Marktbereinigung trägt kuriose Züge

22.02.2006
Von Ralf Horstmann
Wie sich große System-Management-Hersteller gegenseitig Technik abspenstig machen.
Das weltweite Durchschnittswachstum beträgt jährlich 7,6 Prozent.
Das weltweite Durchschnittswachstum beträgt jährlich 7,6 Prozent.

Der System-Management-Markt ist seit Anfang 2005 durch eine starke Konsolidierung geprägt, die noch nicht abgeschlossen ist. Insbesondere große Unternehmen tendieren dazu, neue Funktionen zum Teil mitsamt ihren Eigentümern zu erwerben statt sie selbst zu entwickeln. Dies ist nicht immer zum Vorteil der Kunden, da sie erneut in den Aufbau von Know-how, in Migrationsprojekte und nicht selten auch in neue Lizenzen investieren müssen.

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572193: BMC arbeitet an neuem Transaktions-Manager;

571527: CA bringt Suite für Asset-Management;

571399: IBM kauft und kauft;

570588: CA will Wily kaufen.

IDC-Einschätzung

Die Analysten von IDC sehen den Markt für System- und Netzwerk-Management weiterhin auf Konsolidierungskurs. Große Hersteller kaufen kleinere Spezialisten mit solidem Umsatz und stabiler Kundenbasis.

Dabei schreitet die Integration von Netz- und System-Management-Tools deutlich voran. Anbieter, die kein Netz-Management in ihrem Portfolio haben, bleiben bei der Produktauswahl künftig immer öfter außen vor.

Insofern hat die aktuelle Micromuse-Akquisition durch IBM Folgen. Das Anbieterspektrum für unternehmensweites Netz-Performance-Management reduziert sich damit auf IBM Tivoli, HP Openview und CA Unicenter - abgesehen von ein paar sehr kleinen Häusern. Außen vor sind BMC, Mercury, Microsoft und Symantec, für die es in dieser Disziplin keinen nennenswerten Übernahmekandidaten mehr gibt. (ue)

Beispiel IT Masters

Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch BMC mit den Akquisitionen von Remedy und IT Masters. Der über Remedy kommende BMC Patrol Enterprise Manager ist für Ende 2006 angekündigt - Anwender sind also gut beraten, frühzeitig einen Migrationsplan zu erstellen. Interessant an der Übernahme von IT Masters ist, dass diese Firma ursprünglich den IBM Tivoli Enterprise Manager entwickelte und mit dem eigenen Produkt Mastercell diese Technik fortgeführt hat. In BMC SIM umbenannt, wurde sie mit Remedy gebündelt und zum Flagschiff von BMCs BSM-Strategie. Durch die Übernahme von IT Masters wurde IBM also der Weg zur Produktinnovation der Tivoli Enterprise Console verbaut, was sicher auch zur kürzlich erfolgten Übernahme von Micromuse durch IBM beigetragen hat.

Beispiel Riversoft

Das Stichwort Netzwerk-Management bringt die nächste Kuriosität ans Tageslicht. War der Markt vor einigen Jahren noch beherrscht durch die Technik von HP Openview (IBM Tivoli Netview ist ein Openview-Ableger), so wandelt sich diese Situation derzeit. 1997 wurde der Netzwerk-Management-Spezialist Riversoft gegründet, dessen Ziel es war, neben gerouteten Netzen auch die darunter liegenden Ebenen automatisch zu darzustellen. HP erkannte das Potential und nahm die Discovery Engine in Lizenz, um sie in Openview einfließen zu lassen. Dies brachte HP einen deutlichen funktionalen Vorsprung vor der IBM-Lösung Netview. Kurze Zeit später wurde Riversoft jedoch durch Micromuse übernommen, das die Discovery Engine in den folgenden zwei Jahren mit der eigenen Netcool-Produksuite integrierte. Diese Lösung wurde nun von IBM als Grund der Micromuse Akquisition benannt. Die Konsequenz: Eine Ablösung von Tivoli Netview steht bevor, so dass letztlich die ehemalige Riversoft-Technik künftig einen großen Teil des Markts beherrschen wird.

Interessant ist auch die Frage nach den Produkten, die von IBM im Zusammenhang mit der Micromuse-Übernahme nicht erwähnt wurden. Micromuse Impact hat das Potenzial, die Tivoli Enterprise Console abzulösen, Micromuse Omnibus stellt als Kommunikationsplattform ein Pendant zum Tivoli Framework dar, und Micromuse RAD liefert als Visualisierungswerkzeug die Grundlage für ein prozessorientiertes Monitoring und damit ein Substitut beziehungsweise eine Ergänzung für IBMs TBSM. Gemeinsam mit dem Tivoli Application Dependency Discovery Manager und der für Mitte des Jahres auf dieser Basis angekündigten CMDB arbeitet IBM an einer an Itil ausgerichteten System-Management-Architektur, der mittlerweile alle großen Hersteller folgen. Ergänzt wird diese Initia-tive durch eine gerade angekündigte Kooperation mit BMC bezüglich der Remedy-Technik, da der bisherige Partner Peregrine gerade durch HP übernommen worden ist.

Folgen für Tivoli

Betrachtet man weitere Bereiche des IBM-Portfolios, so sind noch mehr Veränderungen fest zu stellen. Die funktionalen Defizite im Tivoli Distributed Monitoring wurden durch die Akquisition von Candle ausgeglichen. Ein Tivoli-Framework-Ansatz für das Monitoring ist damit nicht mehr notwendig. Insofern ist absehbar, dass IBM aufgrund der getätigten Einkäufe einen Großteil seiner Tivoli-Produkte ergänzt beziehungsweise ganz austauscht. Das hat für viele langjährige IBM-Kunden erhebliche Investitionen zur Folge, entweder im Bereich Lizenzen oder im Rahmen von Migrationsprojekten. Die Erwartung vieler Kunden, durch Bindung an große Hersteller eine langfristige Stabilität zu erreichen, bliebe damit unerfüllt.

CA vor Integrationsaufgaben

Als weiterer großer Anbieter von System-Management-Lösungen war auch Computer Associates in Sachen Akquisitionen nicht untätig: Die Unicenter-TNG-Produktpalette wurde um die Technologien Aprisma Spektrum, Concord eHealth und Wily ergänzt. Bei allen handelt es sich um hochwertige Produkte, die das Portfolio des Käufers gut ergänzen. Inwiefern eine saubere Integration mit den existierenden Lösungen gelingt, bleibt jedoch wie bei allen Akquisitionen abzuwarten.

Vergleicht man alle System-Management-Architekturen der großen Hersteller, fallen Gemeinsamkeiten auf. Wurden die Lösungen früher von unten nach oben aufgebaut, so konzentriert man sich heute auf eine Architektur, die weitgehend die Itil-Prozesse unterstützt. Jeder Hersteller arbeitet deshalb an einer Configuration Management Database (CMDB), meist reaktiv und in Form eines erweiterten Inventory, sowie an einer Business-Service-Konsole zur Visualisierung von Geschäftsprozessen. Remedy liefert als CMDB Atrium, welches derzeit vollständig überarbeitet wird. IBM hat für Mitte des Jahres seine CCMDB angekündigt, HP setzt auf Peregrine Asset Center und die im Service Desk enthaltenen Informationen, und CA verfolgt mit dem MDB-Ansatz ähnliche Ziele. Einzig Managed Objects geht den Weg einer virtuellen CMDB (vCMDB ) und integriert über offene Schnittstellen verteilte CMDB-Informationen in seiner Konsole mit dem Ziel, beliebige Technologiewechsel mitzumachen. (ue)