Massenspeichersysteme/Die Suche nach der Allroundloesung Backup-Anbieter profitiert von flexiblem Massenspeicher

21.04.1995

Von Ralf Klingsoehr*

Kommerzielle Anbieter von Backup-Rechenzentren haben besondere Anforderungen an Plattensubsysteme: Die spezifischen Systemkonfigurationen vieler Kunden muessen unveraendert auf die installierte Hardware uebertragen werden. Doch kein Dienstleister kann es sich leisten, sein Rechenzentrum mit vielen verschiedenen, auf unterschiedlichen Konzepten beruhenden Datensilos vollzustellen. Die Allroundloesung ist gefragt.

Die Info AG in Hamburg unterhaelt das groesste kommerziell genutzte Ausweichrechenzentrum mit IBM- und kompatiblen Systemen (ES 9000/972, AS/400) in Europa: Zirka 70 Unternehmen im deutschsprachigen Raum stehen derzeit auf der Kundenliste, vorwiegend aus den Bereichen Banken, Versicherungen und Handel. Fuer die Grossrechner hatte der Backup-Anbieter Anfang 1994 insgesamt 1170 GB Platten von Comparex (kompatibel mit dem IBM- Plattentyp 3390, Modell 3) installiert.

Gestiegene Kundenanforderungen bedingten eine Kapazitaets- und Funktionserweiterung. So will das Unternehmen neue, mit Modell 3 (3 GB) kompatible Platten und zusaetzlich Modell-9-Platten (9 GB) installieren, die von Kunden zunehmend nachgefragt wurden. Gleichzeitig galt es, der technologischen Entwicklung zu folgen. Weitere, teuer zu bezahlende Stellflaeche stand fuer die geplante Aufstockung nicht zur Verfuegung.

Verschiedene Systeme der Kunden abgebildet

Oberste Prioritaet bei der Beschaffung neuer Massenspeicher hat fuer die Info AG die uneingeschraenkte Kompatibilitaet mit IBM-Hardware. Sie ist allen Kunden vertraglich zugesichert.

Gleichzeitig werden hohe Anforderungen an die Flexibilitaet der Subsysteme gestellt, da die Info AG die unterschiedlichen Hardwarekonfigurationen der Kunden unveraendert im Ausweich- Rechenzentrum abbildet. "Wir muessen Hardware fuer Kunden, die technologisch immer auf dem neuesten Stand sind, gleichermassen bereitstellen wie fuer jene, die Innovationen mit etwas mehr Distanz begegnen", beschreibt Kay Goetze, Leiter Rechenzentrum bei der Info AG, die Zwickmuehle. Theoretisch bedeutet dies, mehrere Generationen von Plattentypen gleichzeitig vorzuhalten.

Da man sich grundsaetzlich nicht an einen Hersteller binden will, hat der Dienstleister im Fruehjahr 1994 unter den Hauptkriterien hundertprozentige Kompatibilitaet und groesstmoegliche Flexibilitaet den Plattenspeicher-Markt unter die Lupe genommen.

Gute Erfahrungen hatten die Hamburger in der Vergangenheit mit Amdahl, Comparex, Hitachi Data Systems (HDS) und IBM gemacht. Entsprechend standen verschiedene Produkte zur Diskussion: IBM- 3990-Controller mit Ramac-Arrays, Comparex/Hitachi-6090-Controller mit 6490-Platten, Amdahls 6100-Steuereinheiten mit 6390-Disks, das Subsystem Symmetrix 5500 von EMC und der Iceberg von Storage Technology (Storagetek).

Die gesamte Auswahlprozedur erfolgte nach einem fest definierten Anforderungskatalog. Laut Goetze muss ein Backup-Anbieter dabei andere Kriterien in die Waagschale werfen als ein reines Produktions-Rechenzentrum.

Einer dieser Pruefsteine war: Eine 3390-Platte, die nicht gleichzeitig den Vorgaengertyp 3380 emulieren kann, also nicht im bimodalen Modus arbeitet, ist ungeeignet. "Wenn wir bei der erforderlichen Erweiterung heute nicht auf bimodale Arrays zugreifen koennten, waeren wir beispielsweise gezwungen gewesen, 540 GB 3390-Platten und die gleiche Kapazitaet an 3380-Platten zu kaufen."

Das Ergebnis waere fatal gewesen: "Das haette fuer beide Typen die doppelte Plattenanzahl und damit verbunden erhebliche Investitionen bedeutet."

