SAS-Anwender zeigen Datenbanklösungen für die Suche nach rentablen Kunden

Marketing in der Wirtschaftskrise

29.11.2002
MANNHEIM (qua) - Wie intelligente Datenauswertung helfen kann, die wirtschaftliche Flaute zu überstehen, war eines der Hauptthemen auf der diesjährigen "Disk". Die deutschen Anwenderunternehmen des Business-Intelligence-Spezialisten SAS Institute stellten im Mannheimer "Rosengarten" eine Reihe pfiffiger Lösungen vor.

Erstmals hatte SAS das bereits zum 20. Mal anberaumte Anwendertreffen zweigeteilt: in die traditionelle "Disk" und das Business Intelligence Strategie Symposium ("Biss"). Worin der Unterschied bestand, ließ sich nicht ohne weiteres bestimmen; auch in den "Disk"-Vorträgen kam der strategische Aspekt nicht zu kurz. In dieser Hinsicht interessierten einmal mehr die Vorträge zum Thema Vertriebssteuerung und Customer-Relationship-Management, beispielsweise von Karstadt, Diba und der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Vergebliche Liebesmüh erkannt

Letztere hat herausgefunden, wie sie sich den vergeblichen Versuch ersparen kann, ausgemachte Internet-Muffel zur Online-Abwicklung ihrer Bankgeschäfte zu überreden. Mit Hilfe des SAS-Werkzeugs "Enterprise Miner" scheidet sie diese Spreu vom Weizen der "Online-Banking-affinen" Privatkunden, so erläuterte die für das strategische Plattform-Management zuständige LBBW-Managerin Elke Kasper. Auf der Grundlage vorhandener Informationen über den Internet-aktiven Teil der LBBW-Klientel erstellen die Datenbankexperten der Filialbank auf dem Weg über Entscheidungsbäume und Regressionsanalysen eine Scoring-Tabelle, die bestimmte Kundenmerkmale einem Wahrscheinlichkeitswert zuordnet.

Welche Daten herangezogen und wie sie gewichtet wurden, behielt Kasper für sich. Lieber sprach sie über den Erfolg der Arbeit: Mit Hilfe des Data-Mining-Projekts seien 90000 Kunden herausgefiltert worden, die die Vorteile des Online-Banking mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schätzen wissen - und damit die Rentabilität des LBBW-Geschäfts steigern könnten. Demzufolge lasse sich die Anzahl der Online-Kunden um 30 Prozent erhöhen. Im Umkehrschluss habe sich herausgestellt, dass rund 670000 Kunden den Verlockungen des Internet-Banking eher reserviert gegenüber stehen. Sie gezielt anzusprechen ist deshalb eine teure und vergebliche Liebesmüh.

Wie die Allgemeine Deutsche Direktbank AG (Diba) den "Kundenwert" steigert, beschrieb Mark Papenberg. Der junge Diba-Manager hat quasi im Alleingang ein System zur Kundensegmentierung und -wertberechnung für den Finanzdienstleister entwickelt. Auslöser für das Projekt sei die erfolgreiche "Extra-Konto-Kampagne" gewesen, die der Diba von 2001 bis 2002 mehr als eine Million neuer Kunden eingebracht habe. Aus dieser Masse will die in Frankfurt am Main ansässige Bank die "richtigen", sprich: einträglichen, Kunden herausfiltern.

Dazu fließen die im operativen Banksystem "Kordoba" aufgelaufenen Stamm- und Transaktionsdaten in ein Marketing-Data-Warehouse, das auf der Version 8.2 des SAS-Systems basiert. Dort werden sie so lange abgeglichen, aggregiert und diversen Berechnungen unterworfen, bis sich der aktuelle "Wert" und das künftige "Potenzial" des jeweiligen Kunden beziffern lassen. In eine Matrix übertragen, bestimmen diese beiden Kennzahlen die Zugehörigkeit zu einem der vier Kundensegmente: Standard (wenig Wert und Potenzial), Individual (hoher Wert bei geringem Potenzial), Wachstum (derzeit nicht sehr profitabel, aber ausbaufähig) und Premium. Die Kunden im letztgenannten Segment sind per definitionem besonders lohnende Ansprechpartner für Cross-Selling-Angebote und erhalten deshalb hohe Priorität hinsichtlich des Call-Center-Routing, des Beschwerde-Managements und der Weiterleitung zu Beratern.

