Greenfield Online verunsichert die Web-Propheten

Marktforscher streiten um Prognosen zur Zukunft des E-Commerce

13.08.1999
SAN FRANZISKO (IDG) - Marktforschung im Zeitalter des E-Commerce scheint eine heikle Aufgabe. Proteste rief eine Untersuchung von Greenfield Online aus Westport, Connecticut, hervor, der zufolge im zweiten Quartal weniger US-Surfer online eingekauft haben.

Im Mai 1999 haben nach Angaben der Auguren "nur" 71 Prozent der amerikanischen Internet-Benutzer ein Produkt online erstanden - drei Prozent weniger als im März dieses Jahres. Für die zahllosen Marktforschungsunternehmen, die über Jahre hinaus gigantische Umsätze im Web prognostizierten, war diese Mitteilung ein Schlag ins Gesicht.

Greenfield selbst räumt ein, daß die Studie nur versierte Internet-Benutzer berücksichtigt. Aus einem Pool von über einer Million qualifizierten Web-Surfern waren 2598 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und befragt worden. Andere Institute wie Cyber Dialogue oder Intelliquest, die nach traditionellen Methoden Interviews führen und Daten sammeln, kommen zu realistischeren Resultaten. Demnach kaufen bis dato nicht einmal 30 Prozent der Web-Surfer online ein.

Umstritten ist jedoch weniger die Erhebungsbasis als der angebliche Trend, dem zufolge das Interesse an Online-Einkäufen bereits zu erlahmen scheint. Die Marktforscher von Bizrate.com etwa sind völlig anderer Meinung.

Konkurrierende Verfahren der Marktanalyse

Sie analysieren den Markt, indem sie die Besucherzahlen von Einkaufs-Sites auswerten, die Summe des online ausgegebenen Geldes errechnen oder Transaktionen zählen. Mit einem Online Shopping Index erfassen die Marktbeobachter jede Einkaufstransaktion auf mehr als 1000 Sites.

Dieser Index fiel zwar im Januar, nachdem das Weihnachtsgeschäft vorbei war, stieg aber anschließend kontinuierlich und erreichte im zweiten Quartal Rekordwerte. Auf Basis der Einkaufsdaten von 135 000 Online-Käufern errechnete Bizrate.com ferner, daß die Konsumenten im zweiten Quartal 1999 durchschnittlich 2,5 Prozent mehr für Online-Einkäufe ausgaben als im ersten Jahresviertel.

Ein rasant wachsendes Online-Business verzeichnet auch die Boston Consulting Group, die im Auftrag der Online-Handelsorganisation Shop.org den Markt untersuchte. Demnach wächst der digitale Handel von einem Gesamtvolumen von 14,9 Milliarden Dollar im vergangenen auf 36,6 Milliarden Dollar in diesem Jahr.

Wer von den Online-Geschäften am meisten profitiert, hat die Marktforschungsgesellschaft Jupiter Communications herausgefunden. Demnach findet der Online-Einkauf zu 94 Prozent auf Kosten bestehender Handelskanäle statt. Bei den verbleibenden sechs Prozent handelt es sich um reines Neugeschäft - um Einkäufe also, die in gewöhnlichen Geschäften oder per Versand getätigt werden.