IT im Handel/Besucherzahl, Umsatz und Kundenbindung steigern

Meilenweit für einen Punkt: Rabattmarken werden salonfähig

21.07.2000
Sie heissen Meilen oder Miles, Punkte oder E-Buxx. Sie werden so eifrig gesammelt wie einst Rabattmarken. Mit Treuepunkten aller Art wollen Händler Kunden fesseln. Gerda v. Radetzky* begab sich unter die Pfennigfuchser.

Plötzlich sanken im April die Benzinpreise. Die Münchner Loyalty Partners hatte einen Monat vorher die Sammelkarte "Payback" in rund 60000 Geschäfte gebracht. Legt man das simple Stück Plastik, das nur eine Nummer enthält, beim Bezahlen an einer DEA-Tankstelle vor, erhält man für je zwei Liter Kraftstoff einen Punkt im Wert eines Cent; 1500 Punkte lassen sich gegen Benzin im Wert von 15 Euro tauschen. Von Aral bis Shell sanken die Preise um bis zu zehn Pfennig je Liter. Bei einigen DEA-Tankstellen im Umkreis der Läden stieg der Spritabsatz um bis zu 20 Prozent.

Bei Payback handelt es sich um nichts anderes als das längst tot geglaubte Rabattmarken-System. Die Heftchen, in die die Marken geklebt wurden, verfleckten mit der Zeit, denn es dauerte, bis sie voll waren. Sie verschwanden, nicht aber die Idee. Heute wird sauber gesammelt.

Kaufhäuser und Fluglinien adaptierten das System über Kundenkarten. Doch der Verfall der Flugpreise machte auch den Nadelgestreiften zum Schnäppchenjäger, zum Beispiel mit Hilfe des Systems Miles & More der Lufthansa (www.moremiles.com). Auch die Swissair (www.qualiflyer.net) lässt bei Banker www.de.credit-suisse.ch online Meilen sammeln. Bankkunden umgarnt auch der Kranich. Ein neues Depot bei www.consors.de bringt Meilen. Auf zahlungskräftige Klientel hofft auch Buchhändler www.buch.de. Ab dem 1. September gibt es dort Lufthansa-Meilen gegen Literatur und Blumen. Vorstand Michael Urban verspricht sich einen "gut siebenstelligen" Umsatzzuwachs.

Demnächst können auch Versicherte der Mannheimer und ihrer im September startenden virtuellen Tochter www.mamax.de mit Miles & More sammeln. Die Webinsurance der Schweizer Winterthur (www.webinsurance.com) wirft ihr Netz doppelt aus: Beim Online-Vertrag gibt es neben Rabatten von bis zu 25 Prozent obendrein Punkte für Kreditkartenzahler mit der Jelmoli Bonus Card. Jelmoli (www.jelmoli.ch) verkauft Kleider und Schmuck, noch nicht online, die zur Holding gehörende www.fust.ch ihre Elektroartikel schon. Tankstellen (www.tamoil.ch) vergeben Jelmoli-Punkte auf alles, was mit der Karte bezahlt wird.

Payback lässt seit dem 15. Mai auch im Netz punkten, bei Auktionen (www.qxl.de), beim Provider (www.aol.de) und Drogisten (www.rossmann.de), bei Büchern (www.booxtra.de), Blumen (www.flowers.de), Delikatessen (www.genussreich.de) und Banker Consors. Bequem hat?s der Onliner: Er gibt nur eine Nummer ein.

Virtuell ohne BodenhaftungSeit letzten Oktober buhlt Bonus.Net (www.bonus.net) um Händler. Die Metro-Tochter lässt konzernintern bei Privatauktionen (http://p2p.primusauktion.de) Punkte sammeln. Der Hard- und Softewareladen www5.primustronix.de und die Auktions-Site www.primusauktion.de beteiligen sich allerdings noch nicht.

Bei Click-City (www.clickcity.de) kommt der User nur über die City-Site an Punkte von immerhin 33 Online-Händlern, zu denen unter anderem die Webmiler www.amazon.de, www.conrad.de und www.letsbuyit.com ebenso gehören wie Bonus.netter Primus.

Wer beim Online-Marktforscher Dialego mitchattet, erhält bis zu fünf Punkte im Wert von je einem Euro. Sechsmal muss man mindestens seine Zeit opfern, um etwas dafür zu bekommen, zum Beispiel Bücher von Webmiler Amazon oder Kosmetik von www.vitago.de.

