Adaption der Objektorientierung im Markt

Meta Group: 1996 wird das Jahr hybrider Komponententechnik

26.01.1996

Der Trend geht in Richtung Frameworks, die aus Visual-Basic- aehnlichen sowie aus derivativen Smalltalk-4GLs bestehen und die Zusammenstellung von vorgefertigten Komponenten und Klassenbibliotheken ermoeglichen. Unterscheidungsmerkmale, die kuenftig ein Produkt von einem anderen abheben, gehen ueber die Moeglichkeiten, die Microsoft zur Zeit bietet, hinaus. Dazu zaehlen die klassenbasierte Vererbung, die Kapselung von Legacy-Code, Polymorphismus, Agentensoftware und Broker-Interoperabilitaet.

Die Meta Group erwartet, dass die Mehrzahl dessen, was in den Tools als Komponenten zur Verfuegung steht, bis 1997 auf der Microsoft- Technik Object Linking and Embedding (OLE) basiert oder direkt als OLE Custom Controls (OCX) angeboten wird. Vertikale Komponenten spielen erst ab 1998 eine grosse Rolle.

Im wesentlichen beeinflussen vier Hersteller- und Haendlergruppen den Markt fuer Objekte und Komponenten: die Tools-Anbieter mit Werkzeugen fuer die unternehmensweite oder abteilungsbezogene DV und fuer die Entwicklung von entscheidungsunterstuetzenden Systemen, die Standardsoftware-Anbieter, Systemintegratoren und Anbieter von fertiggestellten Komponenten.

In der Regel fahren Anbieter von Entwicklungs-Tools fuer die Erstellung unternehmensweiter Programme zweigleisig. Sie stellen zum einen Visual-Basic-Custom-Controls- (VBX)- und OCX-Container sowie -Server zur Verfuegung und unterstuetzen OLE; zum anderen bieten sie Geschaeftsobjekte und Prozesse, die aus der jeweiligen Applikation aufgerufen werden koennen.

Beispielsweise ermoeglicht "Arranger" von Texas Instruments, Cobol- basierte Geschaeftsregeln so zu kapseln, dass sie als selbstaendige Objekte verwendbar sind. Seer Technologies stellt Cobol-Templates fuer nicht ereignisgesteuerte vertikale Prozesse her. Netron bietet eine Technologie an, die Cobol-Module wiederverwendbar macht. Mit "Smart Objects" verfuegt Progress ueber eine andere Art von Geschaeftsobjekten, die sich fuer die Gestaltung von Spreadsheets oder Benutzer-Interfaces eignen.

Die meisten Tools, die fuer die abteilungsbezogene Programmierung eingesetzt werden, verfuegen ueber eine Ueberzahl an Bibliotheken, die in Tools-eigenen Beschreibungssprachen geschrieben sind: "PBL" von Powersoft, "SAL" von Gupta, "Forte Scripts" von Forte, "Dynasty Script" oder C von Dynasty und "Delphi" von Borland. Typischerweise enthalten diese Bibliotheken GUI-spezifische Komponenten. Ausserdem unterstuetzen sie zumeist OCX. Haeufig stehen den Anbietern in diesem Segment zusaetzlich Partnerfirmen zur Seite, die weitere Komponenten bauen.

Bezogen auf Applikationen im Bereich Decision Support Systems (DSS) steht die Ausstattung mit Komponenten noch am Anfang. Die Technik liefert hier einklinkbare Geschaeftsobjekte wie Masken und Spreadsheets oder gekapselte Queries. Die Meta Group erwartet allerdings, dass Anbieter wie Cognos oder Business Objects noch in diesem Jahr OLE-Automation und mehr Komponenten einbinden werden.

Standardsoftware auf Objektorientierung zu trimmen hiesse zumeist, sie neu zu schreiben. Einige Anbieter wie SSA und Marcam haben das getan. Fuer die Mehrzahl der Standardsoftware-Produzenten bedeutete eine solche Umwandlung allerdings hohe Investitionen und ein nicht unerhebliches Risiko. Objektorientierung wird hier auf OLE- Container und -Server begrenzt.

Darueber hinaus aber haben sich Standardsoftware-Anbieter wie Marcam und SAP zur Object Application Group (OAG) zusammengeschlossen, um Richtlinien fuer die Entwicklung von Geschaeftsobjekten, etwa Masken, zu finden, die das Aneinanderkoppeln von Applikationen verschiedener Hersteller erleichtern sollen. An die Entwicklung vertikaler Komponenten ist dabei jedoch nicht gedacht.

Insbesondere in Ergaenzung von Standardsoftware haben Systemhaeuser Chancen, mit objektorientierten oder hybriden Komponenten in den Markt vorzustossen. Die meisten Systemintegratoren bieten bereits eine Grundausstattung an Application-Frameworks an, die mit marktueblichen Tool erstellt wurden. Zum Beispiel arbeitet "Eagle" von Andersen mit dem Smalltalk-Tool "Visual Works" von Parcplace- Digitalk.

Auch bei den Komponentenherstellern selbst steckt die Componentware noch in den Kinderschuhen. Die meisten Anbieter greifen lediglich zu OLE, um Desktop-Anwendungen zu bedienen. Obwohl bereits Object Request Broker erhaeltlich sind, wird es laut Meta Group noch mindestens zwei Jahre dauern, bis der Markt spuerbar reagiert.

Grundbegriffe: Komponenten und Objekte

Komponente: Oberbegriff fuer jeden als Gruppe zusammengefassten Code. Komponenten bedingen nicht notwendigerweise Objektorientierung. Trotzdem versteht man darunter in aller Regel ein grobgestricktes Objekt, das Frameworks und andere Objekte umfasst.

Objekt: Eine Kombination aus Daten und Methoden, die zu einer logisch geschlossenen Einheit verknuepft sind und mit anderen Objekten kommunizieren koennen. Zentrale Eigenschaften von Objekten sind Vererbung, Polymorphismus und Kapselung.

Business Objects: Geschaeftsobjekte wie Spreadsheets und Masken, die nicht zwangslaeufig objektorientiert sein muessen.

Business Rule Objects: Geschaeftsobjekte wie Gehaltsabrechnung oder Kostenumbuchung, in denen die Regeln fuer Geschaeftsprozesse definiert sind.

Horizontale Objekte: Objekte, die in vielen verschiedenen Anwendungen verwendbar sind. Einen derzeit typischen Anwendungsbereich bilden Graphical User Interfaces (GUI).

Vertikale Objekte: Objekte, mit denen sich branchenspezifische Geschaeftsprozesse abbilden lassen (siehe Business Rule Objects).

Klassenbibliothek: Eine logische Gruppierung von aehnlichen "echten" Objekten.

OLE-Automation: Die Technik erlaubt den Datenaustausch zwischen OLE-faehigen Applikationen (OCX).

OCX-Container: Container-Klassen versetzen eine OLE-faehige Applikation in die Lage, Daten aus einer anderen Anwendung zu empfangen.

OCX-Server: Mit Hilfe von OCX-Servern kann eine Applikation Daten an andere Programme uebergeben.