Laut Papenberg verkörperte dieses Projekt einen der heute viel zitierten "Quick Wins": Überschaubaren Kosten von einem Mannjahr plus SAS-Lizenzen im unteren fünfstelligen Euro-Bereich stünden deutliche Vorteile gegenüber, deren Auswirkungen sich zwar nicht beziffern, gleichwohl aber spüren ließen.

Tausche Rabatt gegen Informationen

Das Topmanagement der Bank ist offenbar ebenfalls von der wettbewerbsentscheidenden Bedeutung des neuen Instruments überzeugt. Wie Papenberg stolz berichtet, wird die Diba im kommenden Jahr eine 20-köpfige Database-Management-Gruppe direkt unterhalb der Vorstandebene installieren - unabhängig von der Informationstechnik.

Nicht nur die Banken, sondern auch die Handelshäuser machen sich Gedanken darüber, wie sie einen noch größeren Anteil von den Gehältern ihrer Kunden in die eigenen Kassen lenken können. Warum es sich beispielsweise für die Karstadt AG lohnt, fünf Millionen Inhabern von "Happy-Digits"-Karten einen Rabatt von einem Prozent einzuräumen, verdeutlichte der Marketing-Automation-Spezialist Nico Geissbauer. Gemeinsam mit dem konzerneigenen IT-Dienstleister Itellium und der Information Works GmbH, Köln, hat das Essener Handelsimperium eine weit gespannte Analyseplattform aufgebaut. Sie umfasst Datamining, Ad-hoc-Analysen und Kampagnen-Management. Dafür bedient sie sich dreier SAS-Werkzeuge: Neben dem Enterprise Miner sind das der "Enterprise Guide" und das Kampagnen-Management-Tool "CM". Zur Auswertung ziehen diese Tools jene Daten heran, die die treuen Karstadt-Kunden bei der Benutzung ihrer Karte am Point of Sale hinterlassen.

Wie solche Beispiele belegen, verfolgen viele Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ehrgeizige Projekte. Allerdings fragen sie heute wesentlich harnäckiger nach dem Beitrag zum Unternehmenswert und den dafür aufzuwendenden Kosten. So betreibt zwar die Dresdner Bank bereits seit acht Jahren ein Kampagnen-Management, aber Echtzeittransparenz über alle Kanäle und automatisierte Abläufe sind dort noch Zukunftsmusik - "aus Kostengründen", wie Joachim Stolle, Leiter des Bereichs Database Marketing, freimütig einräumt: "Eine solche Infrastruktur wird teuer, und das Geld muss erst einmal verdient werden."

Value added Customer

Wie bringe ich den kaufkräftigen Teil meiner Klientel dazu, sein Geld bei mir auszugeben statt bei der Konkurrenz? Das ist in Zeiten schrumpfender Realeinkommen eine Frage, die viele Unternehmen beschäftigt. Die deutschsprachige Anwenderkonferenz des Business-Intelligence-Experten SAS Institute zeigte Lösungen auf: So berichteten

- die LBBW, wie sie die Kunden identifiziert, bei denen sie mit ihrem Online-Banking-Angebot am ehesten auf offene Ohren stößt,

- die Diba AG, wie sie ihre Serviceaktivitäten der Einträglichkeit des jeweiligen Kunden anpasst, und

- der Handelskonzern Karstadt, wie er die "Happy-Digits"-Karte zur Informationsgewinnung einsetzt.