Neue Versionen der System-Management-Plattformen

Marketing-Rennen zwischen CA und Tivoli

29.05.1998

Die beiden Hauptkontrahenten im System-Management-Markt ähneln sich trotz unterschiedlicher Techniken mehr, als ihnen lieb sein dürfte. So buhlen beide derzeit heftig um die Gunst der NT-Anwender, insbesondere der künftigen Windows-NT-5.0-Nutzer. Einen vielbeachteten Werbeauftritt konnte CA landen, als Bill Gates auf der CA-World Ende April die Integration des "Real Word Interface" von Unicenter TNG in Windows NT 5.0 verkündete.

Dieses Abkommen zwischen CA und Microsoft hat zwar hohe Wellen geschlagen (siehe CW 19/98, Seite1), ist für den Anwender allerdings lediglich als Schnupperangebot zu verstehen. Mit der hübsch anzuschauenden grafischen Oberfläche kann er zunächst einmal nichts anfangen, denn sie ist lediglich die Konsolen-Komponente des Unicenter-Pakets. Sie hängt üblicherweise an einem Management-Server, von dem sie die Daten über die zu verwaltende und darzustellende Infrastruktur bezieht. Überdies sollte der mit Real-World-Interface bestückte NT-Server über eine leistungsfähige 3D-Grafikkarte mit - so die Erfahrung einiger Anwender - mindestens 32 MB Bildspeicher verfügen. Nur in dieser Kombination kann der Anwender durch die virtuelle dreidimensionale Netzumgebung surfen.

Ein in NT 5.0 integrierter Event-Manager arbeitet zudem mit einer Schnittstelle der von Microsoft forcierten Technologie "Web-based Enterprise Management" (WBEM). Er kann zwar SNMP-Ereignisse empfangen, jedoch nicht darauf reagieren, da in der abgespeckten Unicenter-Version entsprechende auf das Simple Network Management Protocol abgestellte Funktionen fehlen.

CA verfolgt mit diesem Bundling-Abkommen den seit der CA-World 1997 eingeschlagenen Weg. Damals begann der Softwarekonzern damit, aufgrund diverser Abkommen mit Hardwareherstellern sein Unicenter-Framework auf Servern kostenlos zu installieren. Mit jedem verkauften Rechner konnte CA dadurch den Kunden sein Framework präsentieren. Insgesamt wurde das Produkt somit 3,6 Millionen Mal ausgeliefert.

Immer handelt es sich lediglich um ein Schnupperangebot, denn das vorinstallierte Framework erlaubt nur Grundfunktionen wie Softwaredistribution und Monitoring. Die Einführung einer System-Management-Umgebung, die immer auch ein organisatorisches Mammutprojekt ist, weil Zuständigkeiten und Zugriffsrechte etc. definiert werden müssen, ist mit der Framework-Installation auf Servern keineswegs gelöst. Allerdings verschaffte sich CA mit dieser Marketing-Strategie eine enorme Marktpräsenz.

Trotz der mächtigen IBM im Rücken nehmen sich die Klimmzüge von Tivoli dagegen bescheiden aus. Zwar hat auch die Big-Blue-Tochter ein NT-5.0-Abkommen vorzuweisen, wenn auch nicht Bill Gates persönlich dafür warb.

Mit jeder ausgelieferten NT-5.0-Ausführung erhalten die Anwender einen integrierten Tivoli-Agenten. Dieses kleine Programm ist zwar nicht auf dem Bildschirm zu sehen. Im Hintergrund sammelt es jedoch Daten über den NT-Rechner oder stößt von einer Management-Konsole initiierte Prozesse an, etwa zur Softwaredistribution.

Während CA also ein Stück der Management-Server-Komponente in NT integriert, ist es bei Tivoli die Client-Seite des Management-Produkts. Die Verwaltung einer NT-Umgebung ist jedoch weder bei der CA- noch bei der Tivoli-Variante möglich, ohne daß die Anwender einen Management-Server zukaufen. Daran wollen beide Unternehmen ihr Geld verdienen, und das haben die Kontrahenten im vergangenen Jahr auch erfolgreich gemacht. Beide erzielten eigenen Angaben zufolge mit dem System-Management Umsätze von rund einer Milliarde Dollar.

