Markteinstieg ueber den niedrigeren Preis Windows NT baut auf neun Millionen DOS-Installationen Von Lothar Leger*

28.05.1993

*Lothar Leger ist Berater bei der

Diebold Deutschland GmbH, Eschborn.

Der Beitrag wurde dem Diebold

Management Report Nr.2/93, Seite 11, entnommen.

Wenn Microsoft ein neues Produkt ankuendigt, kann es mit weltweiter Beachtung rechnen. Dies gilt auch fuer das neue PC-Betriebssystem Windows NT. Ein vergleichbarer Markterfolg wie beim DOS/Windows ist heute noch keineswegs programmiert. Die Verbreitung von Windows 3.x wie auch die Strategien der Konkurrenz koennten dem im Wege stehen.

Wann das von Microsoft angekuendigte neue PC-Betriebssystem Windows NT wirklich auf den Markt kommt, ist noch ungewiss. Einst sollte es der Oeffentlichkeit Ende 1992 vorgestellt werden, jetzt ist von Mai oder Juni 1993 die Rede. Aber auch daran zweifeln einige Marktbeobachter. Sicher ist allein, dass weltweit zahlreiche Betaversionen - die Schaetzungen reichen bis zu 25 000 - zum Test an PC-Hersteller, Grossanwender und Softwarehaeuser ausgeliefert wurden.

Die Frage ist jetzt, ob Microsoft die Erkenntnisse saemtlicher Testfirmen abwarten und verwerten will, oder ob eine Konzentration auf die massgeblichen Testfirmen vorgenommen wird, um mit einer ersten Marktversion moeglichst bald vor die neugierige Kundschaft treten zu koennen.

Was die Kundschaft dabei am meisten bewegt, ist die Frage, ob "Windows New Technology" - abgekuerzt NT - nun wirklich das PC- Betriebssystem der 90er Jahre ist, oder ob man auf Dauer nicht doch mit dem guten alten Windows 3.x oder gar dem

Angebot der Konkurrenz - OS/2

von IBM oder Unix von Novell - besser bedient ist.

Bei Windows NT ist der Anwender vorerst auf Mutmassungen angewiesen, die sich an Hand von Informationen des Hauses Microsoft sowie auf Grund verschiedener Indizien anstellen lassen. Beispielsweise wird das NT-Entwicklungsteam von David Cutler angefuehrt, der zu den Vaetern des VMS-Betriebssystems von Digital Equipment gehoert, und manche Softwareprofis wollen hier und dort auch schon Aehnlichkeiten mit VMS entdeckt haben.

Urspruenglich war geplant, ein modifiziertes OS/2 zu entwickeln, das im Gegensatz zur Urversion von IBM portabel sein sollte. Dabei mag sich mancher erinnern, dass IBM und Microsoft damals noch in puncto OS/2 kooperierten. Allerdings betrachtete Microsoft die erste Version von OS/2 als wenig verheissungsvoll und setzte damals schon mehr auf Windows. Die beiden Firmen kamen zunaechst ueberein, den Markt aufzuteilen: IBM sollte sich mit OS/2 auf die oberen Marktsegmente konzentrieren, waehrend sich Microsoft mit Windows mehr dem Low-end und dem mittleren Markt widmen sollte. Dafuer wollte IBM seine OS/2-1.3-Version nicht auf den Markt bringen, um Microsofts Kreise nicht zu stoeren.

Dieses Stillhalteabkommen war nur von kurzer Lebensdauer. Sechs Monate spaeter ging Microsoft mit Windows 3.0 auf den Markt, ohne diese Version fuer den 386-Prozessor funktionsunfaehig zu machen, was angeblich

gegenueber IBM zugesagt worden war. Das Ergebnis war ein klarer Durchbruch fuer Windows und eine Marktstagnation fuer OS/2 1.x, aber auch das Ende der Zusammenarbeit mit IBM.

Fuer Microsoft war dies das Signal, ein voellig neues Betriebssystem in Angriff zu nehmen mit dem erklaerten Ziel, der Kundschaft eine durchgaengige Betriebssystem-Familie anzubieten, die dem Anwender einen Investitionsschutz bietet, indem saemtliche Windows-Anwendungen zwischen den Windows-Versionen portabel sind. Einschliesslich NT kann Microsoft heute drei Windows-Varianten anbieten:

- Windows 3.1 fuer Einplatz-Systeme,

- Windows for Workgroups mit eingeschraenkten Netzfunktionen sowie

- Windows NT fuer hochwertige Systemleistungen.

