Mehr Grips statt Gips!

18.06.1982

Das Konferenzzentrum in Wien soll 7,5 Milliarden Schilling kosten. Die Rentabilitätsrechnung für diese Investition kann hier nicht nachvollzogen werden - wenn es überhaupt wer kann. In Zeiten einer sich stürmisch entwickelnden Kommunikationstechnik sollte man jedoch über Alternativen nachdenken. In der TV-Diskussion über Mikroelektronik meinte ORF-Chefredakteur Kreuzer - scherzhaft, aber mit realem Hintergrund - wenn die Kommunikationstechnik tatsächlich bald Telekonferenzen zur Routine mache, so erübrige sich der Bau eines neuen Konferenzzentrums. Natürlich erfordert es unkonventionelles Denken jenseits von Kubikmetern Beton und Tonnen Stahl. Aber wäre die Einrichtung einer international zugänglichen Datenbank in Wien nicht eine überlegenswerte Alternative zu einem vielbezweifelten Konferenzgebäude?

Wie wäre es mit einer Psychiatrie-Datenbank in der Heimatstadt Sigmund Freuds? Oder mit einem Architektur-Informationssystem an der Wirkungsstätte von Adolf Loos? Oder einer Technologietransfer-Datenbank für die dritte Welt? Eine derartige wissenschaftlich kulturelle Institution, die ja auch im Namen der UNO eingerichtet werden könnte. hätte wohl dieselbe politisch-strategische Schutzwirkung wie ein im Kriegsfall leerer UNO-Konferenzsaal.

Nimmt man an, daß das nötige Rechenzentrum einschließlich Gebäude und Einrichtung eine halbe Milliarde Schilling kostet, so bleiben 7 Milliarden für den Aufbau der Datenbank. Das entspricht etwa 30 Millionen Arbeitsstunden oder etwa 6000 Arbeitsplätzen für drei bis vier Jahre. Auch in der Folge wären etwa 500 Mitarbeiter laufend mit dem Update beschäftigt. Und diese Arbeitsplätze könnten auch in Fohnsdorf oder Fürstenfeld sein, denn einem Datenerfassungsgerät ist es egal, wo es steht. Die Anforderungen an den Großteil der Mitarbeiter gingen kaum über die an einen guten Sachbearbeiter hinaus. Wissenschaftliche Betreuung und Unterstützung könnten jeweils lokale Technische Lehranstalten oder Kliniken übernehmen.

Solcher Art könnte binnen einiger Jahre eine Datenbasis entstehen, die genauso umfangreich wäre, wie die ESA-Datenbank. Und da man heute beginnt, fällt einerseits der Ballast früherer Betriebsysteme weg und kann andererseits bereits zukünftige Breitbandkommunikation mit Facsimileübertragung berücksichtigt werden. Es wäre der Einstieg in einen zukunftsträchtigen Dienstleistungsbereich, mit dem man auch den langfristig steigenden beruflichen Ansprüchen Rechnung trägt.

Selbstverständlich ist es nicht nötig, dieses Geld, das Österreich eigentlich gar nicht hat, zur Gänze zu investieren. Die Datenbank kann natürlich auch stufenweise auf- und ausgebaut werden. Wie wär's mit ein bißchen lateralem Denken, in Zeiten wie diesen?