Megatrend Virtualisierung

22.02.2007
Es entstehen mächtige Tools, mit denen sich Ressourcen besser nutzen lassen.
Server-Virtualisierung erstreckt sich über vier Kernkomponenten. Entsprechend müssen Administratoren über breites Fachwissen verfügen.
Server-Virtualisierung erstreckt sich über vier Kernkomponenten. Entsprechend müssen Administratoren über breites Fachwissen verfügen.
Es gibt drei unterschiedliche technische Basiskonzeptionen, wie virtuelle Maschinen auf der Hardware aufsetzen.
Es gibt drei unterschiedliche technische Basiskonzeptionen, wie virtuelle Maschinen auf der Hardware aufsetzen.

Von CW-Redakteur Ludger Schmitz

Hier lesen Sie ...

• was die technischen Basiskonzepte der Player am Markt kennzeichnet;

• in welche Richtung sie sich technisch und marktstrategisch orientieren;

• wie sich der Schwerpunkt auf das Management virtueller Umgebungen verschiebt.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

576495: Virtualisierung fordert den Administrator;

12152247: Neue Facetten der Virtualisierung;

572309: Server in virtuelle Maschinen übertragen;

580720: VMware in der dritten Generation.

Aussteller

VMware: Halle 1, Stand F33 (Partner bei Magirus);

SWsoft: H1, F88 (hier auch das Tochterunternehmen Parallels);

Microsoft: Halle 3, Stand C45;

Xensource: Nicht auf der CeBIT, aber auf den Ständen bekannter Open-Source-Dienstleister im Linux-Park (Halle 5) dürften Präsentationen zu finden sein.

Was die Hype-Themen der IT-Branche sind, lässt sich zuverlässig an der Zahl der Artikelvorschläge ablesen, die bei der computerwoche eingehen. Und in dieser Liste nimmt seit einiger Zeit das Thema Virtualisierung einen Spitzenplatz ein. Dabei hat die Technik schon einen ziemlichen Bart aus Mainframe-Zeiten: Ein "v" zeigte sie in IBM-Betriebssystemen an. Aber seit einigen Jahren ist Virtualisierung ungeheuer "in" - diesmal in erster Linie als Technik für Server mit der Intel-Architektur (es gibt sie auch für Speicher, Netze und Applikationen).

Die Kisten geben mehr her

Virtualisierung ist das Mittel der Wahl, um die meist schlecht ausgelasteten Server in höherem Grade zu nutzen. Dazu teilt eine Software einen physischen Rechner in mehrere virtuelle auf. Das Steuerungsprogramm weist den Anwendungen zeit- und/ oder lastabhängig die Ressourcen eines Servers zu. Repliziert man das Ganze über mehrere Server, lässt sich auch eine hohe Ausfallsicherheit erzielen. Dazu gibt es verschiedene technische Ansätze, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Die Anforderungen und Wünsche der Anwender sind schon an diesem Punkt vorentscheidend für die Auswahl der Lösung.

VMware ist der Pionier der Virtualisierungstechnik für Server mit Prozessoren nach 32- und 64-Bit-Intel-Architekturen. Das Unternehmen hat sich mit seinen Produkten nicht nur einen guten Namen gemacht, sondern dominiert mit ihnen auch den Virtualisierungsmarkt. Sein konstanter wirtschaftlicher Erfolg hat 2004 zur Übernahme durch den Speicherspezialisten EMC geführt.

Das in produktiven Umgebungen vorherrschende VMware-Produkt ist der "ESX Server". Er legt einen Microkernel mit einem Hypervisor und einem Linux-System über die Hardware. Auf dieser Schicht können wiederum verschiedene Betriebssysteme mit ihren Applikationen aufsetzen. Diese an sich schon hinsichtlich Host- und Gast-System sehr flexible Lösung arbeitet ausgesprochen performant. Und sie erfährt noch eine Erweiterung durch eine beachtliche Möglichkeit zur Administration der virtualisierten Umgebung, "Virtual Center".

Vom Gaukler zum Magier

Der Anbieter offeriert - vor allem für Einsteiger und kleinere Anwendungsumgebungen - noch eine weitere Lösung, den "VMware Server", der auch noch unter seinem alten Namen "GSX Server" bekannt ist. Dessen Technik der Softwareemulation gaukelt den Gast-Betriebssystemen vor, auf einer eigenen physischen Maschine zu laufen. Das geht allerdings auf Kosten des Durchsatzes.

