IT im Gesundheitswesen/Kompetenznetze sollen globale Gesundheitssituation verbessern

Meilensteinsysteme zur Steuerung von Projekten der medizinischen Forschung

17.11.2000
Neu ist in Deutschland die Einrichtung von Kompetenznetzen in der Medizin, neu auch deren generelle Netzanbindung. Das "Kompetenznetz Depression" zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: sein Qualitäts- und Prozess-Management über das Internet. Mazda Adli* schildert die Vorteile für die Wissenschaftler.

Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMB+F) wurde im Herbst 1997 der Wettbewerb "Kompetenznetze in der Medizin" ausgeschrieben mit dem Ziel, die Bildung überregionaler Netzwerke für die Behandlung bestimmter Krankheiten anzuregen. Über diesen Weg sollen die Kooperation und der Wissenstransfer zwischen Forschungseinrichtungen und Versorgungsebenen verbessert werden. Medium dieser Netze sollte das Internet sein.

Neun Kompetenznetze wurden seitdem geschaffen. Eines von ihnen, das Kompetenznetz Depression, dem Kliniken und deren Mitarbeiter in ganz Deutschland angeschlossen sind, begann seine Projektarbeit im Juli 1999 gleich mit einem eigenen Internet-Auftritt. Träger des Projekts ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR).

Die schnelle Web-Präsenz wurde in Zusammenarbeit mit der Gabo GmbH & Co. KG, München, realisiert, die auch das Design des Auftritts übernahm. Außerdem besorgen die Münchner das Prozess-Management des gesamten Projekts.

Ein Hauptanliegen des Förderers BMB+F ist die kontinuierliche Qualitätskontrolle der einzelnen Teil- und Subprojekte im Kompetenznetz Depression - eine komplexe Aufgabe aufgrund der Streuung der Projekte über die ganze Republik. Das Internet und ein ausgeklügeltes Meilensteinsystem, also ein System selbst definierer Ziele, brachte die Lösung.

Unter www.kompetenznetz-depression.de wurde neben dem öffentlichen Bereich der Informationen für Interessierte, Angehörige und Betroffene ein interner, geschützter Bereich eingerichtet. Technisch basiert der Auftritt auf einem Apache-Web-Server unter Linux. Steuerung und Auswertung der Meilensteine erfolgen mit einem CGI-Skript. Zur Zeit wird an einer XML-Anbindung gearbeitet, welche die Meilensteine noch schneller bereitstellen soll. Zusätzlich sind Überlegungen im Gange, netzweit ein Content-Management-System zu installieren.

Zugriff zum internen Bereich haben nur Mitglieder des Kompetenznetzes mit gesonderter Kennung. Jedes der sechs Teilprojekte samt seiner jeweiligen Subprojekte hat in halbjährlichen Abständen seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Hat das geklappt, erhalten sie am Bildschirm automatisch ein Symbol, verzögerte sich die angestrebte Maßnahme, erscheint ein gelbes Symbol. Nicht erreichte Ziele werden mit warnenden roten Symbolen gekennzeichnet. Jedoch erfolgt, bevor dies geschieht, eine freundliche Erinnerung durch das Prozess-Management.

Die meisten Subprojektleiter wissen diese Unterstützung zu schätzen. Denn die intensive Tätigkeit im Projekt mit seinen vielfältigen Aufgaben sowie der Klinikalltag, lassen die Meilensteine und ihre halbjährliche Bearbeitung schon mal aus dem Blickfeld geraten.

