MAP-Standard für die Programmierung von Anwendungen Bei MMS-Produkten ist allmählich Land in Sicht

07.04.1989

Mit der Verabschiedung der Manufacturing Message Specification (MMS) ist MAP auf der Dienste-Ebene ISO/OSI-hoffähig geworden. Passende Produkte werden nach Ansicht von Oskar Henn, Leiter Projektvertrieb MAP/TOP/OSI bei der Telemation GmbH, Unterschleißheim, bald folgen. Die Anwender können innerhalb der nächsten Monate auf dem Markt fündig werden.

Um den Zusammenhang zwischen ISO/OSI und MAP/TOP zu erläutern, ist es zunächst hilfreich, den prinzipiellen Ablauf der ISO-Normung zu kennen: das allem zugrundeliegende Architekturmodell Open Systems Interconnection (OSI) mit sieben Ebenen. (ISO 7494). Pro Schicht werden dann wiederum Normen weiter detailliert, so zum Beispiel ISO 8072 für die besser unter der IEEE-Bezeichnung 802.3/4/5 bekannte Ebene 2.

Diese Festlegung enthält bewußt noch eine Vielzahl von Optionen und Parametern und ist deshalb nicht ausreichend "vollständig" für eine Implementierung. Diese notwendige weitere Detaillierung und verbindliche Spezifizierung geschieht in Form sogenannter "Profiles", die dann zusammen mit dem Basis-Standard den "Funktionalen Standard" ergeben. Diese werden zur Zeit noch durch getrennte Gremien in den USA (NBS) und Europa (CEN, Cenelec und CEPT) verbindlich festgeschrieben. Es sind aber derzeit weltweit starke Harmonisierungsbestrebungen im Gange.

Schließlich gibt es auch noch sogenannte "Implementors Workshops", bei denen eventuell noch vorhandene Unschärfen und Spezifikationsmängel geklärt und als Implementierungsdetails verbindlich festgeschrieben werden. Solche Mängel sind für ein so umfangreiches und komplexes Vorhaben normal und werden bei der Implementierung oder bei den Conformance- und Interoperabilitätstests aufgedeckt.

MAP/TOP-Einstufung als funktionaler Standard

In Sinne obiger Begriffe ist MAP/ TOP ein "funktionaler Standard", basierend auf den ISO-Normen der einzelnen Ebenen und ergänzt durch "Profiles". Diese Profile wurden jedoch durch Anwendergruppen erarbeitet und als Spezifikationen festgeschrieben. Bei MAP geschah dies unter Federführung von General Motors, bei TOP unter der von Boeing. Die resultierende Spezifikation MAP/TOP 3.0 wird von entsprechenden Gruppen erstellt und verwaltet. Als sehr wichtiger Schritt für die Umsetzung in die Praxis wurde die MAP/TOP-Spezifikation 3.0 außerdem für sechs Jahre eingefroren.

In der Praxis heißt dies, daß nur kompatible Ergänzungen, aber keinerlei Änderungen erfolgen dürfen. Konsequenz: Es gibt bereits heute einen kompletten Satz von funktionalen Standards einschließlich der Ebene-7-Anwendungsschicht für die Bereiche der Fabrikautomatisierung und des technischen Büros, auf dessen Basis Produkte realisiert wurden und werden.

Selbstverständlich ist dieser funktionale Standard nicht zwangsläufig interoperabel mit einem anderen, trotz Verwendung der gleichen ISO-Basisstandards. Doch gibt es verschiedene technische Möglichkeiten, hier Lösungen zu finden, zum Beispiel die parallele Unterstützung mehrerer funktionaler Standards durch eine Implementierung bis hin zum automatischen "Aushandeln" des aktuell für die folgende Verbindung richtigen funktionalen Standards beim Aufbau einer Verbindung.

MMS nun steht für "Manufacturing Message Specification", ist der zentrale Dienst von MAP 3.0 und gibt den Standard für die Programmierung von Anwendungen in der Fabrikautomatisierung. Hinter dem Namen verbirgt sich die unglaubliche Vereinfachung der Implementierung komplexen CIM-Integrationsprojekte, da alle in der Praxis vorkommenden Meldungsformate und Abläufe von Fachleuten spezifiziert und als Standard-Software realisiert wurden. Der bisherige Weg war die projektweise Realisierung dieser Meldungen und Abläufe mit hohem anteiligen Aufwand bei den Projektkosten - von den Problemen mit schlecht realisierter systemnaher Software in der Integrationsphase gar nicht zu sprechen.

