LG Hannover entscheidet anwenderfreundlich:

Meldung von Fehlern in EDV-Programmen

17.05.1985

Täglicher Fall: Der Anwender meldet einen Fehler. Der Auftragnehmer meint, daß es sich um einen Bedienungsfehler handeln würde und weigert sich zu kommen. Das LG Hannover hat in einem Urteil vom 26. Juni 1984 (10 O 233/83) dem Anwender recht gegeben: Der Auftragnehmer muß auf jeden Fall der Fehlermeldung nachgehen.

Der eigentliche Sachverhalt, um den die Parteien sich stritten, war eigentlich ganz anders gelagert:

Die Klägerin, eine EDV-Laiin, hatte beim Beklagten die Erstellung eines Programms in Auftrag gegeben. Die Klägerin machte zahlreiche Mängel geltend. Der Beklagte erklärte, daß es sich im wesentlichen um Änderungswünsche handeln würde, die einen Arbeitsaufwand von zwei Monaten erfordern würden. Der Beklagte erklärte sich bereit, die echten Fehler zu beseitigen. Die Klägerin setzte eine Nachfrist und gab nach deren Ablauf die Neuerstellung des Programms anderweitig in Auftrag. Die Klägerin macht Schadensersatz geltend. Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

"Wie der Sachverständige in seinem Gutachten im einzelnen dargelegt hat, wies das Programm des Beklagten 9 Fehler auf, deren Beseitigung 2 Tage in Anspruch nehmen würde. Zwar wäre das Programm nach Nachbesserung voll einsatzfähig, im derzeitigen Zustand ist es dies jedoch nicht. Bei den Mängeln handelt es sich auch nicht um eine unerhebliche Minderung des Werkes gem. ° 634 Abs. 3 BGB, denn die Fehler stellen - zumindest in ihrer Gesamtheit - eine erhebliche Einschränkung der Verwendbarkeit dar. Zwar hat die Klägerin zum einen nicht sämtliche vom Sachverständigen gefundenen Fehler gerügt und andererseits eine Vielzahl von Fehlern beanstandet, die nach den Festlegungen des Sachverständigen nicht zutrafen. Dies befreit den Beklagten jedoch nicht von seiner Nachbesserungsverpflichtung, denn ihm als Fachkundigen hätte es oblegen, die bestehenden Fehler nachzubessern und im übrigen der Klägerin durch Anleitung in Form von Vorführung darzutun, daß die weiteren von der Klägerin beanstandeten Fehler nicht bestehen. Die Rügepflicht der Klägerin bei so komplizierten Fragen wie der Programmierung darf nicht überspannt werden, da von der Klägerin als Laiin mehr als eine Beschreibung der Fehler nicht erwartet werden kann. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß auch Fehler beanstandet werden, die sich bei Überprüfung lediglich als Bedienungsfehler und nicht als Programmierungsfehler herausstellen. Vorliegend hat der Beklagte jedoch die Nachbesserung abgelehnt, weil er die Nachbesserungsanforderungen der Klägerin als Änderungswünsche einstufte. Da jedoch 9, z.T. gravierende Fehler bestanden, stand die Forderung der Klägerin nicht im krassen Mißverhältnis zu den tatsächlichen Fehlern, so daß der Beklagte zur Nachbesserung verpflichtet war."

Anmerkung

1. Thema verfehlt - hieß es früher unter Deutschaufsätzen. Das ist um so bedauerlicher, als der Sachverhalt in beispielhafter Weise das wichtigste Problem enthält, das in EDV-Streitigkeiten entsteht, nämlich auf was für einen Komfort der Auftraggeber Anspruch hat.

Das Gericht geht leider nicht auf die Frage ein, ob der Auftragnehmer überhaupt die wenigen wirklichen Fehler beseitigen muß, wenn der Auftraggeber eine Vielzahl von Änderungswünschen hat und nicht bereit ist, den Auftragnehmer bei der Beseitigung der wirklichen Fehler zu unterstützen, sondern die Beseitigung aller von ihm behaupteter Fehler verlangt. Der Auftragnehmer braucht aber die Unterstützung des Auftraggebers bei der Fehlersuche. Das gilt gerade dann, wenn - wie das Gericht zu Recht ausführt - der Auftraggeber als EDV-Laie nicht mehr tun kann, als zu beschreiben, was ihm als Fehler erscheint. Auch Laien wissen inzwischen, daß eine Fehlerursache sich in einem Programm an den seltsamsten Stellen auswirken kann, so daß es oft äußerst schwierig ist, die Fehlerursache überhaupt aufgrund des Bildes der Störung einzukreisen und zu erkennen. Also bedarf es einer mögIichst guten Beschreibung - so gut, wie ein Laie sie zu geben vermag.

2. Soweit das Gericht die Problemstellung von den Änderungswünschen auf Bedienungsfehler verschiebt, überzeugen die Ausführungen nicht.

Richtig ist, daß von einem EDV-Laien nicht mehr als die Beschreibung von Fehlern erwartet werden kann. Die Fehlerursache festzustellen ist dann Sache des Sachverständigen. Die Frage lautet aber, wie eine solche Beschreibung auszusehen hat. Das Gericht hätte ausführen müssen, daß die gegebenen Beschreibungen ausreichten.

Verlangt man vom Auftragnehmer, allen Fehlermeldungen nachzugehen und Bedienungsfehler aufzudecken, so dreht man mal eben die Beweislast um. Das Thema Beweislast ist in der Tat für EDV-Laien äußerst heikel. Es kommt durchaus in Betracht, hier Beweiserleichterungen zu schaffen. Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins dürften kaum helfen, weil es kaum typische Erscheinungsbilder gibt, die auf bestimmte Abläufe (Fehlerursachen) hinweisen.

Im konkreten Fall geht das Gericht aber ohne Begründung viel zu weit: Wenn es überhaupt eine Erfahrungstatsache in diesem Bereich gibt, dann die, daß mehr als die Hälfte aller Fehlermeldungen sich als Meldung von Bedienungsfehlern herausstellt.

Das Gericht kehrt aber nicht nur die Beweislast um, sondern macht daraus auch noch eine Handlungspflicht des Auftragnehmers: Er soll aufgrund einer Fehlermeldung tätig werden und Bedienungsfehler aufklären. Das ist nur zuzumuten, wenn dem Auftragnehmer dann auch ein Anspruch auf Vergütung für diese Aufklärung gegeben wird. Ein solcher ist ohne Verschulden nur schwer zu konstruieren. Verschulden liegt aber oft nicht vor bzw. ist nicht nachweisbar.