Waehrend Windows for Workgroups nur eine relativ geringfuegige Ergaenzung von Windows 3.1 darstellt und einige Netzfunktionalitaeten (E-Mail, Dateitransfer) bietet, muss Windows NT als Technologiesprung gesehen werden.

Microsoft deklariert NT zwar mit einem gewissen Understatement als "Ergaenzung" von Windows 3.1, aber NT ist mehr als das: Als voellig neues Betriebssystem stellt es eine Abkehr vom alten DOS dar (Windows 3.x basiert auf DOS) und bietet eine Fuelle von Hochleistungsmerkmalen, darunter ein Multiuser-Netz. Es ermoeglicht eine vollstaendige Client-Server-Architektur mit verteilten Anwendungen, erlaubt Multitasking und unterstuetzt auch fremde Netz-Betriebssysteme wie Netware von Novell oder Vines von

Banyan.

Die Durchgaengigkeit der verschiedenen Betriebssystem-Varianten wird dem Benutzer durch das gleiche Look and feel in Form der Benutzeroberflaeche demonstriert. DOS und Windows 3.x werden aber nur noch als Subsysteme unterstuetzt - was dem Anwender im Prinzip ziemlich egal sein kann, solange seine alten Anwendungen auch unter NT laufen. Das aber ist nicht uneingeschraenkt der Fall.

Ebenso bedeutsam mag es fuer zahlreiche Anwender sein, dass auch die Betriebssysteme Unix (auf Basis des Posix-Standardsund OS/2 unterstuetzt werden. In praxi heisst das, dass Anwendungen, die fuer diese Betriebssysteme geschrieben wurden, auch unter Windows NT laufen. Das gilt zum Teil auch fuer das Konkurrenzprodukt OS/2 2.0 der IBM, auf dem umgekehrt Windows- und DOS-Anwendungen laufen.

NT zielt auch auf den

Workstation-Markt

Worin NT aber OS/2 ueberlegen sein koennte, ist die Portierbarkeit auf RISC-Workstations von Mips (inzwischen zu Silicon Graphics gehoerend) und Intergraph. Es wird damit gerechnet, dass weitere Hardwareplattformen hinzukommen. So besteht bereits eine Uebereinkunft mit Digital, dass Microsoft NT auf den neuen Alpha- Mikroprozessor portieren will. Auf der Comdex 92 in Las Vegas stellte DEC im vergangenen Herbst bereits ein Alpha-Desktop-System vor, das unter NT lief. Mit diesem Zugang zum Workstation-Markt ergibt sich eine neue Situation fuer die Unix-Welt, denn es bestehen wenig Zweifel, dass Microsoft entschlossen ist, in diesem Markt mitzumischen. Da aber die Workstations inzwischen zum 64- Bit-Prozessor tendieren, NT jedoch auf 32-Bit-Technik basiert, tut sich hier erneut eine Kluft auf, die Microsoft bei seinem Bemuehen Probleme bereiten koennte und Pluspunkte fuer Unix bedeuten wuerde.

Der Wettstreit mit der Unix-Welt koennte ohnehin sehr interessant werden. Die Karten sind hier sehr unterschiedlich verteilt: Dem homogenen NT steht ein sehr heterogenes Unix gegenueber, das aber den Vorteil hat, auf sehr vielen Hardwareplattformen zur Verfuegung zu stehen. In diesem Punkt gibt es fuer NT noch Nachholbedarf. Zudem bietet Unix Multiuser-Faehigkeiten, die NT nicht besitzt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Microsoft langfristig bestrebt sein wird, seine Defizite zu beheben und moeglicherweise den Markteinstieg ueber den niedrigeren Preis versuchen wird. Doch darf auch hierbei nicht vergessen werden, dass der Preis fuer eine Betriebssystem-Lizenz im Rahmen einer Informatikstrategie nicht der entscheidende Faktor ist.

Nicht minder spannend duerfte der Wettbewerb an der Netzwerk-Front sein, wo eindeutig Novell mit rund 70 Prozent Marktanteil der Platzhirsch ist. Angeblich soll Microsoft eines Tages doch mit einem LAN-Manager fuer NT am Markt erscheinen. Das waere der Casus belli. Und irgendwie wuerde es nicht ganz ins Bild passen, wollte Microsoft den lukrativen Networking-Markt auf Dauer Dritten ueberlassen. Novell steht jedenfalls schon Gewehr bei Fuss. Aus den USA wird von einem internen Memo berichtet mit dem Titel "Selling against Windows NT: A Selling Guide for the Netware Sales Channel."

