Alternativkonzept zur Steigerung der Festplattenkapazität

Massendaten-Speicherung auf Magnetbändern lohnt sich

20.10.1989

MÜNCHEN (pi) - In den Rechenzentren mit Mainframe-Systemen steigt die Anzahl der Magnetplatten-Laufwerke kontinuierlich an. Bei sehr vielen Anwendern beträgt die jährliche Steigerungsrate bereits 50 Prozent.

Während die Ergänzung von 10 auf 15 Laufwerke häufig noch zu verkraften ist (bei Größenordnungen von 100 installierten Festplatten), bringt die Erhöhung im Folgejahr auf 150 Geräte und die Verdoppelung des Bestandes alle zwei Jahre ernsthafte Probleme in der Raumplanung und der damit zusammenhängenden Finanzplanung des Unternehmens.

Durch diese enormen Kapazitätsausweitungen im Online-Speicherbereich für Magnetplattenlaufwerke entstehen ebenfalls zwangsläufig überproportionale Belastungen bei der Datensicherung auf Magnetbändern. So belegt die Datensicherung eines 3380-K-Festplattenlaufwerks mit 7,5 Gigabyte 38 Magnetbänder vom Typ 3480 (200 MB Kapazität)

Die Ansprüche steigen in Unermeßliche

Die heute in vielen großen Rechenzentren vorhandenen Plattenkapazitäten von etwa 200 Gigabyte bedeuten, daß für eine komplette Datensicherung mehr als tausend 3480-Magnetbänder beschrieben werden müssen. Bei einem prognostizierten jährlichen Platten-Wachstum von 50 Prozent durchschnittlich sind nach etwa fünf Jahren für 1000 GB (1 Terabyte) Plattenkapazität mehr als 5200 Bänder dieses Typs allein für die Datensicherung einzusetzen.

Die Ansprüche an den Platzbedarf nur für die Plattenlaufwerke steigen in unermeßliche Größenordnungen, wobei mit den Festplatten Sporthallen oder Flughangars gefüllt werden können. Für viele DV-MAnager steigen damit die vorhersehbaren Budgetbelastungen in unvertretbare Dimensionen.

Als Alternative für die Speicherung von Massendaten bieten sich Roboter-Archivierungssysteme an, die mit Standard-Magnetbändern arbeiten. Diese Systeme bringen aber sonst keine entscheidenen Verbesserungen im Rechenzentrumsablauf.

Das größte Rechenzentrum der deutschen Finanzministerien (RZF), das der Finanzverwaltung NRW in Düsseldorf, speichert auf dem Online-Massenspeichersystem M 860 Daten, die bisher auf Plattendateien des Bullsystems DPS 90/93 geführt wurden oder auf Magnetbändern ausgelagert waren.

Das System sorgt für zügige Abwicklung

Das Masstor-Konzept ist ein Datenmanagementsystem, das aus einer komplett im Betriebssystem des Hosts integrierten Softwaresteuerung für die Speicherung und Verwaltung von Massendaten im Online-Zugriff besteht und den Datentransfer von und zu unterschiedlichen Hostsystemen steuert.

Hardwareseitig verfügt das im RZF installierte System M 860 über vier Einzelmodule Ó 55 Gigabyte. Jedes Modul enthält zwei Lese-/Schreibstationen für insgesamt maximal 316 Datenträger in Kassettenform, auf denen die Daten nach dem Helical-Scan-Verfahren aufgezeichnet werden. Die Datenträger werden in dem zylinderförmigen Modul in wabenartig angeordneten Einzelzellen aufbewahrt und jeder der Datenträger besitzt eine Speicherkapazität von 175 Megabyte. Die maximale Ausbaustufe eines Systems M 860 speichert ein Datenvolumen im Online-Zugriff von 1,7 Terabyte (1 Terabyte Speicherkapazität entspricht einem Datenvolumen von zirka 1,7 Millionen Büchern mit je 300 Seiten Ó 2000 Zeichen). Dabei können an das jeweilige Hostsystem beliebig viele Systeme M 860 angeschlossen werden.

Das System sorgt beim RZF durch die Online-Verfügbarkeit von Kontenführungsdaten, die früher auf Magnetbändern ausgelagert waren, für eine zügige und sichere Abwicklung der finanztechnischen Abrechnungsvorgänge. Die außerordentlich hohe Verfügbarkeit von 99,95 Prozent demonstriert die Systemzuverlässigkeit, die neben der erzielten besseren Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielte. Ähnliche Forderungen stellte die britische Einzelhandelsfirma Boots für die Speicherung ihrer Backup-Daten. Ebenso wie bei allen großen Rechenzentrumsbetrieben wuchsen auch bei dem Drogerie-Filialunternehmen die Plattenkapazitäten beständig um 50 Prozent jährlich. Dramatisch spitzte sich die Entwicklung zu, als im Jahre 1985 jede Woche ein neues Laufwerk installiert wurde.

Der Plattenbedarf ließ sich einschränken

Auf der einen Seite galt es, auf den 300 Magnetplattenlaufwerken vom Typ 3380 - angeschlossen an ein IBM Hostsystem 3090-200 E und an ein kompatibles Amdahl-System - für die rund 1000 Filialgeschäfte die gewaltigen Mengen von Artikelbestandsdaten, Verkaufsdaten und Statistiken online zu halten; daneben erfolgte die Verwaltung der Personaldaten von 60 000 Mitarbeitern. Auf der anderen Seite stand die von der Firmenleitung geforderte Begrenzung der Steigerungsraten im Plattenbereich durch bessere Managementkonzepte für die Speicherung der Massendaten.

Durch eine hierarchische Speicherungsmethode, bei der wenig bewegte Daten in den Plattendateien und Backup-Druckdateien automatisch auf Magnetbandkassetten ausgelagert werden, konnte der Bedarf an neuen Plattenlaufwerken auf eine etwa 25

prozentige Steigerung pro Jahr beschränkt werden.

Die Wahl des Systems M 860 für die Speicherung sämtlicher Backup-Daten bedeutete eine Entscheidung gegen die Robotersysteme mit Standard-Magnetbändern von Storage Technology und Memorex sowie das angekündigte Verfahren der 0ptischen Speicherplatten von IBM. Ausschlaggebend für den Auftrag war die volle Emulation eines 3480-Bandlaufwerkes durch Masstor, das Preis-/Leistungsverhältnis und der niedrige Platzbedarf sowie die sofortige Lieferfähigkeit.

Die Installation des Systems mit einer Speicherkapazität von 55 Gigabyte erfolgte Mitte 1987, ein zweites System soll in Kürze angeschafft werden, da es eine Alternative gegen die sonst üblichen gigantischen Steigerungsraten für Plattenlaufwerke in Rechenzentren darstellt.