HP und Nixdorf unterlaufen Vorgaben der Systems-Veranstalter:

Messekonzept läßt Marktrealität außer acht

16.10.1987

MÜNCHEN (dow) - Schelte kassiert die Münchener Messegesellschaft (MMG) schon vor Beginn der Systems: CAD/CAM-Anbieter wie Intergraph und Computervision, die auf die Systec im nächsten Jahr verwiesen wurden, befürchten Wettbewerbsnachteile gegenüber den Großen der DV-Industrie. Überhaupt habe, so meinen viele Aussteller und Besucher, die DV-Realität die Konzepte der Messemacher längst überholt.

Die Sorge der Nischen-Anbieter: Umsatzgiganten wie IBM, Siemens oder Nixdorf haben allein wegen der Größe ihrer Stände viel eher die Möglichkeit, die Vorgaben der MMG zu unterlaufen und unauffällig ihre Fertigungskonzepte auf der Systems mitlaufen zu lassen. Den Nutzen der Trennung von Bürokommunikation und Fertigung hat, wie boshafte Brancheninsider behaupten, nur die Messegesellschaft. Die Anwender müßten mehrere Messen besuchen, wenn sie sich umfassend informieren wollten. Und das kostet Zeit und Geld.

Widersprüchlich ist das Messekonzept nach Meinung von Fachleuten auch deshalb, weil die Trennung von Büro und Fertigung allenfalls in der Theorie existiere. Die Organisatoren in Hannover und München ignorierten damit das Ziel der Industrie, verschiedene Unternehmensbereiche per DV zu verbinden und nicht zu trennen.

"Man kann die Datenverarbeitung nicht teilen in etwas Technisches und etwas Kommerzielles", sagt Hans-Jürgen Sauer, Marketing-Leiter bei Intergraph. Gerd vom Hövel, Geschäftsführer der MMG, ist anderer Meinung: "Die Systec stellt die Welt der Fertigung dar und die Systems die Welt der Dienstleistungen." Anbieter von C-Techniken, die sich von solchen Vorgaben nicht abschrecken ließen und sich um einen Standplatz bewarben, wurden enttäuscht. Bereits im Juli hatte die MMG die Anbieter aus dem Bereich der sogenannten C-Techniken ausdrücklich vom Messegelände verbannt. Proteste von CAD/CAM-Spezialisten wie Intergraph oder Computervision nützten wenig: Diese Unternehmen wies die MMG barsch darauf hin, daß für "Firmen, die erkennbar Produkte der sogenannten C-Techniken ausstellen wollen, die Systec das geeignete Forum ist' .

Um die CAD/CAM-Aussteller bei der Stange zu halten, versprach ihnen die MMG allerdings, dieses Jahr verstärkt die Exponate auf den Ständen zu kontrollieren, damit wirklich nur kommerzielle Lösungen präsentiert würden. Systems-Projektleiter Jürgen Tillack drohte Ausstellern die gegen die Vorgaben der Messegesellschaft verstoßen, sogar mit Standschließungen .

Veranstalter müssen dem Trend folgen

Betroffen von den strengen Vorgaben der MMG ist auch die ICL Deutschland International Computers GmbH. Zusammen mit der Muttergesellschaft STC Plc. beteiligt sich der britische Computerhersteller an der fast zeitgleich mit der Systems stattfindenden Telecom '87 in Genf. Dort darf das Unternehmen, an dem sich jetzt der Kommunikationsriese Northern Telecom beteiligt hat, den gesamten Bereich des vernetzten Büros einschließlich Fertigung präsentieren. Firmensprecher Joachim Gurnik erkennt zwar die Platznöte der Messegesellschaften an, doch müßten auch die Messeveranstalter dem Trend der letzten Jahre folgen: dem Zusammenwachsen von Büro und Fertigung.

Die Hewlett-Packard GmbH (HP) legt die Anweisungen der MMG großzügig aus: "Wenn wir uns ganz korrekt an die Vorgaben der Messegesellschaft hielten", so ein Sprecher des Unternehmens, "uns also auf Bürokommunikation beschränkten, würde das Konzept unseren Ansprüchen nicht gerecht." Die Schnittstelle zur Fertigung will HP auf der Systems auf keinen Fall vernachlässigen: Das technisch orientierte Unternehmen zeigt keine reinen Office-Lösungen, sondern auch Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS). Die strenge Trennung von Büro und Fertigung könne ein Aussteller nicht einhalten, wenn er sonst die Integration propagiere. Im übrigen forciere HP inzwischen Hausmessen, um Kunden gezielt anzusprechen.

Auch die Nixdorf AG hat sich für die Systems das Thema Integration auf die Fahnen geschrieben. Die Einschränkung durch die offizielle Nomenklatur umgehen die Paderborner, indem sie auf den Sonderschauen der Systems Lösungen zeigen, die C-Techniken miteinschließen.

Wenn die Anwender Messepolitik machen könnten, stünde der ganzheitliche Ansatz im Vordergrund, meint Gero Panskus vom CIM-Arbeitskreis des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU). Der Verbandsfunktionär wirft den Messeveranstaltern eine "kommerzielle geschäftspolitische Konstruktion" vor. Sie wollten mit mehr Messen mehr Geld verdienen. Weder im CeBIT noch auf der Systems sei ein Angebot zu finden, das dem Anwender die Chance gebe, sich umfassend zu informieren.