Ganz auf die Nutzer des virtuellen Bankings will sich das Kölner Finanzportal www.onvista.de mit Trademiles stürzen. Ab September winken Meilen beim Wertpapierhandel.

Aus dem Cyberspace zurück auf die Erde

Die im Netz bekannteste Marke Webmiles (www.webmiles.de) agiert wie Payback oder Bonus.net als Herausgeber, ohne selbst Waren zu produzieren oder mit ihnen zu handeln, und lässt sich dafür von den Partnern bezahlen. Beide Seiten hoffen, alte Kunden dadurch zu binden und neue zu gewinnen, also schlicht auf mehr Umsatz. Inzwischen lassen 30 Online-Händler webmilen, rund 330000 User sammeln. Bei Payback hatten sich innerhalb von nur zwei Monaten 250000 Onliner angemeldet; insgesamt sammelten Anfang Juli 2,7 Millionen. Webmiles will bis Ende des Jahres eine Million Kunden, Payback gar das Fünffache.

Der bisheriger Topsammler holte sich für 68 150 Webmiles einen Fernseher. Bei einem Wert von drei Cent pro Meile hatte er 2445 Euro, rund 5000 Mark, online verbraten. Doch auch ein Paybacker oder Webmiler wird die Konkurrenz anklicken, um Preise zu vergleichen.

Ein Jahr nach Webmiles trat Ecollect aus München (www.ecollect.de) auf den Plan, Anfang Juli machten vier Online-Händler mit. Gegen den Eintritt bei einer Clubkette in Berlin, Hamburg und Hannover gibt es eBuxx. Was sie wert sind, ließ sich telefonisch nicht erfahren. Drei Tage lang hob niemand den Hörer ab.

Rabatt bei Zahlung mit dem Handy

Bargeld lacht. Auch die sofortige Reduktion der Rechnung. Sobald die Zugabeverordnung, Rabattgesetz genannt, gefallen ist, dürfen Preise mehr als jetzt purzeln, offline wie online. Den direkten Rabatt verteilen seit Neuestem einige der rund 200 Händler, die über die am 11. Mai online gegangene Paybox (www.paybox.de) per Handy bezahlen lassen. Der Nachteil für den Mobilzahler: Er ist erst mit einem Einstand von fünf Euro dabei.

Käufer von Spielzeug (www.fun4kids-shop.de) und Außendienstartikeln (www.verkauf2000.de) bekommen ein zusätzliches Produkt gratis, Sportartikler König (www.fungun.de) zieht jedem, der zum ersten Mal per Paybox bestellt, fünf Mark ab, so dass mit der Ersparnis der sonst fälligen Nachnahmegebühr der Einstand ausgeglichen ist, und www.cappuccino2000.de gibt zwei Prozent Rabatt bei Handy- oder Lastschriftzahlung. Der Druckerzubehörhändler www.playprint.de verbilligt die Versandkosten, Kleiderhändler www.dress-for-less.de erlässt sie ganz.

Eine Umfrage der COMPUTERWOCHE brachte zwei Händler gar erst auf die Idee, mit Rabatten das Online-Zahlen zu forcieren: Uhrenhändler www.timediscount.de gibt jetzt drei Prozent auf jeden Chronometer, Erotik-Video-Versender www.andreafreiynfeldova.de erlässt die Versandgebühr plus fünf Mark, so dass der Mobile seinen Einstand raus hat.

Gerade in der Liebesbranche ist noch einiges an Bezahlrabatten zu erwarten, nicht aus Gründen des Wettbewerbs, sondern wegen der Kreditkartenkosten. Denn rund 50 Prozent der Stornierungen, die bei den Emittenden einlaufen, stammen von Erotika-Käufern, die leugnen, die Ware bestellt zu haben. Das ist bei Paybox schwieriger, obendrein sind die Händlergebühren geringer als bei Diners und Co. www.cyberotics.de honoriert daher das O.K. per Handy mit Reduktion der Versandkosten um die Hälfte.

Mit Siebenmeilenstiefeln durch den Äther

Sich als Sammler registrieren zu lassen kostet nichts, aber die Klickerei ist meilenweit, die Auswahl beschränkt. Ob der User süchtig wird wie der Raucher, bleibt fraglich. Mehrwert entscheidet zwar immer häufiger darüber, ob ein Laden, selbst wenn er bekannt ist, im Web erfolgreich ist oder ob er in der Masse untergeht. Doch was der Kunde für Mehrwert hält, entscheidet er selbst, nicht der Händler.

