Interview mit dem IBM-PC-Verantwortlichen Christian Hildebrandt

"Maßstäbe setzen, statt nur vorne mitzuspielen"

14.08.1998

CW: Welche Märkte peilt die IBM in Deutschland mit ihren PCs an?

Hildebrandt: Alle. Das ist neu für uns. Wir haben mit Vobis und Comtech Allianzen geschlossen, die sich sehr erfolgreich etabliert haben. Comtech hat eine Lizenz von uns, Aptiva-PCs zusammenzubauen und in seinen eigenen Filialen zu verkaufen. Vobis ist dieses Jahr in das Lizenzabkommen eingetreten und wird noch diesen Spätsommer die Produktion in Würselen hochfahren.

CW: Gerade wurden aber doch Gerüchte bekannt, denen zufolge Holger Lampatz, Aufsichtsratsvorsitzender und CHS-Vorstandspräsident, gesagt hat, man wolle die vor kurzem erst übernommene Vobis-Gruppe wieder loswerden. Sind damit die gemeinsamen Pläne von IBM und Vobis gescheitert?

Hildebrandt: Nein, an diesen Lizenzierungsabkommen ändert sich nichts.

CW: Mit Comtech und Vobis zielen Sie auf den Consumer-Markt?

Hildebrandt: Ja. Im Consumer-Markt werden wir in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen. Wir werden die Aktivitäten in diesem Segment massiv ausbauen. Wir denken auch daran, den Markt noch breiter anzugehen. Peacock etwa ist als Distributor autorisiert. Zudem könnten wir auch über den Media Markt oder ähnliche Kanäle gehen. Da verhandeln wir aber erst noch mit Wiederverkäufern, also dem Retail-Markt. Wir wollen nicht nur vorne mitspielen, sondern die Maßstäbe setzen. Bislang waren wir ein Unternehmen, das auf kommerzielle Kunden ausgerichtet war. Den Consumer-Bereich hatten wir nie so richtig bedient.

CW: Wird die IBM dann auch wie die Konkurrenten SNI oder Compaq über Einrichtungen wie die T-Punkt-Läden der Telekom oder den Versandhandel bei Quelle zu verkaufen versuchen?

Hildebrandt: Man soll nie "nie" sagen. Aber wir treten gerade erst in diesen Markt ein. Und da wollen wir uns nicht verzetteln. Das Kataloggeschäft ist allerdings ein für PCs nicht sehr geeignetes Feld. Wenn sich die Produkte, also etwa Prozessoren, alle drei Monate ändern, dann paßt das nicht zu einem Geschäft, in dem einmal, höchstens zweimal pro Jahr Kataloge neu aufgelegt werden.

CW: Verkauf über das Internet: Was planen Sie da?

Hildebrandt: Heute schon gibt es auf der IBM-Homepage auch in Deutschland einen IBM-Shop. Dort können Sie IBM-Produkte ordern. Allerdings steckt da nicht die IBM dahinter. Wir bieten lediglich das Entree. Für den kommerziellen Kundenkreis verbirgt sich hinter unserem Internet-Bestell-Service die Firma Bechtle aus Heilbronn, die deutschlandweit vertreten ist. Für Consumer, also Privatanwender, haben wir Vobis als Partner eingebunden. Wenn Sie also auf der IBM-Homepage einen Aptiva kaufen wollen, werden Sie auf die Vobis-Homepage durchgereicht.

CW: Warum fällt es Firmen wie der IBM eigentlich so schwer, das Consumer-Segment zu bedienen?

Hildebrandt: Wir sind zu sehr auf das kommerzielle Geschäftsfeld eingeschworen, als daß wir sehr viel über die Spielregeln des Consumer-Marktes wüßten. Das genau bekommen wir aber von Vobis. Die sagen uns, welche Konfigurationen für diesen Markt sinnvoll sind, wie PCs für das Weihnachtsgeschäft ausgestattet sein müssen etc. Die IBM ist zu groß und zu langsam, um diese Flexibilität aufzubringen, deshalb ist die Allianz mit Vobis so sinnvoll. Alle sogenannten A-Brand-Hersteller aus dem PC-Bereich sind bislang am Consumer-Markt aus ebendiesen Gründen gescheitert.

CW: Bekommt die IBM denn auch konkrete Produktempfehlungen von den Comtech- und Vobis-Leuten?

Hildebrandt: Oh ja. Wir werden beispielsweise zum Weihnachtsgeschäft ein "Thinkpad"-Notebook auf den Markt bringen für unter 1000 Mark. Unsere beiden Partner haben uns empfohlen, was in solch einem Gerät drin sein muß und was es kosten darf. Und das verwirklichen wir jetzt. Dieses Thinkpad kommt im Herbst auf den Markt.