Trotz des Technologiesprungs, den NT repraesentiert, ist aber noch keineswegs sicher, dass das neue Betriebssystem auf kurze Sicht einen aehnlich kometenhaften Aufstieg erleben wird wie DOS/Windows. Gegen einen so raschen Aufstieg spricht eine ganze Reihe von Argumenten:

- Als groesstes Hindernis moegen sich die rund neun Millionen Windows-3.x-Anwender erweisen, von denen ein grosser Teil zunaechst wenig Drang verspuert, auf NT umzusteigen, zumal auch Windows 3.x weiterentwickelt wird.

- Microsoft hat selbst angedeutet, dass zumindest am Anfang nicht saemtliche DOS- und Windows-Anwendungen unter NT lauffaehig sind. Man haette sonst auf das C2-Sicherheitszertifikat (gemaess dem Orange Book des US-Verteidigungsministeriums) verzichten muessen. Das aber wollte Microsoft aus langfristigen Erwaegungen heraus nicht.

- Windows NT erfordert eine deutlich hoehere Hardwarekapazitaet. Zwar erklaert Microsoft, dass eine Hauptspeicherkapazitaet von 8 MB bereits genuege. Aus Kreisen der Betatester verlautet jedoch, dass das zuwenig sei und man mindestens 12 MB, noch besser aber 16 MB installiert haben sollte. Zusaetzlich empfahl Microsoft fuer die Betaversion eine Festplattenspeicher-Kapazitaet von mindestens 100 MB sowie weitere 50 MB Speicherplatz fuer temporaere Systembereiche (Swap space). Damit ist bereits deutlich, dass nur sehr leistungsfaehige Arbeitsplaetze in Betracht kommen. Absolutes Minimum fuer sinnvolles Arbeiten ist ein PC mit i386-DX-Prozessor. Im Grunde sollten nur PCs mit Prozessoren ab der Typenklasse i486 eingesetzt werden. Alles, was darunter liegt, ist zu langsam und mindert die Arbeitsplatz-Produktivitaet.

- Im Vergleich zu OS/1.x ist OS/2.0 bei den Benutzern gut angekommen, befindet sich seit einem guten Jahr auf dem Markt und gilt als passable Aufstiegsalternative fuer Windows-3.x-Benutzer. Im Gegensatz zu NT laufen unter OS/2 nahezu alle DOS- und Windows- 3.x-Anwendungen. Von der Hardware her liegt die Untergrenze fuer den Hauptspeicher bei 4 MB und fuer die Festplatte bei 30 MB.

- Um NT effektiv nutzen zu koennen, ist ein umfangreiches Training der Benutzer erforderlich.

- Die Faehigkeit von NT, Client-Server-Konzepte zu unterstuetzen, zeigt so lange wenig Wirkung, als das Know-how fuer ihre Realisierung noch wenig verbreitet ist.

Angesichts dieser Aspekte ist zu vermuten, dass Microsoft mit NT zunaechst auf Anwender mit anspruchsvollen Verarbeitungsaufgaben zielen wird. Der neue Intel-Prozessor Pentium - man koennte ihn auch als 586er bezeichnen - wird diesen Trend unterstuetzen, denn er soll etwa zehnmal schneller sein als der 80486.

Dann aber bietet sich NT als Betriebssystem an, zumal es dann auch fuer Client-Server-Architekturen noch attraktiver wird.

Als wichtiges Element fuer die Akzeptanz von NT ist auch das Schnittstellen-Konzept Wosa (Windows Open Services Architecture) zu sehen. Microsoft schafft damit die Voraussetzungen, dass auch externe Softwarehaeuser Anwendungen entwickeln koennen. Wosa wurde bereits bei Windows 3.x beruecksichtigt und ist Bestandteil der Microsoft-Strategie fuer offene Systeme.