Einige Bewerber scheiterten hier; die bimodale Betriebsart erlaubten lediglich die Produkte von EMC und Storagetek.

Einen weiteren Flexibilitaetsgewinn hatte man sich dadurch erhofft, in einem Subsystem beide Modi simultan nutzen zu koennen. Diese Moeglichkeit bot seinerzeit nur Storagetek. Gegen den Iceberg- Anbieter sprach aber, dass fuer einen reibungslosen Ablauf zusaetzliche Host-Software zu installieren gewesen waere.

Nach Aussage von Goetze akzeptieren Backup-Kunden es grundsaetzlich nicht, zusaetzliche Host-Software eines PCM-Anbieters aufzuspielen: "Sie wollen nichts am Betriebssystem und den Applikationen veraendern. Gefordert ist volle Kompatibilitaet."

Insgesamt zeigte sich, dass das Plattensubsystem Symmetrix von EMC die spezifischen Anforderungen der Info AG am besten abdeckte. Bildete die Emulation von Modell 3 mit den erweiterten Funktionen (beispielsweise "DASD Fast Write") die Grundvoraussetzung, so besitzt dieses System zusaetzlich die Faehigkeit, auch die Steuereinheit 3990, Modell 6, zu emulieren.

Dennoch bereitete die Entscheidung der Info AG einiges Kopfzerbrechen. "Ueber EMC wussten wir Anfang des letzten Jahres ueberhaupt nichts, die anderen Hersteller waren uns dagegen gut bekannt", erinnert sich Goetze. "Bei einer Investition in Millionenhoehe ueber einen Zeitraum von zwei, drei Jahren stellt dies natuerlich einen kritischen Punkt dar." Verfuegt ein Newcomer ueber eine solide Basis, umfassendes Know-how beim System- Engineering und technischen Kundendienst, reagiert er bei Schwierigkeiten schnell und professionell?

Die Disk-Kapazitaet optimal genutzt

Skepsis bestand auch gegenueber der in den Produktbroschueren beschriebenen hundertprozentigen Kompatibilitaet. Im Rechenzentrum der Info AG laeuft taeglich ein anderes Betriebssystem auf dem Mainframe, vornehmlich MVS/ESA, VM/ESA und VSE/ESA sowie alle XA- Versionen. Da muesse fuer die versprochene Kompatibilitaet erst einmal der Beweis angetreten werden, so Goetze.

Im Rahmen einer vierwoechigen Symmetrix-Testinstallation wurde dann nicht nur dieses Kriterium, sondern auch die von EMC angebotene "Hyper Volume Extension" inspiziert. Diese Funktion eroeffnet die Moeglichkeit, auf einer realen 3390-Modell-3-Platte bis zu drei virtuelle Platten vom Modell 1 abzubilden und damit die Anzahl der logischen Platten des Gesamtsystems zu erhoehen.

Da die Info AG eine Vielzahl der Modell-1-Platten bereitstellen muss, sich bislang auf Modell 3 aber nur einmal Modell 1 abbilden liess, war in der Vergangenheit ein grosser Teil der Disk-Kapazitaet verschenkt worden.

Hyper Volume galt dementsprechend auch ein besonderes Augenmerk. Bei Backup-Tests und natuerlich im Katastrophen-Fall konfrontieren die Kunden den Dienstleister nicht nur mit unterschiedlichen Betriebssystemen, sondern auch mit verschiedenen Plattentypen und -modellen. Durch das Symmetrix-Subsystem lassen sich vorhandene Kapazitaeten jetzt optimal nutzen. Der RZ-Leiter ergaenzt: "Zudem konnte Hyper Volume mit dem erforderlichen Durchsatz betrieben werden." Obwohl durch zusaetzliche logische Drives auch mehr parallele Zugriffe erfolgen, geht die Systemleistung nicht in die Knie.

Der Cache-Speicher uebernimmt bei den ausgewaehlten Systemen eine zentrale Aufgabe, entscheidet ueber die effiziente Funktionsweise. Damit stellte sich fuer den Backup-Anbieter auch die Frage nach der Cache-Groesse. Die Laborwerte gaben keine gaenzlich zufriedenstellende Auskunft zum Cache-Verhalten im Hyper-Volume- Betrieb, der laut Goetze "fuer den Hersteller die Ausnahme darstellt, fuer unsere Anforderungen aber das Nonplusultra ist".

