Vorwurf politisches Microtargeting

Max Schrems nimmt sich Parteien zur Brust

21.03.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Zur Bundestagswahl 2021 haben nach Auffassung der Datenschutzorganisation noyb von Max Schrems die meisten Parteien DSGVO-widrig Microtargeting auf Facebook genutzt.
Der Datenschutz-Aktivist Max Schrems hat nun die politischen Parteien auf dem Kieker.
Der Datenschutz-Aktivist Max Schrems hat nun die politischen Parteien auf dem Kieker.
Foto: David Bohmann PID

Die Datenschutzorganisation noyb hat Beschwerde gegen die Parteien SPD, CDU, AFD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und ÖDP eingereicht. Den Parteien wird vorgeworfen, während der Bundestagswahl 2021 Microtargeting auf Facebook genutzt zu haben, um potenzielle Wählerinnen und Wähler aufzuspüren und ihnen personalisiert Wahlversprechen zu geben.

Die Datenschützer pochen darauf, dass politische Meinung über die Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) besonders geschützt sei (Artikel 9). Das Vorgehen der Parteien ist nach Ansicht des Datenschützers Max Schrems und seiner Organisation rechtswidrig. Es berge "erhebliche Gefahren für die Demokratie und für die Privatsphäre von Wähler:innen".

Recherchen des ZDF Magazin Royale gaben Anstoß

Die Datenschützer stützen sich auf Recherchen des "ZDF Magazin Royale", denen zufolge alle Parteien, die im Bundestag vertreten sind, bei der Bundestagswahl 2021 auf Facebook politisches Microtargeting genutzt haben sollen, um ihre Werbebotschaften gezielt an ausgewählte Personen zu richten. Wie Facebook genau vorgegangen sei, halte das soziale Netzwerk geheim.

Im April 2021 hatte Jan Böhmermann, Moderator des ZDF Magazin Royale, seine Zuschauerinnen und Zuschauer aufgerufen, sich eine Browsererweiterung (Who Targets Me) zu installieren, um die Microtargeting-Vorgänge zu protokollieren. Max Schrems war in der Böhmermann-Show aufgetreten, und gemeinsam hatten die beiden erreicht, dass zahlreiche Personen ihre Daten an noyb weiterleiteten, damit konkrete DSGVO-Verstöße und -Musterfälle gefunden werden konnten.

Die Datenauswertung ergab dann, dass bei der Bundestagswahl Facebook-User mit politischer Werbung adressiert wurden. Das sei zwar noch nicht verboten, doch seien Nutzerinnen und Nutzer gezielt ausgewählt worden, nachdem Facebook im Hintergrund ihre politische Ansichten ausgewertet haben soll. Damit hätten sowohl die Parteien als auch Facebook gegen die DSGVO verstoßen.

Daten zur politischen Einstellung von Menschen sind sensibel

In einer Pressemitteilung lässt sich Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei noyb, wie folgt zitieren: "Die DSGVO schützt Daten zur politischen Einstellung von Personen besonders streng. Solche Daten sind nicht nur extrem sensibel, sondern erlauben auch großflächige Manipulation von Wählern, wie Cambridge Analytica gezeigt hat."

Politisches Microtargeting gilt als Gefahr für die Demokratie, da die Meinungsbildung von Wählerinnen und Wählern beeinflusst werden kann. So können Parteien bestimmten Wählergruppen geheime Versprechungen machen, die für andere nicht wahrnehmbar sind. Die Politik könnte so völlig unterschiedliche und letztlich nicht erfüllbare Erwartungen wecken. Laut noyb trägt Microtargeting zu Manipulationen im Wahlkampf und letztlich zur Polarisierung der Gesellschaft bei.

Der Salzburger Datenschutz-Aktivist Max Schrems hat es zu Weltruhm gebracht, nachdem er mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die transnationalen Datenschutzabkommen Safe-Harbor und EU-US Privacy Shield zu Fall gebracht hatte. Im November 2017 gründete er das noyb – Europäisches Zentrum für Digitale Rechte, das gegen Datenschutzverletzungen von Unternehmen und Institutionen vorgeht. (hv)