Menschen, Maschinen und ihre Grenzen

05.08.1983

Es werden Gründe angeführt, weshalb heute befriedigende Lösungen für eine gute Mensch-Maschine-Interaktion so schwierig zu realisieren sind. Eine Gegenüberstellung gegensätzlicher Charakteristika und Eigenschaften von Benutzer und System, von Mensch und Rechner, schließt sich an. Das dient zur Verdeutlichung der Stärken beider Seiten und führt schließlich zur Forderung nach Benutzerfrundlichkeit dialogorientierter DV-Systeme (Teil4).

Die Verfasserin ist im Zentralbereich Technik bei Siemens (München-Perlach) tätig und war an der Entwicklung des Projekts CONDOR (COmmunikation in Natürlicher Sprache mit dialog-orientierten Retrieval-Systemen) beteiligt, einem vom BMFT geförderten Modell eines integrierten n DB-/IR-Systems für strukturierte Daten und Textdaten.

- Die normalen kommunikativen und verbalen Fähigkeiten des Benutzers sollten als Grundlage für den Dialog zunächst ausreichen. Zusätzlich notwendiges Wissen sollte dann im späteren Dialog im Bedarfsfall vermittelt werden.

- Die Eingabetätigkeit des Benutzers sollte soweit wie möglich beschränkt werden. Die Auswahl des Vokabulars sollte durch wenig Tippaufwand gekennzeichnet sein.

Während des Mensch-Maschine-Dialogs benützt der Mensch hauptsächlich sein Kurzzeitgedächtnis. Diese Tatsache muß bei der Erstellung von Bildschirmlayouts berücksichtigt werden, und zwar in verschiedenen Hinsichten:

-Mehr als sieben Symbole (Wörter) können im Kurzzeitgedächtnis nicht gespeichert werden; das heißt, wenn eine größere Anzahl gleichzeitig auf einem Bildschirm erscheint, kann nicht gespeichert werden, daß sie beim Benutzer im Gedächtnis gespeichert bleibt. Eine Effizienzsteigerung ist daher eher dadurch zu erreichen, daß man den Inhalt der Information steigert, nicht aber die Anzahl.

- Wegen der besseren Verarbeitbarkeit leicht aussprechbarer Zeichenfolgen sollten auch aussprechbare Symbole verwendet werden (sie werden besser gelesen und im Gedächtnis gespeichert); zum Beispiel KOMM besser als ZTRX.

- Wegen der besseren Verarbeitbarkeit kurzer Symbole sollte die optimale Länge eines Symbols, das nicht aussprechbar ist, nicht mehr als vier Zeichen betragen. Man kann optimal vier Ziffern auf einmal lesen, im Kurzzeitgedächtnis speichern und über eine Tastatur eintippen.

- Zahlen sollten rechtsbündig, Worte linksbündig angeordnet werden.

- Datenfelder sollten - zur besseren Lesbarkeit-möglichst untereinander geschrieben sein, den eine spaltenweise Anordnung der Felder kann die Übersichtlichkeit erhöhen

- Fortlaufende Texte sollten schmalspaltig geschrieben sein (höchstens 30 bis 40 Zeichen pro Zeile).

4.1.2 Förderung der Motivation

- Die Einarbeitung in die Systembenutzung im Dialog ohne fremde Hilfe sollte möglich sein (bei komplexen Systemen sicher nicht immer möglich).

- Benutzerhandbücher sollten möglichst überflüssig sein. Möglicherweise im Widerspruch dazu: Papier in seiner Handhabung (blättern, mit eigenen Notizen versehen, mit nach Hause nehmen können,...) ist jedem sehr vertraut.

Vorschlag:

Die Gesamtheit aller Unterweisungen, gegliedert als Benutzerhandbuch, auszudrucken.

- Das erste Erfolgserlebnis sollte mit einer relevanten Aufgabe innerhalb der ersten zehn bis fünfzehn Minuten durch sofortiges Arbeiten mit dem System erreicht werden, ohne daß Vorkenntnisse vorausgesetzt werden. Der Benutzer will mit wenig Übung produktiv arbeiten.

- Der Zugang zum System sollte mit einem einfachen Befehl gewährleistet sein und Kompliziertheit nicht bereits die ersten Benutzer abschrecken.

- Die Formulierung der Dialogtexte sollte so sein, daß sie den Benutzer motiviert und nicht ärgert.

4.1.3 Abbau von Angst und Befürchtungen

- Die Anwendung sollte ohne besondere DV-Fachkenntnisse möglich sein.

- Schwierige und unbekannte Wörter sollten vermieden oder hinreichend erläutert werden. Gleichzeitig sollten Umbenennungen üblicher beziehungsweise eingeschliffener Begriffe aus der herkömmlichen Arbeit vermieden werden, eine Anlehnung an die gewohnte Ausdrucksweise (zum Beispiel auch spezielle Fachsprache) ist förderlicher als eine willkürliche Definition von Begriffen.

- Eine eindeutige und unmißverständliche Formulierung der an den Benutzer gerich(...)ten Fragen sollte gewährleistet sein.