Nahezu im Gleichschritt bewegen sich beide Konkurrenten auch auf die nächste Generation ihrer Produkte zu. CA wie auch Tivoli bereiten sich intensiv auf einen großen Release-Wechsel ihrer Plattformen vor, wobei die IBM-Tochter diesmal die Nase vorne zu haben scheint.

Unter dem Codenamen Tsunami nimmt Tivoli eigenen Angaben zufolge ein grundlegendes Re-Engineering ihrer TME-10-Plattform vor, die mit Fertigstellung "noch umfassender sein und den letzten Schritt der Integration von IBMs und Tivolis System-Management-Lösungen darstellen soll", so John Thompson, Senior Vice-President der IBM Software Group. Noch in diesem Jahr, das zumindest sieht der Zeitplan vor, wird Tsunami oder "Tivoli Management Software (TMS) 3.6" - so der offizielle Name - auf den Markt kommen.

Das Framework selbst soll in der kommenden Version nicht mehr so schwergewichtig wie die aktuelle Ausführung sein, außerdem strebt Tivoli eine bessere Integration von Management-Applikationen der Dritthersteller an. Die Unterstützung der Drittprodukte wird wie bei der angekündigten NT-Integration über Agenten realisiert, die nach Aussagen Tivolis relativ schnell zu implementieren sind.

TME 10 künftig auch mit 3D-Interface?

Ob TMS 3.6 wie die aktuelle Unicenter-Ausführung ein 3D-Interface bekommen wird, ist noch offen. Ingenieure des IBM-Labors in Almaden, Kalifornien, arbeiten derzeit gemeinsam mit Tivoli-Experten im Rahmen eines Joint-ventures an einer solchen Oberfläche, die an einer Konsole die dreidimensionale Visualisierung der Infrastruktur erlauben soll.

Derartige Features hat Unicenter bekanntlich schon, die Funktionalität soll künftig aber noch verfeinert werden. Unicenter TND wird Ende 1999 auf den Markt kommen. Die nächste Plattformversion wird laut Hersteller bei der dreidimensionalen Darstellung Grafikkarten nicht mehr in dem Maße beanspruchen, wie es die bisherige Ausführung tut. Außerdem strebt der Hersteller eine umfangreichere Unterstützung von Betriebssystemen und Hardware sowie eine tiefere Integration von Applikationen wie SAP R/3, Microsoft Exchange oder Lotus Notes an.

Last, but not least stattet CA Unicenter mit künstlicher Intelligenz aus. Diese Technologie werden vornehmlich Agenten nutzen, die Software, Hardware, Datenbanken oder das Betriebssystem beobachten. Im CA-Jargon heißen diese intelligenten Helfer "Neugents". Sie merken sich etwa zurückliegende Ergeignisse und leiten daraus Verhaltensmuster ab, auf die sie dann selbsttätig reagieren. Die Neugents sind bereits fertiggestellt und lassen sich optional und gegen Aufpreis mit der aktuellen Unicenter-Version 2.2 beziehen.

Schließlich haben CA wie Tivoli ein neues Marktsegment für ihre Management-Lösungen entdeckt. Beide haben bislang ausschließlich Großanwender mit üppigem IT-Budget adressiert. Nun wollen sie jeweils auch in den Markt für kleine und mittlere Unternehmen. Tivoli tut dies mit dem Produkt "IT Director" (siehe CW 18/98, Seite 14). Das Management-Paket enthält statt eines Frameworks eine Sammlung von Verwaltungs-Tools mit vorkonfigurierten Einstellungen.

CA bündelt seinerseits Management-Werkzeuge zu einer "Enterprise Edition" und einer "Workgroup Edition". Erstere enthält etwa Funktionen für das Inventory, Netzwerk-, Verzeichnis-, Fax- und Storage-Management sowie Softwaredistribution und Helpdesk. Der Workgroup-Edition fehlen einige dieser Werkzeuge, statt dessen kommt sie mit Verschlüsselungs- und Kompressionssoftware auf den Markt. CA und Tivoli wollen mit ihren kleinen Lösungen aber auch neue Vertriebswege erschließen. Die schlanken und funktional eingeschränkten Management-Lösungen sollen über Wiederverkäufer an den Mann gebracht werden.