Globale Kommunikation auf Basis von Exchange

Messaging-Konzept der Dresdner Bank sprengt Ländergrenzen

03.03.2000
Schaffung einer Messaging-Infrastruktur zur Unterstützung der internen Kommunikation der über den ganzen Erdball verstreuten Niederlassungen - so lautete das Ziel, das sich die Dresdner Bank Lateinamerika AG (DBLA) Mitte 1997 steckte. Weil der Mutterkonzern sich zu dem Zeitpunkt bereits für eine Lösung auf der Basis von Microsoft Exchange entschieden hatte, waren die grundlegenden Weichen gestellt.Von Siegfried Jagott und Martin Rohte*

Bereits im Juli 1996 hatte sich die international operierende Dresdner Bank Gruppe entschlossen, ein homogenes, globales Messaging-System auf der Basis von Microsofts "Exchange" zu schaffen. Ziel des Kreditunternehmens war es, alle Niederlassungen und Töchter - darunter auch die DBLA, die das gesamte Lateinamerika-Geschäft koordiniert - weltweit einzubinden und eine Lösung für die Vergabe unternehmensübergreifender E-Mail-Adressen sowie die Einrichtung von Verteilern zu schaffen. Nicht nur die elektronische Post, auch andere elektronische Dokumente sollten sich mit Hilfe des weltumfassenden Systems rund um die Uhr schneller und vor allem zuverlässiger verschicken lassen.

Da dieses internationale Projekt ohne externe Unterstützung nicht zu realisieren war, zog die DBLA die Siemens Business Services (SBS) zur Unterstützung heran. Gemeinsam erfolgte dann die Definition der weiteren Vorgehensweise - von den Kommunikationsstandards über die Koordination internationaler Standorte bis hin zur Konzeption und dem Aufbau einer umfassenden Messaging-Infrastruktur für die Niederlassungen, Filialen, Tochterunternehmen und Repräsentanzen in Lateinamerika. Dabei galt es, die Verfahren zur netzwerktechnischen Eingliederung der ausländischen Geschäftsstellen zu bestimmen, aber auch ein Konzept für die Anbindung des Server-Systems an das firmeneigene Intranet zu entwerfen. Außerdem sollten sich über eine zentrale Dokumentenverwaltung beispielsweise Statistiken der ein- und ausgehenden Nachrichten erstellen lassen.

Aufgrund infrastruktureller Probleme stellte die Anbindung der lateinamerikanischen Standorte eine entscheidende Herausforderung dar. Während die Netzanbindung zu den Niederlassungen in Lateinamerika mit mindestens 128 Kbit/s Bandbreite zwar zufriedenstellend war, hatte man bei den Verbindungen zu den einzelnen Repräsentanzen mit weitaus geringeren Bandbreiten (teilweise nur 19 Kbit/s) zu kämpfen. Hier war also Basisarbeit angesagt, die ein eigenständiges Projektteam leistete. Diese Gruppe etablierte innerhalb der DBLA zuerst eine weltweit stabile und einheitliche Netzbasisstruktur, die Corporated Network Infrastructure (CorNetTI). Heute sind Leitungen mit einer Kapazität von 32 Kbit/s der absolute Standard - und der weltweite E-Mail-Verkehr damit gesichert.

Organisatorisch funktionieren können derartig umfassende Messaging-Strukturen freilich nur, wenn klare Vorgaben definiert sind. Die Benennung der Verzeichnisse und der Server sind deshalb ebenso wie die Vorschriften für die Administration oder die Konfigurationen in E-Mail-Konventionen schriftlich fixiert. Vorgaben für die Namensgebung tragen zur Steigerung des Benutzerkomforts bei.

Über die klare Definition und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten ließ sich die Administration des Messaging-Systems straffen. Derzeit beschränkt sich die NT- und Mail-Verwaltung auf nur noch drei Personen, die am Standort Hamburg 700 Benutzer und Postfächer betreuen. Weitere 700 Benutzer verteilen sich auf die lateinamerikanischen Geschäftsstellen. Die Niederlassungen Miami, Sao Paulo, Grand Cayman und Panama haben zusätzlich eigene IT-Abteilungen, die eigenverantwortlich die Server und die IT-Infrastruktur vor Ort administrieren.

Für den Ernstfall sieht das Konzept ein Worst-Case-Szenario vor. Eine eigens entwickelte Notfallstrategie zur Sicherung und Wiederherstellung von E-Mail-Servern (Disaster Recovery) formuliert Präventivmaßnahmen und unterstützt die Administratoren vor Ort bei auftretenden Schwierigkeiten. Dadurch wird die Fehlersuche erleichtert. Um den Produktivbetrieb auch im Falle eines totalen Datenverlusts möglichst wenig zu beeinträchtigen, ist beispielsweise definiert, wie sich die betroffenen Exchange-Server schnell wieder herstellen lassen. Da es in der Regel jedoch hinreichend Merkmale gibt, die den tatsächlichen Ausfall eines Servers rechtzeitig ankündigen, dürfte diese Situation kaum eintreten.