Inzwischen denkt Microsoft schon ueber das heutige Windows NT hinaus. Mitte der 90er Jahre soll eine voll objektorientierte Version von Windows auf den Markt kommen. Das Projekt laeuft unter dem Codenamen "Cairo". Bisher ist allerdings nicht bekannt, ob Cairo Bestandteil von NT oder von 3.x sein wird oder gar als voellig neues Produkt auf den Markt kommt. Zu vermuten ist, dass alle Windows-Versionen Elemente von Cairo enthalten werden.

Auf weite Sicht wird Microsoft bestrebt sein, seinen Kunden eine Windows-Produktfamilie anzubieten, die untereinander aufwaerts und abwaerts voll kompatibel ist, so dass die Einstiegsstufe von sekundaerer Bedeutung ist. Bis es soweit ist, wird freilich noch einige Zeit verstreichen. In der Zwischenzeit wird die Konkurrenz nicht untaetig sein. Von IBM kommt die Kunde, dass Anfang 1994 ein Portable OS/2 auf den Markt kommen soll, das auch auf der RISC- Plattform des Power-PCs lauffaehig ist.

Eine nicht unerhebliche Gefahr sehen Experten auch in der Nextstep-Software von Next, die kuenftig auf dem Intel-Prozessor 486 lauffaehig sein soll (siehe Artikel auf Seite ..). Nextstep basiert auf Unix, unterstuetzt in sehr robuster Weise Client- Server-Architekturen und ist voll netzfaehig. Da auch IBM Lizenznehmer fuer Nextstep ist, ist dieses Produkt wie auch sein Schoepfer Steve Jobs fuer manche Ueberraschung gut.

Kernpunkte fuer das Management

- Windows NT ist kein simples Aufstiegsprodukt, sondern ein von Grund auf neues PC-Betriebssystem mit speziellen strategischen Zielsetzungen. Wenn Sie Windows-3.x-Anwender sind, pruefen Sie eingehend, welchen Nutzen es Ihnen bringt, auf NT umzusteigen. Auch Windows 3.x wird von Microsoft weiterentwickelt.

- NT zielt auf Anwender, die hohe Systemleistungen wuenschen. Die aber koennen nur mit sehr leistungsfaehigen PCs erbracht werden.

- Im Prinzip strebt Microsoft zwar die Aufwaerts- und Abwaertskompatibilitaet zwischen den verschiedenen Windows-Versionen an. Nach dem heutigen Stand lassen sich jedoch nicht alle 3.0- Applikationen auf NT uebertragen.

- Wenn Sie Unix-Anwender sind oder mit Unix liebaeugeln, koennte NT eine Alternative sein. NT laeuft auch auf RISC-Workstations.

- Wenn Sie nicht dringend auf ein leistungsfaehigeres Betriebssystem angewiesen sind, warten Sie, bis die Einfuehrungsphase von NT vorueber ist. Die Nullversionen von Microsofts Produkten haben haeufig Kinderkrankheiten gezeigt.

"Big Green" folgt "Big Blue"

"Microsoft ist die IBM der 90er Jahre und benutzt genau die gleichen Marketing-Taktiken wie einst IBM." Mit diesem Ausspruch steht Borland-Chef Philippe Kahn nicht allein da. Man verweist auf die fruehe Ankuendigung von Windows NT, die aehnlich den "Pre- Announcements" von IBM im Verdacht steht, der Konkurrenz - in diesem Fall OS/2 - das Wasser abgraben zu wollen. Und schon hat Microsoft einen Spitznamen weg, der gleichfalls an IBM erinnert: "Big Green" - in Anspielung auf die grossen, immergruenen Baeume auf dem Gelaende der Microsoft-Zentrale in Redmond/Washington und in Parallele zu IBMs Beinamen "Big Blue". Doch der Gemeinsamkeiten gibt es noch mehr: Microsoft avancierte zu Beginn des Jahres 1993 zum in der Welt nahezu teuersten Unternehmen der Computerindustrie. Waehrend die Kurse der IBM-Aktie unter die 50- Dollar-Marke fielen, kletterte die Aktie des Software-Anbieters auf ueber 90 US-Dollar. Damit liegt Microsoft mit Big Blue in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die hoechste Boersenkapitalisierung in der Branche - sie betraegt zur Zeit fuer beide Unternehmen jeweils zirka 27 Milliarden US-Dollar. Mit dem erwarteten Umsatz von zirka 3,75 Milliarden US-Dollar fuer das Geschaeftsjahr 1993 (Ende Juni) ist Microsoft gegenueber IBM (zirka 65 Milliarden US-Dollar) beinahe ein Zwerg.