Diese Emulationstechnik bestimmte anfänglich auch die Lösungen des zweiten wichtigen Anbieters in diesem Marktsegment, Microsoft. Bis dato heißt dessen zentrale Lösung "Virtual Server", aber der Softwareriese aus Redmond zeigt sich recht beweglich. In das künftige Betriebssystem "Longhorn" will Microsoft einen Hypervisor integrieren. Dann gäbe es nicht mehr die Begrenzung auf die Softwareemulation, sondern auf seiner Basis könnten über den Hypervisor auch für andere Lösungen para-virtualisierte Gastsysteme mit entsprechenden Anwendungen laufen. Dieses Ziel ist ein zentraler Bestandteil des im November letzten Jahres mit Novell abgeschlossenen Kooperationsvertrags.

Zu den Shooting-Stars der Branche zählt der dritte Anbieter, SWsoft. Dieses Unternehmen in Privatbesitz mit starker Beteiligung von Risikokapital hat seinen Firmensitz in den USA, während es fast nur aus russischen Entwicklern besteht. Nach unvollständigen eigenen Angaben verdoppelt es seit Jahren beständig seine Umsätze. Sein Produkt heißt "Virtuozzo" und baut auf "OpenVZ" auf, das im Rahmen eines gleichnamigen Open-Source-Projekts entwickelt wird.

Virtuozzo und OpenVZ folgen der Technik der Betriebssystem-Virtualisierung. Die virtuellen Maschinen setzen auf einer Lösung auf, die ein einziges Betriebssystem für sie vielfach bereitstellt. Ein ähnliches Verfahren nutzt Sun mit den "Containern" in Solaris; beim Betriebssystem FreeBSD nennt es sich "Jails". Diese Herangehensweise ist durchsatzfreudig, sie verlangt nur die Lizenz für ein Betriebssystem, und dessen Updates muss man für sämtliche virtuelle Maschinen nur einmal einspielen. Aber erstens bereitet gerade das bei manchen Anwendungen Probleme, und zweitens sind sämtliche virtuellen Umgebungen auf einer physischen Maschine auf ein Betriebssystem beschränkt.

Der wahre Newcomer der Szene aber kommt aus der Open-Source-Ecke: "Xen", ein klassisches Open-Source-Projekt mit universitärem Ursprung. Seine Initiatoren haben inzwischen mit Xensource ein Unternehmen begründet, das auf Support und Erweiterungen für Xen spezialisiert ist. Die Lösung und das Unternehmen reiten auf dem Erfolg der Open-Source-Welle.

Xen verwendet die Technik der Para-Virtualisierung, bei der ein speziell angepasstes Betriebssystem die virtuellen Maschinen über einen "Virtual Machine Monitor" (das ist ein Hypervisor, also eine ähnliche Basistechnik wie bei VMware) mit der Hardware verbindet. Diese Methode ist, VMware hat es vorgemacht, sehr durchsatzstark. Ihre Komplikation aber besteht darin, dass die Gast-Betriebssysteme angepasst werden müssen. Die Wahl dieses Ansatzes hat sich gleichwohl als weitsichtig erwiesen, denn ein wesentlicher Trend der Betriebssystem-Entwicklung kommt ihm entgegen.

Open-Source-Connection

Nicht nur Microsoft (Longhorn) und Sun Microsystems (Solaris) integrieren Virtualisierungstechniken in ihre Betriebssysteme. Ähnliches geschieht auch mit dem Linux-Kernel. Novell hat Xen bereits als Kernel-Erweiterung in den aktuellen Suse Linux Enterprise Server (SLES) integriert. Gleiches wird Red Hat in Kürze beim Red Hat Enterprise Linux (RHEL) nachvollziehen. Die Verbindung zweier Open-Source-Produkte lag nahe, ist aber nicht unumstritten.

Im Kernel-Entwicklungsteam gab es erheblichen Unmut über das Ansinnen, mit Xen nur eine Virtualisierungstechnik zu integrieren. So sprach sich Andrew Morton, der Chef-Maintainer des Linux-Kernels, wiederholt dafür aus, den Kern des Betriebssystems über eine Schnittstelle für verschiedene Virtualisierungstechniken nutzbar zu machen. Gleichzeitig kritisierte Morton sowohl Xensource als auch VMware, weil sie nicht über eine gemeinsame Lösung miteinander zu verhandeln. VMware legte im Alleingang seinen Vorschlag "Virtual Machine Interface" (VMI) vor, den die Xen-Fraktion ablehnte. Schließlich begann auf Vermittlung von IBM doch noch die gemeinsame Entwicklung einer Schnittstelle. Sie heißt "Paravirt_Ops".

