Messaging-Systeme/Administration kann nicht nebenher erfolgen E-Mail im lokalen Netz ist der naechste Outsourcing-Kandidat

31.03.1995

Von Martin Hager*

E-Mail in grossen Netzen wird immer komplexer und weitraeumiger. Outsourcing-Konzepte koennen einen Weg aus dem Dickicht verschiedener Standards und hoher Bandbreiten weisen.

Schoen ist die Welt der Hersteller und Hochglanz-Anwender von LAN- basierten E-Mail-Systemen. Diskette ins Laufwerk schieben, und los geht's. Die Auswahl ist sowieso einfach, da es ja immer nur ein brauchbares Produkt fuer alle wirklich ernsthaften Anwender gibt. Und sollte der Kunde jemals nach einer zusaetzlichen Funktion fragen, so lassen sich ja sofort alle Lizenzen auf eine Workflow- oder Groupware-Applikation upgraden. Auf jeden Fall alles kein Problem! Zusaetzliche Hardware? Kaum der Rede wert! Auswirkungen auf die bestehende Netzwerkinfrastruktur? Minimal, natuerlich. Administration? Ganz einfach, wirklich nebenher zu erledigen!

Nein, so ist es leider nicht. Firmen, die sich dazu entschliessen, ein LAN-basiertes E-Mail-System einzusetzen, stellen sich bei der Einfuehrung eines neuen, unternehmensweit einsetzbaren Produkts die klassischen Fragen nach Kosten, Nutzen und Verfuegbarkeit.

Der Nutzen eines klassischen E-Mail- Programms ist den Unternehmen vertraut. E-Mail ist die Erweiterung der bestehenden Inhouse- Kommunikation um ein neues Medium - mit verkuerzter Laufzeit und besserer Erreichbarkeit jedes einzelnen. E-Mail hat sich neben dem Telefon zum Kommunikationsmittel schlechthin entwickelt.

Durch die geringen Anschaffungskosten pro Benutzer und vergleichsweise guenstige Hardwarevoraussetzungen eignet sich die elektronische Post fuer den tatsaechlich unternehmensweiten Einsatz. Vom Vorstand bis zum Pfoertner kann jeder Mitarbeiter E-Mail verstehen und sinnvoll einsetzen - vor allem, weil sich der Funktionsumfang der Produkte auf das Wesentliche einer jeden Kommunikation beschraenkt: Das Nachrichtenverfassen, Senden, Lesen und Beantworten. Klar definierte und beschraenkte Funktionen erleichtern die Einarbeitung, verbessern die Stabilitaet und erhoehen somit Akzeptanz und Effizienz dieser Software.

Allerdings muss ganz klar eine Trennlinie zwischen den Anschaffungs- und den Betriebskosten gezogen werden:

Die Anschaffungskosten der Lizenzen sind bei allen LAN-basierten Produkten geradezu laecherlich niedrig und liegen pro Benutzer entweder unter denen fuer das PC-Betriebssystem oder sind gar als kostenlose Dreingabe in Office-Paketen enthalten. Auch die zusaetzlichen Hardware-Investitionen fallen durch die staendig sinkenden Preise vergleichsweise gering aus. Normalerweise sind auch keine RAM-Erweiterungen auf der Client-Seite noetig, und fuer E-Mail ist so gut wie jeder PC im Netz schnell genug. Doch die schoene Welt der bunten Icons und dezentralen Anwendungen hat auch Schatten.

Dezentrale Systeme schaffen ueblicherweise dezentrale Probleme. Nun soll an dieser Stelle nicht das hohe Lied der Host-Applikationen gesungen werden, die mit ihren eigenen, hinreichend bekannten Komplikationen zu kaempfen haben.

Das IT-Management wird durch den Einsatz von E-Mail mit einer neuen Problematik konfrontiert: Die Administrationskosten fuer LAN- basiertes E-Mail sind nicht unerheblich, da neben der Benutzerpflege auch die Wartung des Netzwerk-Betriebssystems erforderlich ist und sowohl die Datenbanken als auch die Gateway- beziehungsweise Routing-Funktionen der jeweiligen Produkte einer staendigen Vor- und Nachsorge beduerfen. Durch die verteilte Installation muss auch in jeder angebundenen Niederlassung oder Abteilung entsprechendes Basis Know-how vorhanden sein und trainiert werden. Und auch der Helpdesk sollte benutzerorientiert geschult werden. Die Administration laesst sich also in der Regel nicht einfach so "nebenher" erledigen, ohne dass die Verfuegbarkeit des Systems darunter leiden wuerde.

Hinzu kommen die oft vergessenen Auswirkungen auf die bestehenden Kommunikationsinfrastrukturen. Meist muessen stark belastete Backbones erhebliche zusaetzliche Datenmengen verkraften. Bestehende Standleitungen oder X.25-Verbindungen sind zwar fuer Terminaldatenstroeme schnell genug, doch koennen sie auch massive Filetransfers, sprich Nachrichten mit Dateianhaengen bedienen, ohne dass andere produktive Anwendungen dadurch beeintraechtigt werden? Wie stellt man Ressourcen fuer die Anbindung von 100 Aussendienstlern bereit?

