Melitta: Controlling statt Kaffeesatzlesen

24.11.2004
Mit "Ex IS" überwacht und steuert Melitta Haushaltsprodukte die europaweiten Geschäftsaktivitäten.

Die Dresdner Hausfrau Melitta Bentz beschritt im Jahre 1908 neue Wege in der Kaffeezubereitung und erfand die Filtertüte. Auf neues Terrain begab sich knapp hundert Jahre später auch das von ihr gegründete Unternehmen Melitta Haushaltsprodukte. In einem ehrgeizigen IT-Projekt hat der im westfälischen Minden ansässige Hersteller von Kaffeefiltern, -pulver, -maschinen, Reinigungsprodukten ("Swirl") und Erzeugnissen rund um den Tee ("Cilia") eine neue Controlling-Lösung für die europäischen Landesgesellschaften eingeführt.

Neue Möglichkeiten der Analyse

Mit dem System arbeiten alle Landesgesellschaften des Unternehmensbereichs Melitta Haushaltsprodukte Europa. Hatten die Controller bisher ihre liebe Mühe, aussagekräftige Daten in kurzer Zeit, also ad hoc, für die Unternehmenssteuerung beizubringen, können sie nun über ein Web-Portal auf eine Reihe von Analyse- und Reporting-Funktionen zuzugreifen. Die dafür erforderlichen Informationen hält ein neu geschaffener Datenpool in konsolidierter Form vor. "Jetzt können wir Controller unsere steuerungsrelevanten Daten in Form von Ad-hoc-Analysen der Geschäftsführung jederzeit bereitstellen und uns auf die Analyse konzentrieren. Wir haben uns von Datensammlern zu Analysten entwickelt", freut sich Projektleiter Achim Koch, der im Oktober 2003 das Vorhaben startete.

Geschäftsleitung und die IT-Verantwortlichen haben den Umfang des neuen Controlling-Systems gemeinsam festgelegt. Man wollte so vermeiden, dass - wie schon oft geschehen - DV-Experten Analysewerkzeuge bauen, mit denen die Fachabteilungen nur wenig anfangen kön-nen. Es galt, Prozesse im Controlling zu verbessern, eine standortübergreifende Gewinn- und Verlustrechnung zu entwi-ckeln sowie der Geschäftsführung ein Werkzeug zur raschen Beschaffung von entscheidungsrelevanten Informationen zu liefern.

Bei der Gestaltung der Web-basierenden Benutzerschnittstelle ließen sich die Projektmitglieder vom Prinzip eines Flug-zeug-Cockpits leiten, sprich, der Anwender sollte die für ihn wichtigen Schalter rasch finden und rechtzeitig über Abweichungen vom Soll informiert werden. Bezogen auf das Business-Intelligence-Portal sind Geschäftsdaten über kurze Navigationspfade zugänglich, Signale in Form von Ampeln weisen auf Auffälligkeiten hin, und Drill-Down-Schaltflächen gestatten es, Detailansichten abzurufen. Zum Nutzerkreis zählen neben der Geschäftsleitung in Minden Länderchefs sowie die internationalen Vertriebsleiter.

Das Controller-Portal "Ex IS" wird seit August dieses Jahres produktiv genutzt und hat die sperrigen und unpraktischen Excel-Tabellen abgelöst. Zuvor diente die Microsoft-Software als Frontend für die Controller. Zwar ließ sich die Tabellenkalkulation mit Backend-Daten füllen, doch diese Informationen waren nicht geeignet, Landesgesellschaften miteinander zu vergleichen.

Nahezu alle Geschäftsdaten liegen bei Melitta in SAP R/3 beziehungsweise dem "Business Information Warehouse". Diese SAP-Architektur legte es nahe, die neuen Controlling-Anforderungen mit einem Produkt aus Walldorf abzudecken. Das entsprechende SAP-Produkt "Strategic Enterprise Management" war den Projektmitgliedern zu starr und die Anpassbarkeit zu komplex.

MIS AG erhielt den Zuschlag

Auch die Lösungen von Spezialisten wie SAS Institute und Hyperion entsprachen nicht den Wünschen. Den Zuschlag erhielt schließlich die MIS AG, da ihre "Decisionware" die geforderten Funktionen in puncto Controlling, Planung und Reporting am besten umsetzte.

Allerdings war die Produktentscheidung zunächst umstritten. Um Melittas SAP-Systeme kümmert sich die ebenfalls in Minden ansässigen Tochterfirma IS4, eine IT-Dienstleistungsgesellschaft. IS4 riet Melitta zunächst zur Nutzung einer durchgängigen SAP-Architektur, konnte sich aber bei einer ganzheitlichen Betrachtung der Anforderungen mit dieser Empfehlung nicht durchsetzen und betreibt nun neben R/3 und BW auch die Decisionware-Umgebung.

Durch die DV-Auslagerung gibt es bei Melitta keinen IT-Leiter im klassischen Sinne mehr, sondern mit Dirk Schober einen "IT-Koordinator". Dies wirft sofort die Frage auf, wer denn nun die Hoheit über die technische Infrastruktur hat. "Die Entscheidung über Produktauswahl und Technologie liegt bei Melitta Haushaltsprodukte immer beim Projektteam. Die IT-Koordination muss sicherstellen, dass das Team alle notwendigen Informationen erhält und verstehen kann." so der Experte, der bei Melitta als interner Berater agiert und somit auch am Ex-IS-Projekt beteiligt war. Die Projektorganisation machte sich Melitta nach Ansicht von Koch nicht von externen Spezialisten abhängig. Vielmehr seien die firmeneigenen Mitarbeiter fest in die Abläufe eingebunden gewesen - Koch spricht daher von einem "Coaching-Projekt" - und lernten so das System in- und auswendig.

Ganz ohne Schwierigkeiten verlief die Fertigstellung von Ex IS hingegen nicht. Probleme bereitete die Bereitstellung der Daten sowie deren Qualität. Hier waren zunächst ausführliche Qualitätssicherungsmaßnahmen erforderlich. Dies hat jedoch den zeitlichen Projektrahmen nicht gesprengt, bemerkt Koch, da in der Projektplanung Zeitpuffer vorgesehen waren, um unvorhersehbare Mehrarbeit abzufedern.

Konsolidiertes Datenmodell

Grundlage des neuen Controlling-Systems bildet ein Datenpool, der ein eigens entwickeltes Datenmodell vorhält, in das sich die Geschäftsinformationen aus BW und R/3 hochladen lässt. Der Informationsspeicher dient als Data Warehouse für konsolidierte Daten und als Informations-Repository. Die Reporting- und Planungs-Applikationen laufen auf einem Applikations-Server und werden dem Anwender über ein Web-Portal bereitgestellt. Hierbei nutzen die Reporting- und Planungssysteme die gleiche Datenbasis. Ferner lassen sich auf diese Weise sowohl Meta- und, Strukturdaten als auch Stamm- und Bewegungsdaten auf einer Plattform pflegen.