CW: Neben den Problemen im Consumer-Markt haben Firmen wie IBM, Compaq oder SNI aber auch Schwierigkeiten, kleine und mittelständische Unternehmen anzusprechen, obwohl dieses Segment hochinteressant ist.

Hildebrandt: Wir sind den mittelständischen Markt eigentlich nie so richtig angegangen. Wir waren da ein bißchen drin, aber nicht darauf konzentriert. Alle Topnamen der Szene haben da so ihre Schwierigkeiten. Compaqs Chef Eckhard Pfeiffer hat auf der CeBIT zwar ein Mittelstandsprogramm angekündigt, aber ich habe das Gefühl, daß das eher Folien sind als Ausdruck einer ernsthaften Konzentration auf ein Marktsegment.

CW: In mittelständischen deutschen Unternehmen stehen massenhaft PCs, die nicht von Firmen mit klangvollem Namen stammen.

Hildebrandt: Die namenlosen PC-Anbieter sind hier in der Tat immer noch sehr stark vertreten. Aber sie müssen enorm Federn lassen. Es gab mal eine Zeit, da konnten sie rund 55 Prozent Marktanteil für sich verbuchen. Mittlerweile verlieren sie jedoch in Deutschland vier bis fünf Prozent Marktanteil pro Jahr.

CW: Legt die IBM ein Mittelstands-, also SMP-Programm auf wie Compaq?

Hildebrandt: Wir werden die Zahl unserer Geschäftspartner, die speziell auf diesem Markt tätig sind, erweitern und noch dieses Jahr 1000 neue Partner gewinnen. 200 haben wir schon.

CW: Denken Sie auch an Konzepte, wie es Compaq als Pilot-Projekt in Norddeutschland mit den Business Points ausprobiert? In immer ähnlich gestalteten Läden bieten Partner, die auf bestimmte Lösungen spezialisiert sind, diese zusammen mit Compaq-Hardware an.

Hildebrandt: Es gibt da tausend Ideen, ob das Shop-im-shop-Konzepte sind oder andere Strategien. Ich glaube, daß das alles noch nicht das Gelbe vom Ei ist. Der mittelständische Kunde möchte den Partner um die Ecke, mit dem er im Zweifelsfall auch eine Stammtischbeziehung besitzt. Und solche Partner sollen in Zukunft IBM-Rechner ver- kaufen.

CW: Die neuesten Zahlen von IDC für den deutschen PC-Markt, aber auch die internationalen Ergebnisse weisen insbesondere für die IBM oder Compaq keine besonders guten Resultate aus. Dell hingegen steht glänzend da. Was macht Dell richtig, das Sie beide falsch machen?

Hildebrandt: Die IBM hat im zweiten Quartal 1998 in Deutschland einen Stückzahlenrückgang um zehn Prozent erlebt. Das sind 63000 Stück abgesetzte PCs. Das entspricht einem Marktanteil im zweiten Quartal von 5,7 Prozent gegenüber 7,5 Prozent im Vorjahreszeitraum...

CW: ... also einem doch erheblichen Marktanteilsverlust.

Hildebrandt: Eigentlich nicht. Die Marktforscher von IDC, GfK und Dataquest müssen bei ihren Berechnungen unbedingt umdenken...

CW: ...sind die IBM und Compaq schlechte Verlierer? Compaq hat ja ähnlich wie Sie argumentiert, man müsse doch das sogenannte Sell-in, also die Zahl der PCs sehen, die an die Distributoren geliefert werden. Niemanden interessiert es aber, ob ein Hersteller seine Distribution auf die Reihe bekommt oder nicht. Es ist doch Ihre Schuld, wenn Sie sich die Lager vollstopfen...

Hildebrandt: ... ohne Frage.

CW: Und es ist auch nicht richtig, den Marktforschern jetzt eine nicht korrekte Berechnung der Marktanteile anzulasten. Sie haben einfach zuwenig PCs verkauft.

Hildebrandt: Das stimmt schon. Wir hatten mehr PCs in die Lager gestellt. Wir haben das aber jetzt geändert und entschieden, daß nur noch das in die Lager gestellt wird, was auch verkauft werden kann - daß Sell-in also gleich Sell-out ist. Die vorherige falsche Strategie haben wir korrigiert, Compaq hat das auch gemacht.

CW: Konnte man nicht sehen, daß diese "falsche Strategie" ins Auge gehen würde?

Hildebrandt: Natürlich konnte man das. Wir und Compaq haben den Blödsinn begangen, die Lager der Distributoren vollzustellen bis zum Geht-nicht-mehr. Aber das Quartalsdenken einer amerikanischen Firma wie Compaq oder IBM treibt natürlich dazu, die Quartalsergebnisse hochzutreiben, weil die Aktionäre ihre Dividende und Wachstumsraten sehen wollen. Das hat sich überhitzt. Das war ein Fehler, und Fehler muß man eingestehen.