Gute Produkte verwelken oft als Mauerblümchen:

Marketingschwäche mindert Absatzerfolg

17.08.1984

MÜNCHEN (hh) - Der Markt für kommerzielle Software im Mikrocomputerbereich wird von Tag zu Tag härter. Die Kosten zur Plazierung eines neuen Softwareproduktes steigen kontinuierlich, gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb. Dennoch bietet dieses Marktsegment weiterhin Raum für neue Produkte und Unternehmen. Kennzeichen für diesen Marktbereich ist ein stetiges, schnelles Wachstum - eine Sättigung ist nicht in Sicht. Chris Yalonis vom Markfforschungsunternehmen Creative Strategie International (CSI) aus dem kalifornischen San José meint zur derzeitigen Situation, daß man sogar Fehler machen und Marktsegmente verlieren könne - und dennoch mit wachsenden Umsatzzahlen rechnen dürfe.

In der gesamten Mikro-Software-Arena rechnen die Experten mit großen Zuwachsraten. So prognostiziert die CSI ein Durchschnittswachstum von 59 Prozent jährlich. Gar 61 Prozent werden für den Teilbereich der Small-Business-Anwendungen prognostiziert.

Als Grund für die positive Einschätzung der Situation auch für Newcomer sehen die Experten das Fehlen einer dominierenden Marktmacht an - so, wie sie beispielsweise IBM im Hardwarebereich innehat.

Hier zeigt sich der größte Unterschied zwischen Hard- und Software im Mikrocomputer-Markt. Während auf der Hardwareseite jeder Mitbewerber gegen die übermächtige IBM antritt, profitieren die Softwerker gar von der Präsenz "Big Blues" .

Charakteristisch für die Software-Szene ist das Auftreten mehrerer, relativ gleich großer Weichware-Hersteller, die sich allerdings nach Beobachtermeinung dicht auf den Fersen sind. Chancen für Newcomer ergäben sich dadurch, daß sich ein gutes Paket relativ schnell im Markt durchsetzen könne und dem herstellenden Unternehmen zu großer Popularität verhelfe.

Darüber hinaus sind die Produktionskosten sehr viel geringer anzusetzen als im Hardwarebereich. Die Kosten für eine Kopie sind gering - dementsprechend können auch die Entwicklungskosten bei großen Quantitäten besser umgelegt werden und für eine ausreichende Gewinnspanne sorgen. Ein großer Einschnitt allerdings zeigt sich nach Meinung amerikanischer Beobachter im Vorfeld der Vermarktung: Noch vor einigen Jahren reichte eine gute Idee und der Besitz eines leistungsfähigen Mikros, um ein Produkt zu entwickeln und ohne großen Aufwand am Markt plazieren zu können.

Vorleistungskosten steigen rapide

Experten gehen mittlerweile davon aus, daß schon 1982 die Vorleistungskosten die Millionen-Dollar-Grenze überschritten. Heute rechnet man im amerikanischen Markt mit Vorleistungen von bis zu drei Millionen Dollar.

Ein immer größer werdender Anteil dieser Ausgaben fließt dabei in die Werbung: Abhängig vom Produkt schwanken die Ausgaben für diesen Sektor bereits zwischen 100 000 und 500 000 Dollar. Aus diesem Grunde ergeben sich auch bei hochprofitablen Produkten Cash-Flow-Probleme, da die Unternehmen häufig nicht in der Lage sind, die erforderlichen Summen aufzubringen. Bleiben nur drei Möglichkeiten offen: die Aufnahme von Venture-Kapital, für bereits etablierte Unternehmen der Gang an die Börse oder - der Verkauf des Unternehmens. Gerade in den letzten Jahren ist ein sehr hoher Anteil des Venture-Kapitals in den Mikrocomputerbereich geflossen.

US-Makler allerdings verzeichnen auch hier einen Wandel. So meinte Alfred Berkeley von Alex Brown and Sons, daß jemand, der um eine Kapitalspritze von 200 000 Dollar bittet, wohl nicht wisse, was am Markt derzeit vor sich gehe. Neben dem starken Ansteigen der Venture-Kapitalsgeschäfte läßt sich in den Vereinigten Staaten ein Run auf die Börse verzeichnen. Marktexperten allerdings sehen den Weg zur Börse mit gemischten Gefühlen.

Sie befürchten eine Überziehung der Möglichkeiten und erwarten deshalb nur kurzfristige Möglichkeiten einer Aktienplazierung. Zunehmend werden Softwareunternehmen auch aufgekauft. Hierin liegen sowohl Vorteile für das Unternehmen als auch Nachteile. Auf der einen Seite wirkt sich der Zufluß von Kapital günstig auf Marketing und Produktentwicklung aus, werden überdies die Vertriebskanäle besser zugänglich und lassen sich neue Modelle schneller in vorhandene Produktfamilien einbinden. Auf der anderen Seite besteht aber die Gefahr, daß selbständiges Handeln eingeschränkt wird und die Unternehmensgründer ausscheiden. Jointventures bieten sich an, wenn beide Unternehmen ähnliche Ziele verfolgen.

Die Finanzierung junger Softwareunternehmen über Banken scheint in den USA die gleichen Probleme hervorzurufen wie in der Bundesrepublik. Nach Meinung von Alfred Berkeley können auch jenseits des großen Teiches die meisten Geschäftsbanken die Situation auf dem Softwaremarkt oder die Chancen eines Produktes nicht richtig einschätzen.

Neben der Kapitalfrage sind ferner strategische Überlegungen von ausschlaggebender Bedeutung für eine erfolgreiche Produktplazierung. Hier fordern Marktstrategen zu noch mehr Sorgfalt auf.

Berücksichtigt werden müssen insbesondere Stärken und Schwächen der Software sowie die Möglichkeit der Plazierung in Marktnischen oder ausländischen Märkten. Insbesondere der Export gewinnt an Bedeutung. So wurden beispielsweise 500 Kopien des Micro-Data-Base-Programmes "KnowledgeMan" nach Finnland verkauft, obwohl Marktbeobachter bezweifeln, daß es bereits so viele IBM-PCs in diesem skandinavischen Staat gibt.

Unerwartete Risiken bergen großvolumige OEM-Verträge. Aus den USA wird berichtet, daß Osbornes Kollaps seinerzeit einige Mikrosoftware-Hersteller ins Trudeln brachte. Die Osborne-Schulden in diesem Bereich sollen sich auf rund 1,5 Millionen Dollar belaufen.

Wohlüberlegt will auch die Wahl der Distributionskanäle sein. Wählt man den Weg über Wiederverkäufer, so ist nicht nur der gute Kontakt zu den Händlern ausschlaggebend für den Erfolg. Großer Wert, so meinen Branchenkenner, soll auf die Möglichkeiten der Kundenunterstützung durch den Fachhändler gelegt werden. Erfahrungen haben gezeigt daß die Anwender lieber zum Telefonhörer greifen, als ihre Manuals zu lesen.

Stolpersteine in diesem Markt der großen Möglichkeiten gibt es allerdings auch im innerbetrieblichen Bereich. Eine undurchsichtige Rabattpolitik beispielsweise hat schon so manche Gewinne vorgegaukelt, die in der Realität nicht vorhanden waren. Dennoch, und da sind sich die Experten einig, gibt es in diesem Markt der Überraschungen noch gute Möglichkeiten, sich auch als Newcomer ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.