Kolumne

"Mehr ist mehr!"

13.02.2004
Christoph Witte Chefredakteur CW

Nach SAP hat sich nun auch Oracle entschieden, nicht mehr den Anspruch zu erheben, mit seiner betriebswirtschaftlichen Standardsoftware jedweden Anwenderwunsch zu erfüllen. Nachdem CEO Lawrence Ellison noch bis vor kurzem immer wieder betont hat, Unternehmen seien am besten bedient, wenn sie sämtliche Anwendungssoftware voll integriert aus einer Hand kauften, akzeptiert er nun die Vielfalt beim Kunden.

Zunächst hat Oracle für den Sommer dieses Jahres eine Integrationsplattform angekündigt, die mit der neuen Version der E-Business-Suite 11i auf den Markt kommen soll. Dabei geht Oracle anders vor als SAP, die ihr Integrationsangebot Netweaver ausschließlich an die Anwender ihrer Applikationen richtet. Oracle bietet seine Tools auch Kunden an, die (noch) nicht die E-Business-Suite einsetzen. Der angekündigte Data Hub erlaubt es, über verschiedene Applikationen hinweg Daten zu sammeln und im Rahmen eines vordefinierten Datenmodells zu speichern (siehe Seite 18).

Um Applikationen von Drittanbietern wirklich integrieren zu können, ist das noch zu wenig. Allerdings beschreitet Oracle - wenn auch noch zögerlich - damit einen Weg, den die anderen großen Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-(ERP-) Systemen bereits gegangen sind. Sie öffneten ihre Systeme für die Produkte Dritter. Für Anwender ist das erst einmal eine gute Nachricht. Wenn Oracle und Co. diesen Weg weitergehen, hängt aus Kundensicht von der Entscheidung für ein ERP-Produkt nicht mehr so viel ab wie bisher. Aus zwei Gründen: Zum einen ist es nicht mehr so kompliziert, Fremdprodukte in die ERP-Plattformen zu integrieren beziehungsweise die Plattformen um neue Funktionen wie zum Beispiel das CRM-Modul eines Drittanbieters zu erweitern. Zum anderen muss nicht mehr alles mit dem ERP-System eines einzigen Softwarehauses erschlagen werden. Es braucht niemand mehr zu warten, bis SAP oder Oracle in bestimmten Bereichen ausreichende Funktionalität anbieten. Das verfügbare Produkt eines anderen Anbieters lässt sich - vorausgesetzt, die Schnittstellen sind beschrieben - relativ schnell einbauen.

Offenbar profitieren die Anwender jetzt von einem Phänomen, unter dem sie sonst immer zu leiden hatten: der Komplexität von Anwendungssoftware. Die Hersteller brauchen die neue Offenheit selbst, um unproblematischer als bisher neue Funktionen in ihre Produkte integrieren zu können. Wenn die Integrationsplattformen dazu führen, dass Drittanbieter ebenfalls ihre Software besser anpassen können, nehmen die ERP-Anbieter das billigend in Kauf. Sie können schließlich nicht anders. Langfristig drohen sie selbst an der Mächtigkeit ihrer Systeme zu ersticken.