Markt oder Mythos Systemintegration in der BRD

15.12.1989

Wilfried Köhler-Frost, Köhler-Frost & Partner Consultants

Mit den großen Regierungsaufträgen in den Vereinigten Staaten, insbesondere mit den Auftragen des Verteidigungsministeriums, hat es eigentlich begonnen. Vor allem hinter den Auf trägen des Verteidigungsministeriums stand das schier unlösbare Problem, von Hause aus inkompatible Hardware- und Software-Landschaften zu zielorientierten Informationssystem zu integrierten.

Bei den großen japanischen Unternehmen hingegen, die etwa gleichzeitig in die Systemintegration einstiegen, war es noch das durch das MITI geförderte globale Wettbewerbsstreben und sozusagen eine

vorweggenommene Porter-Aktivität mit dem zielorientierten Einsatz von strategischen beziehungsweise integrierten Systemen, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Westdeutsche Behörden sind dazu übergegangen integrierte Systeme in Zusammenarbeit mit Consultants konzipieren und implementieren zu lassen.

IDC-UK definiert Systemintegration als "eine Dienstleistung der ein Consultant eine informationstechnische Lösung anbietet, die im Regelfall aus einer Kombination von Beratung, Zurverfügungstellung von Hardware, Software und Telekommunikation und der entsprechenden Anpassung besteht.

Der Systemintegrator übernimmt die volle finanzielle Verantwortung und trägt die Risiken für das jeweilige Projekt, angefangen von der Planungsphase bis zur Wartung. Teile des Projektes können von Subunternehmen übernommen werden. Generalunternehmer und einziger Ansprechpartner für den Kunden ist jedoch der Systemintegrator."

Internationale Marktforscher errechnen für die USA und Japan jährliche Wachstumsraten von 30 bis 40 Prozent.

Bundesdeutsche Führungskräfte in den Unternehmen sind sich je nach Verantwortungsebene und Problemeinsicht nicht sicher, ob Systemintegration ein neuer Markt oder ein Mythos ist. Haben bundesdeutsche Unternehmen, auch unter der Perspektive Europa 1992, die besondere Aufgabenstellung der Globalisierung der Markte noch nicht erkannt. Informationsverarbeitung und insbesondere integrierte Systeme als Strategie zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen einzusetzen?

Das Problem der nicht integrierten, nicht kompatiblen Informationssysteme steht in jedem Unternehmen an. Dies ist vielen Führungskräften bekannt.

Ganz davon abgesehen, daß die Informationsverarbeitungs Abteilungen in den bundesdeutschen Unternehmen häufig in der Struktur nicht effizient eingeordnet sind, so daß sie nicht unmittelbar strategischen Zielen nutzbar gemacht werden können sind die Abteilungen im Regelfall aus ganz anderen Gründen nicht in der Lage, strategisch angelegte integrierte Systeme zu konzipieren, geschweige denn zu realisieren. Man muß ganz klar sehen, daß diese Abteilungen im Regelfall mit der Wartung der existierenden operativen Systeme ziemlich ausgelastet sind: Man spricht von Wartungskoeffizienten zwischen 80 und 90 Prozent. Dies ist die eine Sache.

Die andere ist, daß der technologische Wandel, die ständige horizontale und vertikale Veränderung des Angebotes, die Informationsmanager vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. Die zunehmende Inkompatibilität der Komponenten vergrößert das Problem.

Weil dies weltweit so ist, hat sich insbesondere für den Markt der integrierten Systeme eine hochqualifizierte Anbieterschaft, nämlich die Consultants, herausgebildet. Dies sind nicht mehr Unternehmensberatungen oder Softwarehäuser ins konventionellen Sinne. Vielmehr sind es im Regelfall internationale finanzstarke Unternehmen, die ihre weltweiten Erfahrungen in die Projekte miteinbringen.

Die Unternehmen und die Führungskräfte sind gefordert, die strategische Dimension der Informationsverarbeitung im Wettbewerbsumfeld zu erkennen, um integrierte Lösungen formulieren zu können.

In den USA haben die Anwender vier K.O.-Kriterien für die Consultantauswahl gemacht:

- gute, einschlägige, jedoch internationale Referenzen,

- nachgewiesene Kompetenz in der Führung großer Projekte,

- finanzielle Stabilität,

- tiefgehende funktionale und informationstechnische Erfahrung.

Derzeit lassen sich diese Partner in Deutschland noch an einer Hand abzählen.