Beim Test mit verschiedenen Betriebssystemen zeigte sich: Auch mit Hyper Volume im bimodalen Betrieb hielt der Durchsatz des Subsystems Schritt mit der Performance vergleichbarer Platten anderer Hersteller. Deutlich wurde dies bei Funktionen wie Dump und Restore. Goetze: "Ein fuer uns sehr wichtiger Faktor. Der Kunde, der nach einem Katastrophenfall zu uns kommt, bringt eine Sicherung des gesamten Systems mit, die erst einmal vom Band auf Platte geladen werden muss. Und hier erzielten wir bereits eine 50prozentige Geschwindigkeitsverbesserung gegenueber den alten Disks."

Damit fiel die endgueltige Entscheidung. Im dritten Quartal 1994 wurden 270 GB bestehendes Platten-Equipment gegen ein Symmetrix- Subsystem mit 270 GB Kapazitaet ausgetauscht (Modell 3 gegen Modell 3) und zusaetzlich ein Symmetrix mit 270 GB Modell-9-Platten installiert.

Jedes System wurde mit 2,5 GB Cache konfiguriert. Fuer die auf 1440 GB gestiegene Gesamtkapazitaet war keine zusaetzliche Stellflaeche erforderlich, es musste also nicht in Infrastruktur investiert werden. Als Vergleich: Das ausgetauschte Plattenvolumen verursachte monatlich zirka 9000 Mark Kosten fuer Klimatisierung und Strom, das neue Equipment kostet bei doppelter Disk-Kapazitaet 3600 Mark im Monat.

In der taeglichen Praxis haben sich mittlerweile die Testresultate bestaetigt. Die hohe Leistungsfaehigkeit der Subsysteme fuehrte zu deutlich kuerzeren Zeiten beim kompletten Restore im Ausweich- Rechenzentrum. Rechenzentrums-Chef Goetze sieht darin wesentliche Vorteile fuer die Kundschaft. Ein Grosskunde mit beispielsweise 500 GB Daten auf Kassetten benoetigte bisher fuer das Restoring 24 Stunden.

Wenn dieser Prozess zukuenftig nur halb so lange dauert, bringt das einen immensen Zeit- und damit auch Kostengewinn. Denn Ziel ist es immer, im Katastrophenfall spaetestens nach 48 Stunden mit dem Ausweich-Rechenzentrum wieder arbeiten zu koennen. Die gewonnenen Stunden bleiben dem Kunden dann zusaetzlich fuer den Wiederaufbau seiner Systemumgebung.

Ist die Modell-3-Emulation im Mainframe-Bereich nach wie vor am meisten gefragt, bietet die Info AG fuer einige Kunden auch die groesseren Modell-9-Platten. Die gestiegene Zahl logischer Platten durch Hyper Volume vermeidet auch hier die sonst erforderlichen erheblichen Investitionen in weitere Modell-3-Platten, die "wir einfach benoetigen, um unseren Kunden entsprechend grosse Kapazitaeten bieten zu koennen."

Datenspiegelung auch remote

Der RZ-Leiter zeigt sich rundum zufrieden mit der installierten Speicherloesung. Eine vergleichbare Alternative sieht er fuer die Anforderungen seines Unternehmens nicht. Auch beim Thema Ausfallsicherheit haelt das System, das unter Raid-Level 1 laeuft, seiner kritischen Betrachtung stand.

Mit Blick auf die Zukunft des Backup-Geschaeftes sieht Goetze in der Moeglichkeit der Remote-Datenspiegelung zwischen zwei Subsystemen einen gravierenden Fortschritt. War "heisser" Backup bisher praktisch nur in einer Eigenloesung realisierbar, so laesst sich heute ein System mit gespiegelten Datenbestaenden auch in einem kommerziell betriebenen Ausweich-Rechenzentrum entfernt aufstellen. Dadurch reduziert sich der potentielle Datenverlust im Katastrophenfall auf ein Minimum.

Ausserdem entfaellt der Transport der Backup-Datentraeger, der mittlerweile bei 10000 und mehr Kassetten ohnehin an Kapazitaetsgrenzen stoesst. "Viele Fehler- und Stoerquellen werden eliminiert, die erreichbare Wiederanlaufzeit drastisch reduziert, und auch das gesamte Backup-Verfahren wird sicherer", beschreibt Goetze eine weitere Moeglichkeit, als Backup-Anbieter Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

* Ralf Klingsoehr ist freier Fachjournalist in Frankfurt.