Marktanteile sollen zurueckgewonnen werden Apple will mit Neuorganisation dem Integrationstrend folgen

14.04.1995

MUENCHEN (jm) - Michael Spindler, Chef der Apple Computer Inc., hofft, mit einer kompletten Reorganisation die Schlagkraft des Unternehmens zu erhoehen und verlorene Marktanteile zurueckzuerobern.

Doch nicht jeder bei Apple ist willens, dem Deutschen auf dem neuen Kurs zu folgen: Ian Diery, von einigen Insidern als wichtigster Apple-Mann nach Spindler gehandelt, verlaesst das Schiff, weil er fuer sich in der neuen Organisation keinen Platz mehr sieht.

Das Headquarter in Cupertino, Kalifornien, organisiert sich in Zukunft in vier Taetigkeits- und Organisationsbereiche: Marketing and Customer Solutions, Research and Development, Sales and Customer Support sowie Manufacturing and Distribution (siehe Seite 31).

Mit der ueberarbeiteten Struktur glaubt Spindler, neue und vermeintlich ertragskraeftige Maerkte besser angehen zu koennen. Gute Wachstumschancen malt sich Apple vor allem bei den Heimcomputernutzern, im Unterhaltungsbereich, bei Anwendungen fuer Erziehung und Bildung sowie bei kommerziellen Loesungen aus.

Ian Diery, bei Apple Executive Vice-President und zustaendig fuer die Hardware-Division, findet sich in dem neuen Organigramm nicht mehr wieder. Spindler zufolge hat Diery an der Umstrukturierung noch mitgewirkt, bevor er dem Hersteller den Ruecken kehrte.

Insider spekulieren, inwieweit die Demission des Managers auch mit einigen Misskalkulationen der letzten Monate in Zusammenhang gebracht werden kann. Manche Branchenkenner argumentieren, dass Diery zwar den Wechsel von Apples Hardware-CISC-Architektur auf die Power-PC-RISC-Plattform gut vollzogen habe. Dann aber habe er die Nachfrage nach der neuen Macintosh-Generation voellig falsch eingeschaetzt. Aus diesem Grund sei es 1994 zu erheblichen Engpaessen bei Power-Macintosh-Systemen gekommen. Besonders das Weihnachtsgeschaeft habe unter dem knappen Angebot gelitten, am staerksten in den USA.

Auswirkungen der Reorganisation umstritten

Die Meinungen ueber die Reorganisation gehen in der Branche recht weit auseinander. Robert Enderle, Analyst bei Dataquest, glaubt, dass die Kalifornier ihre Hard- und Software-Aktivitaeten strikt trennen muessten. Dabei sollte die Betonung eindeutig auf dem Software-Engagement liegen. Hardware und Software aneinanderzubinden sei wenig erfolgversprechend. Wachstumsmoeglichkeiten zeigten sich besonders bei Hardware- unabhaengigen Betriebssystemen. Microsoft sei das beste Beispiel dafuer.

Pieter Hartsook, Herausgeber des Macintosh-Newsletters "The Hartsook Letter", vertritt eine genau gegenteilige Meinung. Er sieht gerade in der sehr starken Verschraenkung, der Integration von Hard- und Software bei Apple ein grosses Plus, das kein anderes Unternehmen in der Branche aufweise. Mit solch einer Strategie koenne Apple sowohl sein Betriebssystem als auch seine Rechner erfolgreich von der Konkurrenz absetzen. Dies sei auch noetig, denn zunehmend betraeten schon heute Apple-Lizenznehmer mit ihren Mac- Clones den Markt.

Eric Lewis von der International Data Corp. (IDC) meint, Apples grosser Vorteil begruende sich zum einen durch die Kontrolle ueber ein Betriebssystem, zum anderen durch die Tatsache, dass das Unternehmen Rechner sowohl fertige als auch vertreibe.

Die Neuorganisation befoerdert Daniel Eilers in eine Position, die Brancheninsider der besonderen Beachtung fuer wert halten. Eilers wird Chef der Marketing and Customer Solutions, in welcher Funktion er auch der Subdivision Claris sowie Apples Online- Geschaeftsbereich Eworld vorsteht.

In der Befoerderung des ehemaligen Proteges von Sculley sehen Insider auch eine spaete Rechtfertigung fuer Eilers Jahre zurueckliegende Forderung, Apple muesse sich dem Markt oeffnen, indem es Lizenzen fuer seine Hard- und Software vergebe. Diery, der vor seinem Eintritt bei Apple Ende 1989 eine elfjaehrige Karriere bei der Wang Laboratories Inc. eher unruehmlich abschloss, galt demgegenueber als harter Isolationist. Der Manager selbst, schreibt das "Wall Street Journal", habe allerdings vor kurzem in einem Interview bestritten, ein Gegner von Lizenzvergaben zu sein.

Das Wirtschaftsblatt zitiert jedoch den Industrieberater Mark MacGillivray mit der Aussage, Diery habe sich urspruenglich gegen das Konzept der Lizenzvergabe gewandt.