Mit der Spezifikation von MMS wurde eines der zentralen Probleme der Fabrikautomatisierung angegangen und nach Meinung der Fachleute optimal gelöst: die Kommunikation zwischen der Welt der Fabrikautomatisierungsgeräte und der Welt der Rechner mit CAD-, PPS-, CAM- oder anderen Anwendungen.

Dazu gehört eine umfangreiche Liste von Services (87), die für den Zugriff auf die MMS-Objekte als "Schnittstellen-Software" zur Verfügung stehen (siehe auch Abbildung). Diese "Objekte" und der Zugriff auf sie über ein "Application Programmer Interface" (API) sind der Schlüssel für die hohe Funktionalität von MMS. Es wird weitaus mehr unterstützt als die bei bisherigen Netzwerk-Produkten bekannten Files und unstrukturierten Datensätze, denn es gibt:

- Variable; das sind Speicherbereiche in anderen Rechnern, auf die kontrolliert und mit vielen Typisierungsmöglichkeiten lesend oder schreibend zugegriffen wird. Der Kommunikationskomfort entspricht dem beim lokalen Zugriff auf Variable aus Hochsprachen wie zum Beispiel C oder Pascal. Damit sind enorme Verbesserungen in der Programmierung verteilter Anwendungen zu erwarten.

- Events; sie erlauben das Auslösen einer ganzen Kette von Aktivitäten bei Auftreten eines bestimmten vordefinierten Ereignisses in der Peripherie, im Netz oder im lokalen System. Damit kann ereignisabhängige Kommunikation statt des zyklischen Lesens auf Änderungen in Mailbox-Files erfolgen und vieles andere mehr realisiert werden.

- Semaphore; sie schließlich dienen dazu, daß netzwerkweit von mehreren Rechnern die Kontrolle über bestimmte Betriebsmittel erfolgen kann.

- Journale; sie erlauben die zyklische Erfassung von Meßwerten oder anderen Peripherie-Eingangswerten mit minimalem Programmieraufwand.

Aus praktischer Sicht kommen weitere Gründe dazu, daß MMS halten wird, was es verspricht. Dazu gehört zunächst die konsequente Festlegung von Mechanismen, die die praktische Umsetzung wiederum in beiden Welten erleichtern. Bei den Fabrikautomatisierungsgeräten und Steuerungen ist dies der Fall durch die Definition eines VMD "Applikation Programmers Interface", welches die Details des Systems und des Betriebssystems für den Anwendungsprogrammierer vollständig verbirgt. Dies resultiert in einheitlicher Behandlung der Fabrikautomatisierungsgeräte der unterschiedlichsten Hersteller und in vollständiger Portierbarkeit von rechnerseitigen MMS-Anwendungen.

Weitere Pluspunkte

Als weitere Punkte, die sich positiv auswirken, sind zu nennen:

- Der umfangreiche Satz von 87 Services gibt die zukunftssichere Basis; aber durch sogenannte Conformanceklassen sind kleinere, praxisgerechte Subsets festgelegt, um die Produkterstellung zu erleichtern.

- Das klare Schichtenmodell mit Schnittstellen und die Fortschritte der Hard- und Softwaretechnologie erlauben relativ schnell die Erstellung von robusten und flexiblen integrierbaren Produkten. Nicht jeder muß alles anbieten.

- MMS-basierende Anwendungspakete können mit eigenen programmierten Anwendungen kombiniert werden. Erste Produkte sind bereits verfügbar.

Durch die Verabschiedung als ISOIS (International Standard) Ende Oktober 1988 ist die Implementierung durch alle Hersteller jetzt möglich.

Auf der Basis des vor einem Jahr verabschiedeten DIS (Draft International Standard) gibt es bereits heute MMS-Produkte, die aufgrund der geringfügigen Änderungen von DIS nach IS eine sehr gute Basis für den Know-how-Erwerb und Pilotprojekte darstellen.