Gemeinsam ist allen Treueanbietern, dass sie genaue Profile ihrer Kunden gewinnen. Sie ziehen daraus Schlüsse für ihr Marketing.

Wer das Rennen um die Rabattmarken-Sammler gewinnt, ist ungewiss. Unter Druck stehen Webmiles und Payback, haben doch beide Summen in gut zweistelliger Millionen-Mark-Höhe investiert. Patrick Boos, einer der Webmiles-Gründer und im Vorstand, will "in weniger als zwei Jahren" schwarze Zahlen schreiben. Konkurrent Alexander Rittweger möchte bis zum Jahr 2004 zwölf Millionen Haushalte beglücken, mit Geld- statt Sachprämien, mit Basisbranchen wie Verkehr und Auto. Beiden ist klar, dass nur eine Kombination aus Dotcoms (rein virtuellen Unternehmen), Brick-and-Mortar-Unternehmen (Ziegelsteine und Zement, gemeint sind Hersteller, die online verkaufen) und Anbietern, die auf beide Vertriebswege setzen, andere Unternehmer überzeugen kann, Partner zu werden.

Burda spielt noch auf drei Klavieren. Wer "Focus" abonniert, erhält Webmiles, wer "Focus-Money" möchte, kann Bonus.net-Meilen kassieren oder gegen 3000 Meilen tauschen. Ein Faktenabo als Prämie macht 2500 Boni, Miles & More will 30000 Meilen, liefert das Magazin dafür zwei Jahre lang. Consors-Einsteiger fliegen auch ein, weitere Geschäfte werden mit Payback honoriert. Metro-Tochter Real lässt nicht mit der Holding-Marke Bonus.net sammeln, sondern mit Payback.

Mit Fusionen kommen Probleme. Payback hat QXL in der Tasche, nicht aber den übernommenen Webmiler www.ricardo.de. Jüngster Payback-Händler ist die RWE. Strombezieher erhalten Punkte auf den Verbrauch, wenn sie ihre Nummer angeben. Jetzt kommt die Dortmunder RWE-Tochter VEW ins Grübeln. Die hatte zum 1. Juli eine Karte angekündigt, mit der zwar ihre Strommarke Evivo nicht gepunktet werden kann, wohl aber Artikel im Einzelhandel. Der Dortmunder tankt bei der zum Konzern gehörenden DEA mit Payback und fährt am Einzelhändler vorbei zu Real. Denn Karten binden. Ein Webmiler wird eher die Blumen über www.fleurop.de bestellen als über Paybacker Flowers.

Die Meilen sind noch längst nicht vermessen. Zwar lässt www.quelle.de webmilen, aber gewinnt Boos auch die zum Konzern gehörenden rund drei Millionen Karstadt-Kartenkunden? Rittweger gelang der Einstieg beim Kaufhof, eine halbe Million Kundenkarten-Inhaber wurde zu Paybackern. Beide betonen, dass nur die Verbindung von Off- und Online-Kommerz ihnen mehr Händler bringt.

Cash für den Händler

Aus den USA schwappt eine weitere Form der Geldprämie über den Teich. Belohnt wird der Website-Betreiber. A setzt auf eine Seite einen Button des Händlers B. Kommt ein User über A zu B, erhält A eine Provision. Besonders für kleine Händler eine feine Sache: A erweitert sein Angebot und refinanziert seine Site, B gewinnt mit äußerst geringem finanziellen Aufwand neue Interessenten.

Mit dieser Methode wurde Amazon im Nu bekannt, mehr als 400000 Sites führen das Durchklick-Banner. Einige deutsche Buchhändler griffen die Methode auf. Auch Primus (www.tradedoubler.com): 50 Pfennig gibt 039;s pro Klick, bei Kauf fünf bis sechs Prozent auf den Erstumsatz. Nicht gegen Bares, aber gegen Punkte haben auch Bonus.net und Co. solche "Affiliate" (Teilnehmer) genannten Programme eingerichtet, besonders Ecollect setzt darauf.

In den USA erhöhen rund 2500 Site-Betreiber so ihre Besucherzahl, in Deutschland erst wenige. Dabei wollen alle E-Commerce-Läden dasselbe wie die DEA: Nicht Verkehr, sondern Verkauf, Gewinn aus Umsatz. Ein Internet-Jahr dauert bekanntlich nur drei Monate. Mal sehen, was der Herbst bringt.

*Gerda v. Radetzky ist freie Journalistin in München.