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Mangelnde Recherche

Medien übernehmen Aprilscherz-Meldung ungeprüft

02.04.2009
Von pte pte
Die Meldung der Leipziger Internet-Firma Unister über den Rekordverkauf der deutschen Domain preisvergleich.de sorgte gestern für einiges Aufsehen in der Medienlandschaft.

Ein anonymer Investor aus Dubai habe die Web-Adresse für die unglaubliche Summe von 15 Millionen Dollar erworben, verkündete Unister. Als sich herausstellte, dass es sich bei der Verlautbarung lediglich um einen Aprilscherz handelte, war es bereits zu spät. Unzählige renommierte Online-Nachrichtenseiten wie etwa die "Zeit", die "Welt" oder ZDnet hatten die Neuigkeiten bereits übernommen und weiterverbreitet. "Eine umfassende Recherchetätigkeit ist ein zentraler Punkt der journalistischen Arbeit. Beim aktuellen Fall haben einige Journalisten ihren Job offenbar nicht gemacht und nicht ausreichend geprüft, ob die betreffende Meldung auf tatsächlichen Fakten beruht", stellt Martin Welker, Professor für Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, im Gespräch mit pressetext fest.

Erst gestern hatte die Macromedia Hochschule eine gemeinsam mit dem Markt- und Organisationsforschungsinstitut YouGovPsychonomics durchgeführte repräsentative Studie veröffentlicht, die den Journalisten in Deutschland ein sehr ambivalentes Image in der Bevölkerung zuspricht. "Journalisten genießen in Deutschland zwar ein hohes Ansehen, doch die Mehrheit der Bundesbürger hat Zweifel an ihrer Unabhängigkeit. Rund 54 Prozent glauben, dass sie 'nicht wahrheitsgemäß' berichten, mehr als jeder Zweite vermutet Beeinflussbarkeit durch Wirtschaft und Politik", erklärt Welker. Was die Qualität der Recherche betrifft, zeige sich die Mehrheit der Bevölkerung jedoch zufrieden. "69 Prozent gehen davon aus, dass beim Erstellen eines Artikels gewissenhaft recherchiert wird. Nur jeder Zehnte meint, dass Journalisten Berichte selbst inszenieren, um die Auflage zu erhöhen", erläutert Welker die Studienergebnisse.

Allerdings halten es auch 74 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass Journalisten im Rahmen der Recherche auch "über Leichen gehen", also harte Recherchemethoden einsetzen. "Weitere 61 Prozent gehen davon aus, dass Journalisten ihre Stellung dazu ausnutzen, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. 93 Prozent der Befragten attestieren der Presse eine große Macht in der Meinung der Öffentlichkeit", ergänzt Welker. Besonders angekratzt sei das Image des Berufsstandes in östlichen Bundesländern. "Ostdeutsche sind prinzipiell ein Stück skeptischer als ihre westlichen Mitbürger. Rund zwei Drittel bestreiten dort, dass sich Journalisten mit ihrer Arbeit an der Wahrheit orientieren", betont der Journalistik-Professor und Studienleiter. Diese habe vermutlich historische Gründe. "Die Menschen in den östlichen Bundesländern haben schlechte Erfahrungen mit der ideologisch gebundenen Presse gemacht, die auch heute noch in den Köpfen gespeichert sind", meint Welker.

Bereits Mitte Februar hatte eine Falschmeldung auf dem Portal der Online-Enzyklopädie Wikipedia für Aufregung gesorgt, die von etablierten deutschen Medien wie "Spiegel Online", dem "Handelsblatt", der "Süddeutschen" oder der "Bild"-Zeitung unkontrolliert übernommen worden war. Damals handelte es sich jedoch nicht um einen Aprilscherz, sondern den Streich eines Fälschers, der mit seiner Aktion die Recherchemethoden einiger Journalisten anprangern wollte. "Fälle wie diese übernommenen Falschmeldungen werden von den Bürgern sicher wahrgenommen. Ich glaube aber nicht, dass sie einen sehr großen Einfluss auf das Gesamtimage der Journalisten in der Bevölkerung haben", so Welker abschließend. (pte)