Das Meilensteinsystem war den Teilnehmern des Projekts völlig neu. Anfänglich erschien es als zeitraubende und lästige Kontrolle. Auch mit Prozess-Management-Systemen hatten die meisten weder während ihres Studiums noch in der Berufsausübung selbst persönliche Erfahrungen sammeln können. Doch wandelte sich ihre Einstellung rasch, denn das Verfahren koordinierte und synchronisierte die Abläufe des komplexen Projekts. Heute ist gewährleistet, dass die Etappenziele rechtzeitig erreicht werden. Kann ein Meilenstein in der vorgesehenen Zeit nicht "abgehakt" werden, hilft das System, indem es Probleme innerhalb des Kompetenznetzes signalisiert und Unterstützung der Netzwerkpartner organisiert. Außerdem werden Stand, Schwierigkeiten und Fortschritte der anderen Projekte auf einen Blick sichtbar, so dass sich jeder auf den jeweils aktuellen Stand der verschiedenen Bereiche des Forschungsnetzwerks einstellen kann.

Es weiß also jeder, wo er steht, sowohl inhaltlich als auch vom Zeitplan her. Er hat größere Planungssicherheit, kann zu hoch gesteckte Ziele den Projektgegebenheiten anpassen und unrealistische Entwicklungsschritte vermeiden. Die Teilnehmer arbeiten, auch was das Internet betrifft, eigenverantwortlich; sie dokumentieren durch angehängte Protokolle ihre konkreten Arbeitsergebnisse, insgesamt also den Stand ihres jeweiligen Projekts.

Daneben schafft die Gewissheit, im Zeitplan zu sein, ein beruhigendes Gefühl. Neben der Steuerung der Informationen wird sowohl für die Kollegen als auch für den Projektträger, das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrttechnik (DLR), und die Gabo GmbH als Prozess-Management, weitgehende Transparenz erreicht.

Nach Aussage des DLR hat sich das System bewährt; es werde auch für andere derartige Netze zur Integration in ihre Internet-Präsenz und Projektarbeit empfohlen.

Das BMB+F fördert eine Vielzahl von Kompetenznetzen. Im Sinne einer angemessenen Mittelverwendung ist es daran interessiert, dass die zur Verfügung gestellten Gelder zeitnah, effektiv und ergebnisorientiert verwendet werden. In Zeiten knapper Mittel ist daher eine durchgängige, phasenweise Prüfung von staatlich geförderten Projekten nach diesen Kriterien in Form von neutralen Evaluierungen ein großer Vorteil. Nur wenn die Teilergebnisse beispielsweise eines Fünfjahresprojektes nach drei Jahren zufriedenstellend sind, kann an eine Fortsetzung und weitere finanzielle Unterstützung der Forschungsarbeiten gedacht werden.

Bei der Evaluierung derartiger Projekte ist Informationstechnik nach dem Vorbild der Wirtschaft unverzichtbar. Forschungsprojekte, nicht nur medizinische, finden heute kaum mehr in den vier Wänden eines einzigen Labors oder im Studierzimmers statt, sondern meist im Zusammenspiel von mehreren Wissenschaftlern, die über verschiedene Standorte verteilt sind. Ein gut funktionierendes Prozess-Management hat dann die Funktion des Dirigenten am Pult, der mit Werkkenntnis und Sensibilität dem Orchester einen eigenen Klang verleiht.

Multimediale Anwendungen im medizinischen Bereich sind bislang nur rudimentär entwickelt, wie eine Kienbaum-Studie belegt, die für das Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen erstellt wurde.

Vernetzungs- und Integrationskonzepte, Telemedizin, Patienten-Chipcard, um nur einige Möglichkeiten zu nennen, sind im Interesse aller am Gesundheitswesen Beteiligten. Nach Abwägung der Chancen und Risiken zieht die Studie das Fazit, dass durch den Einsatz der multimedialen Anwendungen für alle involvierten Gruppen eine ganz neue und höhere Qualität des Umfeldes entstehe.

In diesem Sinne wollen auch die Kompetenznetze in der Medizin ihren Tei dazu beitragen, dass Deutschland auch auf diesem Gebiet weltweit "mitmischt" und langfristig einen Beitrag zur Verbesserung der globalen Gesundheitssituation leistet.

* Dr. Mazda Adli ist Subprojektleiter im "Kompetenznetz Depression" an der Freien Universität (FU) Berlin.

Abb: Struktur des Forschungsnetzwerks Quelle: Gabo