4.1.4 Förderung von Vertrauen und Sicherheit

- Erhält das System unverständliche Eingaben vom Benutzer, dann soll es nachfragen und Eingaben vorschlagen oder sich den unbekannten Begriff spezifizieren lassen.

- Erhält der Benutzer unverständliche Ausgaben vom System, dann soll er nachfragen können und sich Definitionen von ihm unbekannten Begriffen geben lassen können.

- Jeder Bildschirm sollte nur einen Gedanken darstellen der Benutzer nur auf eine Frage antworten müssen. Möglicherweise im Widerspruch dazu: Auch auf Übersichtlichkeit und Überschaubarkeit achten. Dabei wäre es denkbar, daß logische zusammenhängende Blöcke gebildet werden. Mit einer Funktionstaste "SPRUNG" sollte es die Möglichkeit des Rücksprungs an den Blockanfang und des Übersprungs an das Blockende geben (bei nicht benötigten Feldern).

- Das System sollte so reagieren, als hätte es den Menschen verstanden. Wenn es sich ebenso verhalten würde wie ein Mensch in dieser Situation, glaubt der Benutzer sich "verstanden" (Erwartbarkeit von Ereignissen), bei Unklarheiten sollte das System rückfragen (vgl. 4.7 "Benutzerfreundliche Fehlerbehandlung ").

- Die Mensch-Maschine-Interaktion sollte soweit wie möglich menschlichen Sprachstrukturen ähneln, wie etwa in Beschreibungen, Analogien, Vergleichen, Beispielen.

- Der Benutzer muß jederzeit in der Lage sein, für ihn in der augenblicklichen Situation wesentliche Einzelheiten des System-Modells gedanklich zu erfassen, ohne in Handbüchern zu suchen oder herumfragen zu müssen. Dazu muß das System nach durchschaubaren, nachvollziehbaren Regeln aufgebaut sein, in das der Benutzer sein Handeln als Teil des Systems einordnen kann.

- Es sollte nicht zu viel irrelevante Information, die nur verwirrt, erscheinen.

Aber: Strukturierung ist noch wichtiger als Kürze!

- Abkürzungen sind bei der Ausgabe nur zu verwenden, wenn die Kenntnis ihrer Bedeutung als sicher angenommen werden kann.

- Möglichst einheitliche Aufteilungen und Formate für alle Anwendungen sollten angestrebt werden; ferner eine minimale Anzahl verschiedener Grund-Formate.

- Jedes Bildschirmlayout sollte so aufgebaut sein, daß das Zustands-, Kommando-, Arbeits-, Meldungs- beziehungsweise Kommentarfeld - wenn vorhanden - immer an derselben Stelle zu finden ist und daß jedes deutlich voneinander abgesetzt (durch Leer-, Strichzeilen oder ähnliches) ist. Gleichgeartete Informationen sollten jeweils an denselben Stellen des Bildschirms wiederzufinden sein.

- Das System muß stets dem Benutzer Antwort geben können auf seine dringensten Fragen:

- Wo bin ich?

- Was kann ich jetzt machen? - Wie kann ich dahin kommen, wo ich hinwill?

4.2 Dialogflexibilität

- Dem Benutzer sollte das Zusammenfassende von Eingaben (zum Beispiel Erstellen komplexer Kommandos) möglich sein, so daß die Dialoge kurz werden. Wenn der Benutzer selber Kommandofolgen definieren kann, gestaltet man das System flexibel und gibt dem Benutzer die Chance zum Selbstlernen. Stellt man dem Benutzer allerdings von vornherein komplexere Anweisungen zur Verfügung, werden die meisten nur wenig angewandt. - Dem Benutzer sollte ein beliebiges Vor- und Zurückgehen im Dialog ermöglicht werden (einheitliches Blättern).

- Vorherige Bildschirminhalte sollte der Benutzer sich wiederbeschaffen können.

- Selektive Dialogabschnitte oder Prozesse sollten abzubrechen sein. Es muß die Möglichkeit bestehen, eine Eingabe "ungeschehen" machen zu können (vergleiche 4.3 "Rückkopplungsfähigkeit"). Verschiedene Arten des Beendens und ein Fluchtsymbol sollten zur Verfügung stehen. Wichtig dabei: Sicherheit der Datenbestände.

- Möglichkeiten der Prozeßkellerung sollten bereitgestellt werden.

- Dem Benutzer sollte ein beliebiger Zugriff zum Prozeßkeller gestattet sein.

- Das System sollte sich entsprechend den Fähigkeiten des Benutzers verhalten (lernfähiges System). Es sollten Möglichkeiten für den Benutzer vorhanden sein, sich die Integrationsartwählen zu können, zum Beispiel knapp, ausführlich etc. auch in bezug auf Erläuterungen.

- Das System muß der weitverbreiteten Arbeitsweise eines Endbenutzers entsprechen, Anwendungen schrittweise aus einer ersten Fassung durch fortlaufende Modifikationen zu entwickeln. Der Benutzer wünscht sich daher vielfältige und umfassende Hilfsmittel, um Änderungen rasch und bequem durchführen zu können.