Die Verfuegbarkeit eines LAN-E-Mail-Systems haengt damit von einer moeglichst geschickten oder auch gluecklichen Kombination von richtiger Produktauswahl, aufgebautem Know-how und optimalem Ressourceneinsatz ab.

Oft soll auch nach erfolgreicher Installation im Unternehmen die Anbindung von Lieferanten und Kunden realisiert werden, ohne eine Oeffnung des eigenen Netzwerks zu erlauben. Zusaetzlich wird die Implementierung oeffentlicher Standards wie X.400 und SMTP (Simple Mail Transfer Protocol, der Mail-Standard des Internet) gefordert.

Die Integration all dieser Wuensche und Ziele fuehrt schnell zum verstaendlicherweise gefuerchteten Stapel von Gateway-PCs - mit der ihnen eigenen "Unmanagebarkeit".

Hier bieten sich dem Unternehmen klassische Ansatzpunkte fuer erfolgreiches Outsourcing.

E-Mail-Outsourcing kann in drei moegliche Gruppen unterteilt werden: Outsourcing von Benutzersupport, von Administration und von Kommunikationsleistungen.

Allen drei Gruppen ist der unschaetzbare Vorteil der nachvollziehbaren Kosten gemein, die sich auf den einzelnen Benutzer umlegen lassen.

Die Installation von E-Mail mit vielen zentral angebotenen Ressourcen und zusaetzlich bereitgestellten Bandbreiten birgt das Problem von komplizierten und untransparenten Abrechnungen. Ist der Dienstleister jedoch in der Lage, die anfallenden Kosten Kostenstellen oder Anwendern zuzuordnen, loest sich dieses Problem recht einfach.

Das Outsourcing von Benutzersupport beziehungsweise Helpdesk Leistungen wurde in vielen Unternehmen bereits praktisch erprobt. Speziell dann, wenn bereits eine Vereinbarung mit einem entsprechenden Dienstleister besteht, kann nur empfohlen werden, den Service um E-Mail zu erweitern. Dies kann sowohl auf Pay-per- call- oder Pay-per-user-Basis geschehen. Die gewaehlte Konstruktion haengt vor allem von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Dienstleister ab. Wichtig bei der Auswahl eines solchen Partners sind vor allem dessen Know-how, seine Erreichbarkeit und die Vertrautheit mit der Installation des Auftraggebers, um teure Reibungsverluste zu vermeiden. Zudem sollte ein mit dem Produkt vertrauter Berater oder auch Hersteller hinzugezogen werden, um so die noetige Kompetenz sicherzustellen.

Administrations-Leistungen einzukaufen ist hingegen ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist die Moeglichkeit, sich gerade den Aufbau dieses teuren und unregelmaessig benoetigten Wissens zu ersparen, bestechend, andererseits besteht die grosse Gefahr, dass es zu lange dauert, bis auf ein entsprechendes Problem reagiert werden kann. Zusaetzlich muss im Normalfall ein Netzwerkzugang mit typischerweise weitreichenden Berechtigungen ermoeglicht werden, was sicherheitstechnisch oft bedenklich ist.

Gerade die oertliche Naehe zu den verschiedenen Lokationen ist bei einer derartigen Zusammenarbeit entscheidend, da die Kommunikationskosten sonst schnell betraechtliche Hoehen erreichen.

Praktikabler ist das Ausgliedern von Diensten im reinen Kommunikationsbereich. Hier gibt es verschiedene Moeglichkeiten. Normalerweise nicht praktikabel ist das Outsourcing des kompletten LAN-E-Mail-Systems, da entsprechende Bandbreiten entweder gar nicht moeglich oder aber schlicht zu teuer sind. Mit 2 Mbit/s laesst sich bei LAN-E-Mail aufgrund des File-sharing- Ansatzes praktisch aller Produkte keine zufriedenstellende Performance und Systemstabilitaet erzielen. Sehr gut moeglich ist allerdings die Bereitstellung von Einwahlressourcen fuer die Anbindung von Niederlassungen und Aussendienstlern oder die Anbindung an oeffentliche und damit meist teure Standards wie X.400 oder SMTP.

Prinzipiell muss zur Anbindung entfernter Lokationen eine entsprechende Anzahl von Kommunikationszugaengen zur Verfuegung gestellt werden. Normalerweise sind dies Modems, die je nach Produkt von dedizierten DOS- oder OS/2-PCs bedient werden.

Bei stark verteilten Lokationen stellt sich zusaetzlich das Problem der zum Teil sehr teuren oder schlecht verfuegbaren Leitungskapazitaeten.

Bei der Aussendienstanbindung muss zusaetzlich das Problem der schieren Masse geloest werden, da sich ueblicherweise das Einwahlverhalten der einzelnen Benutzer sehr stark aehnelt: Um 8 Uhr morgens wollen sie alle nahezu gleichzeitig ihre Nachrichten empfangen und kurz darauf wieder versenden koennen, waehrend der folgenden Stunden bis zur naechsten Spitzenbelastung kaum noch Nachrichtenverkehr herrscht.