Admins für das ganze Nichts

Das Nebeneinander einer großen Zahl virtueller Maschinen und zugrunde liegender Virtualisierungslösungen schiebt zunehmend einen anderen Aspekt in den Vordergrund von Investitionsüberlegungen: ihre Steuerung.

Von den Systemadministratoren ist in virtuellen Umgebungen allerhand gefordert. Bei der Administration physischer Maschinen sind ihre Aufgaben einigermaßen klar umrissen. Virtuelle Umgebungen bilden jedoch eine Einheit aus vier Komponenten, für die man gemeinhin seine Spezialisten hat: Prozessor und Hauptspeicher sind noch ein Arbeitsgebiet; bei den Netzwerkkarten und Speichern beginnt der Übergang zu anderen Ressorts. Das sind die "Core Four". Sie alle wollen überwacht werden, denn das Gesamtsystem ist nur so stark wie das schwächste seiner Kernbestandteile. Administratoren in virtuellen Umgebungen dürfen keine Fachidioten sein.

Mit den richtigen Werkzeugen

Immerhin entwickeln sich rasch Werkzeuge, die System-Manager in ihren Alltagsaufgaben wirkungsvoll unterstützen. Zum einen haben die großen vier Anbieter in diesem Metier, BMC, CA, IBM und Hewlett-Packard, den Virtualisierungstrend natürlich nicht übersehen. Vor allem Big Blue und HP haben, weil sie mit den Blade-Servern auch noch die beliebteste Hardware für virtuelle Umgebungen verkaufen wollen, ihre Steuerungssoftware entsprechend weiterentwickelt. So umfasst der "IBM Systems Director" inzwischen einen Virtualisierungs-Manager.

Mit einer Firma aber können sie nicht mithalten: VMware hat mit Virtual Center als Teil des "Infrastructure"-Angebots die Nase vorn. Diese auf einer Konsole zusammengefasste, zentrale Verwaltungsoberfläche für virtuelle Maschinen sorgt für automatisches Workload-Management, Hochverfügbarkeit und Backup. Inzwischen bietet VMware das Tool in einer kleineren Version mit reduzierter, aber für weniger große Umgebungen durchaus hinreichender Funktionsvielfalt auch für die einfachere Virtualisierungslösung VMware Server an. Dabei ist eine Integration mit anspruchvolleren ESX-Server-Umgebungen möglich.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. SWsoft, dessen Admin-Tool "Virtuozzo Management Console" heißt, hat eine tief greifende Neuerung seines Angebots angekündigt. In Kürze soll ein Programm erscheinen, mit dem sich nicht nur Virtuozzo- beziehungsweise OpenVZ-Umgebungen steuern lassen, sondern auch solche auf der Basis von VMware und Xen. Microsoft hat mit Novell und mit Xensource Kooperationsverträge abgeschlossen, die ebenfalls auf eine Steuerung verschiedener Umgebungen unter einem Hut hinauslaufen werden.

VMware gerät unter Druck

Xensource wiederum dürfte durch die Kooperation mit Microsoft gewinnen. Das Unternehmen kapriziert sich darüber hinaus auf die leichtere Verwaltung von Xen. Auf Xen hatte sich bisher vor allem die Firma Virtual Iron konzentriert, die künftig auch Windows-Umgebungen unterstützen will. Ständig kommen neue Firmen hinzu.

Zwei Entwicklungen sind damit absehbar: Script-Programme sind bis dato das verbreitetste Mittel zur Administration virtueller Umgebungen. Doch dabei wird es nicht bleiben - außer in kleinen Umgebungen. Es entstehen mächtige Tools, welche die Möglichkeiten der Virtualisierung zur effektiveren Nutzung der Ressourcen, zur Senkung der Ausfallzeiten und zur Reduzierung der Administrationskosten erst einer breiten Anwenderschaft erschließen.

Zweitens: VMware ist der Platzhirsch in diesem Marktsegment und hat gute Aussichten, seine dominante Position noch eine Weile zu halten. Das Unternehmen steht aber unter großem Druck. Insbesondere der Xen-Flügel und Microsoft haben alle Voraussetzungen, in Sachen Virtualisierung "the world as it is" gründlich umzukrempeln. SWsoft versucht sich stärker als Integrator ins Spiel zu bringen. Virtualisierung ist ein reifer Markt mit vier sicheren Playern. An seinen Rändern tauchen mit der zunehmenden Bedeutung der Administrations-Tools neue Anbieter auf.