Fall war. Die Gefahr einer Fragmentierung des Marktes ist nicht mehr gegeben. Herstellerspezifische Eigenschaften machen bestenfalls noch ein Prozent vom Funktionsumfang der Produkte aus.

CW: Was halten Sie von der Allianz der Organisationen Open Group und Open Standards Project, die mehr Druck auf die Hersteller ausüben sollen, damit sie untereinander kompatible Produkte entwickeln?

Berners-Lee: Es gibt bereits einige solcher Ansätze. Auch das W3C bietet auf seiner Web-Site ein Tool an, mit dem sich prüfen läßt, ob ein Browser den HTML-Spezifikationen entspricht. Trotzdem bleibt es schwierig, auf die Hersteller Druck auszuüben. Letztlich können nur die Käufer etwas bei den Anbietern bewirken. Einen wesentlichen Einfluß haben natürlich auch Sie, die Presse.

CW: Sind sich die Anwender denn ihrer Macht bewußt?

Berners-Lee: Nein. Außerdem sind die Käufer schlecht organisiert. Statt ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, sagen sie lieber, "bitte gebt uns doch Produkte, die untereinander kompatibel sind".

CW: Wird es demnächst W3C-Standards für den elektronischen Geschäftsverkehr geben?

Berners-Lee: Ja, wir arbeiten an einem Verfahren für Micropayment. Damit können Käufer im Internet kleine Beträge elektronisch bezahlen, für die sich aufwendige Transaktionen wie beispielsweise mit Secure Electronic Transactions (SET) nicht lohnen. Für den E-Commerce ist außerdem interessant, Informationen über angebotene Produkte ins Web zu bringen, wie beispielsweise Kataloge.

Wir denken auch über Agenten nach, die entsprechende Artikel aus dem Netz holen. Wenn ich beispielsweise ein gelbes Auto kaufen möchte, soll mir der elektronische Einkaufshelfer die Sites anzeigen, wo ich ein solches Fahrzeug finde.

Eine sehr wichtige Basis für unsere künftigen Entwicklungen ist zudem das Resource Description Framework (RDF). Damit lassen sich Metadaten definieren, die einer Web-Seite eine Struktur verleihen. Dadurch vereinfacht sich die automatische Suche nach Informationen. Doch es wird noch Jahre dauern, bis wir soweit sind.

CW: Kommen wir zu einem anderen Thema. Können Sie sich vorstellen, daß in Zukunft Programmiersprachen wie C und Perl mit HTML zusammenwachsen?

Berners-Lee: Ich glaube, das wird nicht geschehen. Es wäre viel zu aufwendig, eine derart komplexe Spezifikation zu verwalten. Außerdem bietet HTML inzwischen viele Funktionen, mit denen Entwickler sehr gute Internet-Anwendungen schreiben können, ohne auch nur ein einziges Skript einbetten zu müssen. Nicht zuletzt hat der überschaubare Umfang der HTML-Spezifikation zu deren Erfolg beigetragen.

Zudem läßt sich in der ebenfalls vom W3C spezifizierten Exten- sible Markup Language (XML) jede Art von Modul integrieren. Ferner können Sie mittels XML eigene HTML-Tags entwerfen und so den Umfang der Auszeichnungssprache erweitern.

CW: Manche behaupten, XML werde eines Tages HTML ersetzen.

Berners-Lee: Dies ist definitiv nicht möglich, da es sich bei XML um etwas völlig anderes handelt. XML ist eine vereinfachte Version der Standard Genera- lized Markup Language (SGML), während HTML mit Hilfe von SGML erstellt wurde. Beide Sprachen ergänzen sich, stehen aber nicht in Konkurrenz zueinander.

CW: Microsoft scheint im W3C ein Übergewicht zu haben. So wurde beispielsweise die XML-Spezifikation doch sehr von diesem Unternehmen geprägt. Wie sehen Sie das?

Berners-Lee: Es ist normal, daß Hersteller wie Microsoft viele Mitarbeiter ins W3C entsenden. Doch im Lenkungsausschuß sowie in den Arbeitsgruppen sind alle im Gremium organisierten Firmen gleich stark vertreten. Was XML anbetrifft, so hat zwar Microsoft sehr viel Marketing für diese Technik betrieben, doch die Spezifikation trägt auch die Handschrift einer Reihe von weniger bekannten Firmen.

CW: Warum kümmert sich eigentlich das W3C um die Standardisierung von HTML und nicht ein Gremium wie die Internet Engineering Task Force (IETF) oder die International Organization for Standardization (ISO)?

Berners-Lee: Für die Spezifikation von HTML braucht man einfach andere Leute. Im W3C können wir zudem schneller agieren als etwa die IETF oder die ISO, da wir uns ausschließlich auf das Web konzentrieren.