Marktstein

21.08.1981

Klein, kleiner, am kleinsten: Erst stellte dies International Business Corporation das auch für Textverarbeitung geeignete Small Business-System " /23 Datamaster" vor (CW 32). Nun kommt der "IBM Personal Computer" mit einem neuartigen Vertriebskonzept in den Handel - welch feines Gespür für gutes Ankündigungstiming.

Der "PC" markiert zwei echte Premieren für das Unternehmen: Zum einen ist er das erste IBM-Produkt, das nicht über die vorhandene, interne Vertriebsorganisation verkauft wird. Zum anderen haben sich die Produktplaner des großen Universalrechner-Herstellers mit dem Intel 8088 einen fremden Prozessor ausgeguckt, der nicht ausschließlich für kommerzielle Anwendungen entwickelt wurde.

Zusammen könnte dies ein Markstein für die Mikrocomputer-Branche sein: Mit ihrer Version von der Intel-Anleihe, die vertriebslastige IBM sei technologisch nicht imstande, einen brauchbaren Jedermann-Computer zu bauen, dürften die IBM-Kritiker aus dem Lager der Personal Computer-Konkurrenten so ziemlich allein stehen.

Kenner der Mikro-Szene werten das OEM-Abkommen mit Intel vielmehr als einen klugen Schachzug des Mainframe-erfahrenen PC-Debütanten: Warum das Rad noch einmal erfinden?

Bislang hat es sich noch für keinen Personal Computer-Anbieter als Manko erwiesen, den 8080-Prozessor, oder dessen Abbild Z80 von Zilog, als zugekauften Rechnerkern zu verwenden. Im Gegenteil: Die 8080-Architektur ist mittlerweile als Industrie-Standard anzusehen, den auch eine IBM nicht ignorieren kann.

Auch das Argument von den zu geringen Margen, die mit den Billigst-Kleinsomputern erzielbar seien, ist wenig schlüssig. Gleiches könnte man von dem "Office Product" Schreibmaschine sagen, das IBM sehr wohl gewinnbringend zu vermarkten versteht.

Schlüssig ist aber: Jeder, der mit einem lBM-Kugelkopf schreibt, ist, wie Branchenbeobachter behaupten, ein potentieller PC-Käufer. Insofern kam IBM um den Einstieg in diesen Massenmarkt gar nicht herum. Denn Textverarbeitung gehört zu den dankbarsten Applikationen für "persönliche" Computer.

Tatsächlich wäre es für IBM prekär geworden, sich nicht um das Personal Computer-Geschäft zu kümmern. Wichtigster Grund: Erst Mikro-Macher wie Apple, Tandy und Commodore haben den Computer als Alltagswerkzeug bei breiten Anwenderschichten populär gemacht. Sollte IBM tatenlos zusehen, daß "Consumer-DV" einen frischen, fruchtigen Geschmack bekommt, den Duft der schlichten, einfachen "Apple-Welt"?

Zugegeben: Bislang ist noch jeder Versuch der Branchen-Youngster gescheitert, einen Software-Maßanzug zu schneidern, wie ihn kommerzielle DV-Verbraucher in Klein- und Kleinstbetrieben benötigen. Die Crux liegt in den Standard-Programmen. Es gibt zu wenige. Die es gibt, sind schlecht.

Hierin liegt die Chance des renommierten Lehrlings, der denn auch gleich mit einer "Programm-Bibliothek" protzt, gewartet von einer eigens dafür eingerichteten Division, der "Personal Computer Software Publishing Corporation". Daß die IBM auf den Einsatz ihrer schärfsten Waffe, der eigenen Sales-Force, bei dem PC-Neuling verzichtet, könnte sich dagegen als Handikap erweisen. Gerade der unerfahrene Erstanwender braucht Streicheleinheiten in Form von Einführungsberatung, die der einzelne Computerladen nicht geben kann. Andererseits wäre es auch keine Überraschung, erwiese sich IBMs Vertriebsehe mit Sears, Roebuck & Co. sowie Computerland als brillante Marketing-ldee. Amerikas größte Hartwaren-Kette will sich auf drei, vier Marken beschränken. IBM ist dabei.