Die Anzahl der benoetigten Zugaenge haengt dabei sowohl von der Menge der zu erwartenden Anwender als auch von dem zu uebertragenden Nachrichtenvolumen ab. Letzteres wird kuenftig stark steigen - und damit auch die Verbindungszeit --, da sich E-Mail hervorragend als ein leicht zu bedienender File-Transfer eignet. Man denke nur an die Uebermittlung von Auftragsdaten vor Ort, die sich bestens per E-Mail uebertragen lassen.

Hier bietet sich ein Outsourcing der Kommunikationszugaenge an, da es das Unternehmen davon entbindet, sich ein eigenes X.25-Netzwerk oder massive Modembaenke zuzulegen und diese auch noch zu verwalten.

Outsourcing-Ansaetze lassen sich bei der Loesung dieser Problematik in zwei Gruppen unterteilen: Es werden entweder die reine Infrastruktur oder Komplettloesungen angeboten. Die reine Infrastruktur laesst sich durch den Einkauf von typischerweise X.25 Bandbreite mit moeglichst vielen oeffentlichen Knoten loesen, dies befreit das Unternehmen aber nicht von der Notwendigkeit einer eigenen Installation von E-Mail-Servern. Typische Anbieter sind hier die Telekom mit ihrem Datex-P-Netzwerk, Meganet, oder auch CompuServe mit seiner grossen Zahl von Einwahlknoten.

Loesungsorientierte Ansaetze verfolgen das Ziel, alle Nachrichten zu sammeln und gebuendelt an ihr Unternehmen zu uebergeben, wodurch sich bei ihnen die Anzahl der erforderlichen Zugaenge auf einen einzigen beschraenkt. Diese Vorgehensweise loest im Idealfall die wichtigsten Probleme. Hier gibt es allerdings grosse Unterschiede in der Implementierung dieser Dienste, da die meisten Anbieter verlangen, dass die Nachrichten in einem bestimmten Format angeliefert oder abgeholt werden muessen, und daher Funktionen des Produkts bei der Konvertierung verlorengehen.

Die ideale Loesung besteht daher in der Kombination einer grossen Zahl von Zugangsknoten mit einer transparenten Uebertragung der versendeten Daten. Anbieter von oeffentlichen Messaging-Loesungen sind zum Beispiel CompuServe und Retarus mit ihrem gemeinschaftlichen Mail-Hub, AT&T mit Easylink und die Telekom mit Telebox400. Es bestehen jedoch grosse Unterschiede in der jeweiligen Auspraegung des angebotenen Dienstes, so dass sich nur raten laesst, die Anbieter direkt zu kontaktieren und ein Angebot einzuholen.

Immer haeufiger befinden sich Unternehmen in der Situation, dass das interne Mail-System auch ueber oeffentliche Standards erreichbar sein muss. Insbesondere die Anbindung an X.400 ist dabei oft gefragt. X.400-Implementierungen sind leider sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt sehr teuer. Um zum Beispiel cc:Mail mit X.400 zu verbinden, muss mit reinen Anschaffungskosten von zirka 100000 Mark gerechnet werden. Auch hier lassen sich ueber Outsourcing-Anbieter kostenguenstige Loesungen erzielen. So gibt es bereits einen X.400-Zugang fuer cc:Mail fuer 30 Mark pro Monat plus Uebertragungsgebuehren. Es laesst sich nun recht einfach errechnen, ab wann die Anschaffung eines eigenen X.400-Zugangs guenstiger ist. Typischerweise muesste ein Unternehmen einige tausend Nachrichten pro Jahr ueber diesen Weg verschicken, damit sich die reinen Investitionskosten auch nur annaehernd amortisieren.

Grundsaetzlich ist zu erwarten, dass externe Dienstanbieter durch die zunehmende Komplexitaet ein immer groesseres Gewicht bei der Implementierung von E-Mail-Installationen haben werden. Zum beiderseitigen Vorteil.

Auswahlkriterien fuer E-Mail-Outsourcing-Partner:

Kommunikationsinfrastruktur:

- unterstuetztes Mail-System;

- Anzahl und Verteilung der verfuegbaren Einwahlknoten;

- Kosten pro Megabyte oder Stunde;

- Grundkosten pro Benutzer;

- Erhalt saemtlicher E-Mail Funktionen?

- Verfuegbarkeit;

- Warnfunktionen sowie

- Firewall-Funktionen.

X.400:

- unterstuetztes Mail-System;

- Kosten pro Kilobyte und Zielland;

- monatliche Grundgebuehren,

- Anzahl der verbundenen ADMDs,

- Adressstruktur sowie

- erhaltene E-Mail-Funktionen.

* Martin Hager ist Geschaeftsfuehrer der Retarus Network Services GmbH in Hoehenkirchen bei Muenchen.