Gesundheitswesen setzt verstärkt auf IT

Medizininformatik: Jobs mit guten Perspektiven

04.07.1997

In der Medizin sind moderne Informations- und Kommunikationstechnologien zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel geworden. Diese Entwicklung bringt einen hohen Bedarf an Fachkräften mit sich, die den Umgang mit der Technologie und die medizinische Versorgung von Patienten unter einen Hut bringen können. Eine derartige Doppelqualifika- tion ist indessen nicht die Regel. Wie wird man Medizininforma- tiker, wie gestaltet sich der Arbeitstag solcher Spezialisten, und welche Berufsperspektiven haben sie?

Einer, der sich bereits nach dem Abitur für die Informatik in der Medizin entschieden hat, ist Ulrich Sax. An der Universität Heidelberg und der Fachhochschule Heilbronn hat er das von diesen beiden Institutionen gemeinsam organisierte Doppelstudium Medizinische Informatik absolviert. Als Diplominformatiker der Medizin ist er nun am Caritas-Krankenhaus Sankt-Josef in Regensburg seit gut zwei Jahren mit der Einführung und Revision von DV-Systemen in Pflege und Verwaltung beschäftigt.

Nicht im klinischen Bereich, sondern in der Anwendungsentwicklung ist Daniela Schober tätig. Die Medizinerin arbeitete nach ihrem Studienabschluß an der Ludwig-Maximilians Universität München zwei Jahre als Arzt im Praktikum (AIP) und Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe des Krankenhauses Pfaffenhofen an der Ilm, um sich dann zu einer Zusatzausbildung in der medizinischen Informatik zu entschließen. "Wie die Jungfrau zum Kind" gewissermaßen sei die jetzige Projektleiterin der Sabri Systeme für die Medizin GmbH in Bad Tölz zur Informatik gekommen, die sie eigentlich zu trocken fand.

Noch vor Abschluß ihrer Zusatzausbildung beim Münchener Systemhaus Liegel erhielt sie das Angebot ihres heutigen Arbeitgebers und leitet dort seit zwei Jahren die Bearbeitung von Kundenaufträgen im Multimedia-Bereich.

Ob Informatiker mit Hang zur Medizin oder Arzt mit Multimedia-Ambitionen - beide verbessern ihre beruflichen Perspektiven, indem sie ihr fachliches Know-how ergänzen. Schober ist glücklich darüber, den Absprung aus der Klinik geschafft zu haben. Die Facharztausbildung hätte noch Jahre gedauert, und eine Zukunft als niedergelassene Ärztin scheine aus heutiger Perspektive aussichtsloser denn je.

Auch ihr Kollege Sax ist ganz zufrieden mit seiner Wahl: In der Klinik fühlt er sich gut akzeptiert, das typische Informatiker-Image des "blassen Freaks im Keller" ist er mittlerweile losgeworden.

Schober, die bei der Medizin GmbH zusammen mit drei weiteren Ärzten für die Entwicklung von Multimedia-Produktionen und Krankenhaus-Kommunikationssystemen verantwortlich ist, kann sich als Projekt-Managerin Zeit zur engen Zusammenarbeit mit den Kunden nehmen. Für die Steuerung eines Auftrags von der Aufwandsabschätzung über die Arbeitsplan-Entwicklung bis zur Auslieferung des fertigen Produkts muß sie zwar die technischen Grundlagen beherrschen, Programmierung sowie technische Anwendungsentwicklung liegen aber in Händen von Spezialisten.

Im Unterschied zu seiner Kollegin, die in einem innovativen Umfeld arbeitet und angesichts der dynamischen Unternehmensentwicklung "sich vorläufig nichts Besseres vorstellen kann", muß Sax in dem 331-Betten-Krankenhaus der Caritas kleine Brötchen backen. Die Erneuerung der eher rückständigen DV-Landschaft mit ihren traditionellen Verwaltungssystemen und Schnittstellen-Problemen wird noch Jahre dauern. Zudem kann die Caritas für Sankt-Josef die Einführung von SAP-Standardsoftware, wie sie an den bayerischen Universitätskliniken obligatorisch ist, nicht finanzieren.

Damit die DV-Planung auf einer sicheren Basis steht, ist Sax für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie verantwortlich. Für die nächsten fünf Jahre fest vorgesehen sind eine intensivere interne Vernetzung, neue Krankenhaus-Kommunikationssysteme und ein Telemedizin-Projekt. "Wir hinken dem Gesetz hinterher", klagt Sax, der in Regensburg ein beispielhaftes "Patienten-Management und Service-Center" aufbauen will. Steuerungsinstrumente spielen dabei eine entscheidende Rolle: Wie ist die Auslastung des Operationssaals, wie viele Betten sind im Haus frei? Nebenher muß Sax sich auch noch um den Support und den Benutzerservice kümmern. Doch die personellen Kapazitäten sind längst überschritten: "Wir schrauben keinen PC mehr auf."

Beide Fachleute sind sich einig: Ob in der Industrie, der Anwendungsentwicklung, in Kliniken oder Beratungshäusern - die Nachfrage nach Medizininformatikern steigt sprunghaft an. Wer sich für einen Job in diesem Tätigkeitsfeld interessiert, sollte sich möglichst frühzeitig auf Praktikumssuche begeben und Kontakte knüpfen.

Das Studium der Medizinischen Informatik ist außer in Heidelberg/Heilbronn nur an wenigen Hochschulen möglich, so daß sich die Zahl der Absolventen in Grenzen hält und deren Einstiegschancen recht gut sind. Schwieriger ist es, mit einem reinen Medizinstudium und einer nachträglichen informatischen Umschulung Fuß zu fassen, zumal Fördermittel knapp werden.

*Winfried Gertz ist freier Journalist in München.