Die Angst des Mitarbeiters vor der DV

Mensch und Technik müssen sich nicht im Wege stehen

08.11.1991

Die Nachfrage nach psychologisch orientierten Seminaren im DV-Bereich steigt rapide an. Was verbirgt sich hinter diesem Bedarf? Ist es nur eine Modeerscheinung? Sind DV-Spezialisten auf diesem Gebiet von Natur aus unterentwickelt? Hat es etwas mit der speziellen Arbeit und Arbeitssituation zu tun? Ändern sich die Anforderungen in DV-Abteilungen? Diesen Fragen geht Jürgen Hansel* im folgenden Beitrag nach.

Der Bedarf an psychologischer Kompetenz wächst nicht nur im DV-Bereich, sondern allgemein. Seminare zur Gesprächsführung bis hin zur Selbstfindung sind der Renner. Die Arbeit der DV-Spezialisten ist geprägt durch eine starke Technologie-Orientierung und Strukturiertheit geprägt. Viele DV-Spezialisten sind "verliebt" in ihre Technik. Die Gefahr, daß der Technik Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen gegeben wird, ist gegeben.

Durchdachte Struktur ist unabdingbar

Viele Features, die die Benutzerfreundlichkeit von Systemen erhöhen sollen, sind eher ein Bonbon, das den Umgang mit dem Computer versüßen soll. An der Gefahr, daß der Mensch zum Anhängsel des Systems degradiert wird, ändert sich dadurch nichts. Auch nicht an dem Acht-Stunden-Bildschirm-Alltag in vielen Bereichen.

Der Computer fordert eine absolut durchdachte Struktur als Vorgabe. Diese Strukturiertheit prägt auch Leben und Arbeiten im DV-Bereich. Überall stoßen wir auf Strukturen: Systemstruktur, strukturierte Programmierung und Projektstruktur. Ziel ist es, möglichst schnell und effizient die betriebliche Realität in Programme umzusetzen. Nur: Das Leben läßt sich nicht vollkommen strukturieren.

Steuerung und Kontrolle gehören ebenfalls zur DV-Arbeitswelt. Nichts darf dem Zufall überlassen werden, da der Computer damit nicht umgehen kann. Steuerung und Kontrolle verlangt der Computer aber nicht nur für sich, sondern beispielsweise auch vom Software-Entwickler. Dasselbe trifft auf den Anwender zu, der sich noch immer nach den DV-Systemen richten muß.

Anpassung ist oft bloß ein Werbegag

Die Anpassung der Software an die Bedürfnisse der Benutzer ist in den meisten Fällen nur ein Werbegag. Da der Mitarbeiter in den wenigsten Fällen Einfluß auf die DV-Systeme hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich nach ihnen zu richten. Dabei bleibt meist ein Teil der Arbeitsfreude und Motivation auf der Strecke.

Der DV-Profi ist Spezialist in einer Welt, in der Technologie-Orientierung, Struktur, Steuerung und Kontrolle möglichst ausgeprägt zur Geltung kommen soll. Mit Widerstand gegen neue Systeme reagieren häufig Benutzer intuitiv darauf. Es ist die Angst

- als Mensch nicht mehr wichtig zu sein,

- von Struktur, Steuerung und Kontrolle beherrscht zu werden,

- kreative Impulse unterdrücken zu müssen,

- keinen Freiraum (auch zur eigenen Entwicklung) und

- keinen menschlichen Kontakt mehr zu haben.

Und so sehr DV-Profis auch manchmal über die Anwender schimpfen, die meisten kennen diese Widerstände und Ängste von sich ganz gut. Wie oft habe ich als Methoden- und Tool-Berater gehört: "Unsere Projekte sind so speziell, da kann uns das Tool nicht helfen!" (Auch wenn 100 Beispiele und Referenzen das Gegenteil bewiesen haben.) Oder das Argument: "Ich brauche zur Programmentwicklung meinen kreativen Freiraum. Den macht das Tool kaputt."

Die Argumente von Benutzern in Fach- und DV-Abteilungen gleichen sich hier. Natürlich: Die Angst, von der Technik beherrscht zu werden, ist bei Benutzern wie bei DV-Spezialisten gegeben. DV-Mitarbeiter unterliegen dem Einfluß des Computers in größerem Maße, als dies bei Anwendern der Fall ist. Sie spüren, wenn auch meist unbewußt, daß die Technologie und ihre Struktur ihre Arbeit prägen. Wie oft höre ich in Seminaren:

- "Ich kann doch gar nicht eigenverantwortlich handeln."

- "Wir sind ein riesiger Verwaltungsapparat. Alles ist geregelt!"

- "Kreativität ist nicht gefragt. Alles muß schnell und effizient sein!"

- "Auf den einzelnen Anwender kann ich keine Rücksicht nehmen."

- "Eigeninitiative hat bei uns seine klaren Grenzen."

Die Unlust der Mitarbeiter hemmt natürlich die Arbeit. Die Gründe für die schlechte Motivation lassen sich in einem Seminar aufdecken.

Auch Lösungsansätze für eine angenehme und menschliche Arbeit können gemeinsam mit dein Berater außerhalb des betrieblichen Alltags entwickelt werden. Auf diese Weise läßt sich der Konflikt zwischen Mensch und Technologie entschärfen.