Kolumne

"Mehr Fusionen als üblich"

19.03.2004
Christoph Witte Chefredakteur CW

Akquisitionen und Fusionen werden erheblich zunehmen. Aus verschiedenen Gründen: Noch immer "verkaufen zu viele Anbieter das Gleiche", heißt es etwa bei Gartner. Damit reduziert sich die Chance, organisch zu wachsen - mit der Folge, dass "reiche Spieler" kleinere oder mit zu geringen Mitteln ausgestattete Anbieter übernehmen. Zum anderen bündeln Unternehmen mit einem zu geringen Marktanteil und deshalb vergleichsweise schlechten Aussichten ihre Kräfte und versuchen ihr Glück gemeinsam.

Darüber hinaus werden mittelgroße Anbieter, die bisher in regionalen oder fachspezifischen Nischen gut leben konnten, immer stärker durch das Nachdrängen der globalen Spieler unter Druck geraten. Der ERP-Markt ist dafür ein gutes Beispiel. SAP und Microsoft haben hier das mittlere Marktsegment ins Visier genommen und werden sicher weiter Kunden gewinnen. Das wird etliche mittelständische Softwarehäuser dazu zwingen, sich übernehmen zu lassen oder ihr Geschäft aufzugeben.

Ein wichtiger Antrieb für das Übernahmekarussell die zurzeit herrschende Unsicherheit über die weitere Marktentwicklung. Sie lässt Aktionäre zweifeln, ob ihr Geld noch richtig angelegt ist. Momentan erfreuen sich Hightech-Aktien zwar wieder einiger Beliebtheit, doch die Bewertung ist noch immer weit von den Höchstständen vergangener Jahre entfernt. Fallen die Kurse, weil die Wirtschaftsdaten nicht stimmen oder Terroranschläge die Märkte verunsichern, sind die Preise für Übernahmen noch attraktiver.

An sich ist Konsolidierung nichts Schlechtes. Andere Industrien haben das hinter sich und sind wie die Automobilindustrie gestärkt daraus hervorgegangen. Erst das Zusammenwachsen zu großen Konzernen ermöglichte ihr die exakte Arbeitsteilung mit ihren Zulieferern und die gezielte Innovation in kalkulierten, regelmäßigen Abständen.

Doch in der IT-Industrie herrschen andere Strukturen. Innoviert wird in der Regel von kleinen, unabhängigen Unternehmen, die sich, sobald ihre Technologien den Funktionsnachweis erbracht haben, von den großen Playern aufkaufen lassen. Für dieses Verfahren braucht es allerdings einen kontinuierlichen Zufluss frischen Kapitals. Dieser Treibstoff entstand bisher durch die zweistelligen Wachstumsraten der IT-Industrie und die Hoffnung der Geldgeber, dass diese Dynamik erhalten bleibt. Der Glaube der Spekulanten wiederum speiste sich aus den Innovationen und Visionen, die die IT-Industrie früher verlässlich lieferte. Damit ist erst einmal Schluss. Vor 2006 erwartet kein Industriebeobachter bahnbrechende Neuheiten, die der Industrie neuen Schwung verleihen würden. Und so lange dieser Innovationstreibstoff nur so gedrosselt fließt, wird sich die Konsolidierung der Branche weiter beschleunigen.