Dennoch honoriert die Boerse mit ihrer hohen Bewertung die seit Jahren ueberdurchschnittlich starken Umsatz- und Gewinnsteigerungen sowie die weiteren Wachstumschancen der Gesellschaft.

Waehrend viele Bereiche des Computermarkts mit der Rezession zu kaempfen haben, steigt die Nachfrage fuer Microsofts benutzerfreundliche Windows-Produkte rapide. Getragen wird das Wachstum vor allem vom PC-Boom. Um Marktanteile zu halten beziehungsweise auszuweiten, fuehren PC-Produzenten seit laengerer Zeit einen Preiskrieg. Im Vorjahr zum Beispiel haben sich die Preise fuer einen typischen PC halbiert. Der Mengenabsatz hingegen floriert und stieg 1992 weltweit sprunghaft an. Der Verkauf eines PCs ist inzwischen immer staerker zum Konsumguetergeschaeft geworden. Chips-Produzenten und Software-Anbieter profitieren von dieser Entwicklung.

Vor allem Intel und Microsoft gelang es, eine jeweils dominierende Stellung zu erreichen; Intel setzte mit den Chips 80386 und 80484 den Standard bei Mikroprozessoren, Microsoft mit Windows den Standard bei Software fuer PC-Betriebssysteme und PC- Anwendungen. Die enorm starke Nachfrage nach Mikroprozessoren beziehungsweise Windows-Software ermoeglichte den Unternehmen, die Preise ihrer Produkte kraeftig zu

senken. Sie haben dadurch ihrerseits den Preisverfall fuer PCs noch verstaerkt, andererseits durch den Preisrueckgang der Nachfrage neue Impulse gegeben.

Trend zur

Vernetzung

Auf laengere Sicht koennten gravierende Veraenderungen im Computer- Softwarebereich von dem sich bereits anbahnenden Trend zur Computervernetzung ausgehen. Die Benutzer immer leistungsstaerkerer PCs erhalten auf diese Weise Zugang zu Daten, die bislang in Grosscomputern gespeichert werden. In dem Wettlauf um den Markt der schier unbegrenzten Moeglichkeiten haelt Microsoft trotz des hohen Marktanteils von zirka 89 Prozent fuer PC-Betriebssysteme bestenfalls eine gute Ausgangsposition, da das bisherige DOS- Windows-Betriebssystem fuer offene Systeme wegen technischer Schwaechen nicht geeignet ist. Die Frage, ob Microsofts neues Betriebssystem Windows NT sich in aehnlicher Weise als Industriestandard etablieren kann, ist noch offen. Da gibt es noch OS/2 von IBM und neuerdings auch Novell. Mit seinem Einstieg bei Unix International verfuegt der etablierte Netzspezialist nunmehr ueber mehrere Trumpfkarten und koennte mit seinen Produkten Netware und Unix zum schaerfsten Konkurrenten fuer Microsoft werden, zumal Microsoft mit NT auch in den Workstation-Markt eindringen will.

Hier muss NT allerdings noch gegen Solaris von Sun antreten. Den staerksten Trumpf besitzt Microsoft zweifellos in seiner enormen weltweiten Installationsbais (zirka neun Millionen Anwender), der kein Konkurrent Vergleichbares entgegenzusetzen hat. Wenn es gelingen sollte, diese Basis auch fuer Windows NT zu gewinnen, haette Microsoft wahrscheinlich gewonnen.

Davon duerfte es auch abhaengen, ob die Microsoft-Aktie ihren Hoehenflug fortsetzen kann. Fuer die naechsten Monate muss allerdings mit einer ausgepraegteren Kurskonsolidierung gerechnet werden. Die juengst veroeffentlichten exzellenten Halbjahreszahlen des Unternehmens per 31. Dezember 1992 - der Nettogewinn je Aktie erhoehte sich von 1,20 auf 1,48 Dollar, der Umsatz nahm von 1,26 Milliarden Dollar in der vergleichbaren Vorjahresperiode auf 1,76 Milliarden US-Dollar zu - vermochten die Aktie nicht mehr auf neue Kurshoechststaende zu treiben. Die Boerse hatte die starken Umsatz- und Ertragssteigerungen erwartet und bereits eskomptiert. So gesehen erscheint das Kurs-Gewinn-Verhaeltnis von zirka 29 nicht unangemessen hoch.