Sollte wider Erwarten dennoch ein Problem auftauchen, ist man auch hierauf vorbereitet, denn auf die Dokumentation des Projekts wurde großer Wert gelegt. Die Konzepte einschließlich der Dresdner-Bank-spezifischen Mail-Standards, der Vorgaben für die Public-Folder-Struktur und das Disaster Recovery hat SBS in einem gut 200 Seiten umfassenden Bericht schriftlich niedergelegt. Gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen der einzelnen Geschäftsstellen haben ihn die NT-Administratoren der DBLA im Dezember 1998 im Rahmen eines Workshops in Panama Stadt verabschiedet. Als gemeinsame Informationsgrundlage unterstützt dieser Leitfaden die Administratoren vor Ort heute bei ihrer täglichen Arbeit.

Die Messaging-Administratoren stehen weltweit miteinander in Verbindung - und das nicht nur per E-Mail. Um die globale Kommunikation im Fluss zu halten, hatte man zunächst monatliche Telefonkonferenzen vereinbart, die inzwischen durch Konferenzen mit Hilfe von Microsofts Software "Netmeeting" ersetzt wurden. Dies ermöglicht auch den Erfahrungsaustausch über die Tastatur in Form von Chats. Das hat gegenüber Telefon und Video den Vorteil, dass weniger Übertragungsstörungen anfallen.

Neben den regelmäßigen Chat-Sitzungen sind auch für die Zukunft Workshops geplant. Zur Diskussion bieten sich unter anderem Themen wie das Performance-Monitoring sowie das Message-Tracking, also die Nachrichtenverfolgung, an. Auch die bestehenden Notfallkonzepte wollen die Administratoren nochmals überarbeiten.

Schon heute erschließt sich den Geschäftstellen der DBLA ein wesentlicher Vorteil der Exchange-Struktur: das Konzept der Public Folders (öffentliche Ordner). Für international operierende Unternehmen wie den Dresdner Bank Konzern bedeutet es eine Erleichterung des Tagesgeschäfts, wenn Benutzer zwar lokal arbeiten, ihre Informationen aber dank dieser Technologie ohne zusätzlichen Aufwand automatisch allen anderen Benutzern bereitstellen können. Geografisch entfernte Anwender greifen so mit nur geringer Zeitverzögerung auf den zentralen Datenbestand zu.

Im Unterschied zum herkömmlichen Dateisystem muss der User dabei nicht mehr wissen, auf welchem Server sich die Daten befinden oder ob diese aktuell sind, was der DBLA vor allem bei internationalen Projekten hilft. So kann sich beispielsweise ein Mitarbeiter in Panama ein Dokument ansehen, das ein Benutzer in Hamburg in die Public Folder eingestellt hat - der sonst übliche Dateiversand und die damit verbundenen Probleme mit der Versionskontrolle entfallen. Weltweit können die Niederlassungen der DBLA so zentrale Adressbücher, Terminkalender oder Aufgabenlisten gemeinsam nutzen, außerdem dienen die Public Folder auch als Diskussionsforen.

Über Nacht werden die Folder (zum Beispiel in einem definierten Zeitintervall) weltweit auf die Server der Dresdner Bank repliziert. Daher sind die Daten mehrfach vorhanden, die Folder lassen sich bei Hardwareproblemen ohne Datenverlust automatisch wiederherstellen.

Damit das System funktioniert, sind die Inhalte der Public Folder gegen unberechtigten Zugriff geschützt, das Bearbeiten ist nur mit entsprechender Berechtigung möglich. Auf eine ausgefeilte Zugriffsregelung legten die Systemverwalter der Bank hohen Wert. Bestimmte Verzeichnisse innerhalb des Frameworks sind zum Beispiel nur für die Administratoren zugänglich. Darüber hinaus wird nicht jede Information im Public Folder abgelegt. Statistische Daten speichert die DBLA zum Beispiel nicht innerhalb der dynamischen Public-Folder-Struktur, sondern im Intranet.

Einge Zahlen belegen den Umfang des globalen Messaging-Systems der Dresdner Bank: Die Zahl der auf rund 100 Standorte verteilten Mailboxen ist inzwischen auf rund 50000 angestiegen. Allein den DBLA-Standort in Hamburg verlassen pro Tag derzeit etwa 24000 E-Mails, die Informationen rund um den Globus transportieren. Von dem schnellen und zuverlässigen Informationsaustausch profitieren jedoch nicht nur die Mitarbeiter, sondern in erster Linie die Kunden des Dresdner Bank Konzerns. Ihre Belange können nun rund um die Uhr bearbeitet werden.

* Siegfried Jagott ist Messaging Consultant bei Siemens Business Services (SBS), Abteilung Sicom, in München.Martin Rohte ist Systemadministrator der Abteilung Systeme/Netzwerke bei der Dresdner Bank Lateinamerika AG (DBLA) in Hamburg.

Das UnternehmenDie DBLA ist eine hundertprozentige Tochter der Dresdner Bank Gruppe. In Lateinamerika ist das Finanzunternehmen an allen wichtigen Finanzplätzen in der Region - von Mexiko-Stadt bis Buenos Aires - gemeinsam mit ihrem Mutterinstitut, der Dresdner Bank AG, vertreten. In Brasilien (Sao Paulo, Belo Horizonte, Campinas und Rio de Janeiro), Chile, Mexiko, Panama, in den USA (Miami) und auf den Cayman Islands ist sie im operativen Geschäft tätig.