Mensch und Maschine: Beim Gehalt darf jeder mitreden

03.11.2000
Von Helga Ballauf
"CAD as CAD can" heißt die Losung der Firma "Mensch und Maschine" im oberbayerischen Wessling. Sie vertreibt europaweit Konstruktionssoftware.

Mensch und Maschine: Tobias kräht fröhlich. Es gefällt dem fünf Monate alten Kleinkind offensichtlich, die Aufmerksamkeit so vieler Menschen auf sich zu ziehen. Die Mutter Elke Debacher bespricht derweil an ihrem alten Arbeitsplatz mit dem Nachfolger offene Fragen. Eine ganz neue Situation für die Firma "Mensch und Maschine AG" (MuM), dass sich eine Mitarbeiterin mit Führungsposition für drei Jahre in den Elternurlaub verabschiedet. Debacher war bis zur Geburt ihres Sohnes Produkt-Managerin für Geografiesoftware. "Mensch und Maschine" (MuM) in Wessling bietet Konstruktions- und Planungssoftware auf der Technologieplattform AutoCAD des Herstellers Autodesc an. Daneben vertreibt MuM eigene und zugekaufte Branchenlösungen, etwa für Mechanik oder Haustechnik, für Elektrotechnik oder Scanner-Anwendungen.

Laut Geschäftsbericht hat die Firma bereits 200 000 Arbeitsplätze in ganz Europa mit CAD ausgestattet, "von der kleinen Zeichensoftware bis zum vernetzten Highend-Arbeitsplatz für 3D-Konstruktion". Die Hälfte der Kunden kommt aus dem Maschinenbau. Das stärkste Wachstum verspricht sich Marketing-Vorstand Michael Endres in den kommenden Jahren vom Geschäft mit Geografischen Informationssystemen (GIS). Was bisher ein Teil des Geschäftsfelds Architektur und Bauplanung war, wird sich verselbständigen. Die "Zukunftsmusik" spielt für Endres im Bereich des Elektronischen Dokumenten-Managements (EDM): "Dort, wo CAD, also Computer Aided Design, aufhört, fängt die Verwaltung der Konstruktionen und Dokumente an."

In der Wesslinger Unternehmenszentrale im Süden Münchens arbeiten gut 50 Beschäftigte. Europaweit zählt MuM etwa 240 Mitarbeiter, knapp die Hälfte von ihnen betreut Kunden von den sechs deutschen Geschäftsstellen aus. Dazu kommen Vertriebsstätten in Italien, Frankreich, Polen, Österreich und der Schweiz. "Das Auslandsgeschäft ist bereits unser stärkstes Standbein", sagt Endres, "als nächstes wollen wir uns in Nordeuropa niederlassen." Ohne Elke Debacher. Dabei hat die Wirtschaftsgeografin bisher fast alle Wachstumsschritte der 1984 gegründeten Firma mitgemacht. Als Studentin verdiente sich die jetzt 32-Jährige zunächst in der MuM-Poststelle ein Zubrot. "Hin und wieder fuhr ich dann als Hostess mit zu Ausstellungen. So lernte ich Präsentation und Marketing. Später übernahm ich Aufgaben der Veranstaltungsorganisation", berichtet sie. Debacher erwarb im Studium GIS-Kenntnisse, gerade zu einer Zeit, als MuM begann, eigene Applikationen für die Stadt- und Regionalplanung zu programmieren. Es wurde ihr erster Vollzeitjob bei der Firma.

Inzwischen bringt MuM-Partner Autodesk selbst GIS-Produkte auf der Plattform AutoCAD auf den Markt. Die Wesslinger beschränken sich wieder auf Vertrieb, Kundenberatung und -schulung. "Marketing-lastig" nennt die junge Mutter ihre vorerst letzte Station bei MuM, als Produkt-Managerin für GIS. Sie warb bei den Händlern und teilweise auch bei den Endkunden - also Ingenieurbüros, Architekten oder Kommunen - für die Software, mit der sich nicht nur Bebauungs- und Flächennutzungspläne erstellen lassen, sondern auch Visualisierungen und Animationen auf Internet-Basis möglich sind. Außerdem entwickelte die Wirtschaftsgeografin Schulungskonzepte und schrieb Testberichte. "Der Studienabschluss führte auf kein konkretes berufliches Ziel hin", erinnert sich Debacher."Mein Arbeitsfeld hat sich hier in der Firma einfach nach und nach ergeben." Darum ist ihr nicht bange, was nach dem Erziehungsurlaub sein wird: "Die Möglichkeiten, die in Geografischen Informationssystemen stecken, sind noch längst nicht ausgelotet. Natürlich verändert sich viel in drei Jahren, und ich werde mich wieder einarbeiten müssen. Im Vertrieb ist das aber leichter als in der Entwicklung." Das größere Problem, glaubt Debacher, hat die Firma, die ihr so lange den Job freihalten muss. So hat ihre Arbeit jetzt auch ein Mann übernommen - und weitere Frauen auf einer Produkt-Management-Position gibt es nicht bei "Mensch und Maschine".

Michael Endres
Michael Endres

Die Arbeit mit CAD ist "ein männerlastiger Betrieb", bestätigt Marketing-Vorstand Endres. "Dabei kommen Frauen gerade im Vertrieb gut an." Endres schwört bei der Nachwuchssuche auf das Entwicklungsprinzip. So spricht die Firma bei Bedarf Studenten verschiedener technischer Fachrichtungen im vierten oder fünften Semester an, stellt einen nicht übermäßig gut bezahlten Aushilfsjob in Aussicht, der aber mit einer gründlichen CAD-Schulung verbunden ist. "So lernen wir die Leute kennen und sie uns. Wenn eine feste Stelle frei wird, können sie nachrücken", beschreibt Endres das Verfahren. Vorerst allerdings, schränkt er ein, "wollen wir das geplante Firmenwachstum mit dem vorhandenen Personal schaffen".

Bei "Mensch und Maschine", so heißt es im Geschäftsbericht, sind die Beschäftigten "Mitunternehmer". Es gibt eine "demokratische Gehaltsfindung". Das börsennortierte Unternehmen bietet den Mitarbeitern Optionsscheine an. "Das bindet sie stärker an die Firma. Die beste Motivation läuft nach wie vor über den Geldbeutel." Zwei Mal pro Jahr gibt es bei MuM in der Regel Gehaltserhöhungen. Jeder kann mitbestimmen, wie viel die anderen Kollegen mehr bekommen. "Allerdings haben die höheren Hierarchiestufen auch mehr Stimmen", sagt Endres und räumt ein, dass dies ein nicht unproblematisches Verfahren mit "Fürs und Widers" ist. "Etwas Besseres ist uns noch nicht eingefallen. Denn das herkömmliche System - der Vorgesetzte allein entscheidet über Gehaltserhöhungen - ist viel weniger objektiv." Diese "demokratische Gehaltsfindung" betreibt der CAD-Spezialist übrigens nur in den deutschsprachigen Geschäftsstellen.