Marktststudie legt Maengel offen Deutsche Bibliotheken verfuegen meist ueber veraltete Standards

19.05.1995

BERLIN (CW) - Eine Zeitbombe tickt in den veralteten DV-Systemen deutscher Bibliotheken. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Marktforschungsgesellschaft Koehler-Frost & Partner, Berlin. Ursache der Misere ist nicht zuletzt das Ignorieren internationaler Standards. Nutzniesser des Defizits sind Systemanbieter - vorausgesetzt, die Mittel fuer geplante neue Systeme werden genehmigt.

Waehrend der G-7-Konferenz im Februar 1995 wurden, so das Marktforschungsunternehmen, Prinzipien und Spielregeln zum Aufbau einer weltweiten Informationsgesellschaft aufgestellt. Hierbei wurden unter anderem zwei Projekte ins Leben gerufen, die als Vorstufe fuer ein weltweites elektronisches Bibliotheksnetz dienen sollen. Pilotlaender fuer dieses, so das Berliner Unternehmen, "anspruchsvolle Vorhaben" sind Frankreich und Japan.

In Deutschland, so ergibt die Befragung von 1100 groesseren wissenschaftlichen und oeffentlichen Buechereien, beschaeftigen sich die Bibliothekare indes mit ganz anderen Problemen: Neben der Unterstuetzung bibliothekarischer Taetigkeiten sind Hardware- und Betriebssystem-Unabhaengigkeit die wichtigsten Forderungen. Die Analyse ergab, dass die Einbindung internationaler Bibliotheksstandards oder multilingualer Funktionen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Immer noch, so Koehler-Frost & Partner, arbeiten sogenannte regionale Bibliotheksverbaende lediglich mit einem nationalen Standard fuer die Katalogisierung und das Datenformat. Damit stuenden sie "in der weltweiten Bibliothekslandschaft auf einsamem Posten". Vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung in der Wissensvermittlung wertet die Studie diesen Alleingang als "Desaster".

Die Arbeit von OSI-Normungsgremien, die die internationale Integration vorbereiten, bleibe in der hiesigen Bibliothekslandschaft bislang unreflektiert. Das Berliner Unternehmen kommt zu dem Schluss: "Die Zeitbombe tickt". Explosionsstoff sind - bei unvermeidbaren Retrokonversionsmassnahmen - Kosten, die auf dreistellige Millionenbetraege geschaetzt werden.

80 Prozent der untersuchten Bibliotheken setzen DV-Systeme ein. Zum Teil, so die Studie, sind sie veraltet oder selbstgestrickt. Darueber hinaus unterstuetzten sie bibliothekarische Funktionen haeufig nur teilweise. Immerhin 40 Prozent der befragten Bibliotheken planten, innerhalb der naechsten fuenf Jahre moderne Systeme zu installieren. Gemaess einer Produktanalyse haben Systemanbieter noch viel Entwicklungsarbeit vor sich, um den Anforderungen zu genuegen. Die Anstrengung wird sich indes lohnen: Die Hochrechnung auf die vorhandenen Bibliotheken ergibt einen Bedarf von ueber 5000 neu zu installierenden Systemen innerhalb der naechsten fuenf Jahre - wenn die Bibliothekstraeger finanzieren, was die Chefbibliothekare wollen. Die Studie "Der Deutsche Markt fuer Bibliotheks-Informationssysteme" ist ab sofort verfuegbar.

Informationen: Koehler-Frost & Partner, Marktforschungsgesellschaft,

Ruedesheimer Platz 8, 14197 Berlin, Telefon 030/821 30 73-75,

Telefax 821 03 52.