Matrixgenerator hilft Schlachten

16.04.1976

FRANKFURT - "In der Fleischwirtschaft kann wegen der Kuppelproduktion und der Vielzahl der zu beachtenden Relationen ein optimales Produktionsprogramm kurzfristig ohne elektronische Datenverarbeitung nicht mehr ermittelt werden" erklärt Dr. Jörg Biethahn. "Ein typisches Problem besteht beispielsweise darin, daß Wurstfleisch aus unterschiedlichen Fleisch-Teilen nach verschiedenen Zerlegevorschriften gewonnen werden kann. Durch die Zerlegung entstehen aber weitere Kuppelprodukte, die ihrerseits verarbeitet und verkauft werden sollen."

Die Fleischindustrie kann ganze Tiere und unterschiedliche Tier-Teile verschiedener Güteklassen einkaufen, sie verschiedenartig zerlegen und dann entweder direkt verkaufen oder veredeln oder weiterverarbeiten. Außerdem ist es möglich, einen mehr oder weniger großen Teil des Sortimentes fertig zuzukaufen.

1200 Variable

Welche Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten sich ergibt, zeigt das Beispiel des Fleischwerkes eines Lebensmittel-Filialunternehmens: 100 Einkaufsartikel, aus denen 150 Spaltprodukte entstehen - davon werden 110 als Ausgangsprodukte in insgesamt 460 Varianten verkauft. Außerdem existieren 105 Rezepturen für die Weiterverarbeitung, bei denen es 20 Produktvarianten gibt. Ein Modell für die Optimierung hat in diesem Fall

rund 1200 Variable. Dazu kommen noch 1500 bis 2000 Nebenbedingungen, wenn technische Restriktionen wie Kapazitätsgrenzen und Absatzbedingungen berücksichtigt werden sollen.

Gemeinkosten (Löhne, Mieten, Energie etc.) sind in einem Fleischwarenbetrieb relativ konstant. Variabel und damit für den Betriebserfolg zumindest kurzfristig entscheidend sind die Wareneinstandpreise einerseits und die Erlöse andererseits. Biethahn entwickelte einen Matrixgenerator, um mit Hilfe der linearen Programmierung ein optimales Einkaufs- und Produktionsprogramm zu ermitteln. Als Optimum wird ein maximaler Dekkungsbeitrag angesehen - Ausgangspunkt sind die voraussichtlichen minimalen und maximalen Verkaufsmengen für die verschiedenen Produkte.

3000 Mark/Monat für Rechenzeit

Da sich die Produktionsprogramme in Fleischwarenbetrieben zumeist wöchentlich ändern, ist pro Monat mit zehn Läufen zu rechnen. Getestet wurde das Programm auf einer Univac 1108 - dabei dauerte ein Lauf etwa drei Minuten, so daß pro Monat etwa 2500 bis 3000 Mark Kosten für reine Rechenzeit anfallen, wenn auf einer Fremdanlage gearbeitet wird.

Sonderangebote planen

"Selbst unter Berücksichtigung dieser Kosten und des zusätzlichen Personalaufwandes für die Datenerfassung verbleibt noch ein erheblicher Mehrgewinn, wenn solche Planungstechniken angewendet werden, glaubt Biethahn. "Außerdem Werden Unterlagen für Sortimentsbereinigung, Werbemaßnahme und Sonderangebotsaktionen gewonnen." Er kennt zwar einige "ständig expandierende Wurstproduzenten", die mit ähnlichen Methoden arbeiten, konnte aber bisher für die praktische Anwendung seines Verfahrens keinen Fleischwarenbetrieb begeistern. -py