Dabei ist die schnelle Verfügbarkeit nicht zuletzt vom klaren - Kommitment der Anwender abhängig. Nur bei genügender Nachfrage sehen die Hersteller ihre Investitionen sinnvoll eingesetzt.

ISO-Normierung geht schleppend voran

Während MMS der wichtigste Dienst für den Planer und den Programmierer von OSI-Netzwerken und -Anwendungen ist, bedarf es für den Betrieb natürlich dringend leistungsfähiger Unterstützung bei der Konfiguration der vielen Teilsysteme eines größeren Netzwerkes und insbesondere bei der Lokalisierung von Fehlern.

Die ISO-Normung geht hier schleppend voran, doch MAP 3.0 hat hier wiederum eine Vorreiterrolle übernommen und die wichtigsten Teile (Protokolle, ebenenspezifische Fehlerzähler und so weiter) unter Ausrichtung an den ISO-Arbeiten festgelegt. Zweifelsohne sind hier zur Zeit bessere und vor allem besser integrierte Lösungen bei herstellerspezifischen Netzwerken vorhanden doch die Integration des MAP 3.0-NM in die 3.0-Produkte schreitet zügig voran. In Jahresfrist ist mit breit einsetzbaren Lösungen zu rechnen, da alle Beteiligten sich über die Wichtigkeit dieses Aspektes für den MAP-Erfolg im klaren sind. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß herstellerspezifische und MAP-3.0-NM-Protokolle unter Nutzung der bereits vertrauten Benutzerschnittstelle kombiniert werden können. Entsprechende Ankündigungen sind zum Beispiel von IBM, DEC und HP erfolgt.

Die Lektüre amerikanischer Zeitschriften zeigt außerdem starke Aktivitäten, so das "OSI/NM-Forum", eine Vereinigung von inzwischen bereits 29 Firmen mit dem Ziel, die praktischen Probleme in Zusammenarbeit baldmöglichst zu lösen und Produkte noch 1989 anzubieten.

Die großen Vorteile von OSI-basierenden Lösungen für den Anwender haben zu einer unglaublich schnellen Veränderung der Bedeutung dieser Themen für Anwender und Hersteller geführt. Konkret bei MAP 3.0 wird dies in den nächsten 18 Monaten zu Produkten in einer großen Breite führen. Alle bedeutenden Rechnerhersteller haben Produkte angekündigt. Die noch vorhandenen Probleme, allem voran die fehlende Unterstützung von MAP 3.0/MMS/ NM bei den Fabrikautomatisierungsgeräten, können am einfachsten durch deutliches Anwenderverhalten gelöst werden.

Dazu gehören

- Planung der Migration zu OSI,

- Know-how-Erwerb,

- Investitionen in Pilotprojekte und

- Verpflichten der Hersteller zur MAP-3.0-Unterstützung in ihren Produkten.

Für Know-how-Erwerb stehen bereits heute MAP-3.0-Starterkits für PC/AT-Systeme zur Verfügung, die natürlich auch für geeignete Pilotprojekte einsetzbar sind.

Darüber hinaus wurden die Preise sowohl für Starterkits als auch für Interfaces gesenkt. Dies ist sicherlich eine weitere Entscheidungshilfe. Da bereits mit den bisherigen Interface-Kosten bei GM in Multivendorprojekten bei system-/projektbezogener Kostenrechnung deutliche Vorteile erzielt wurden, sollte dem Start mit MAP auch in Deutschland nichts mehr im Wege stehen. Der Anwender kann jetzt eine neue Rolle übernehmen und für Systemhäuser eröffnen sich völlig neue Märkte.

Bei MAP/TOP ist jetzt vor allem der Anwender am Zuge. Anwenderinitiierte Standards müssen von den Anwendern auch entsprechend unterstützt werden. Dies schließt den Einsatz von Vorstandard-Produkten ein. Eine neue "Mündigkeit" des Anwenders wird durch OSI möglich - muß aber auch durch entsprechende Aktivitäten wahrgenommen werden.

Version 3.0 als gute Basis für Arbeit an Companion Standards:

VW freundet sich über MMS langsam mit MAP an

Die Zahl der Anwender, die den Einsatz von MMS-Komponenten erwägt, hält sich noch in Grenzen. Wie andere Standards wird sich auch MMS als neuer MAP-Steigbügel nicht von heute auf morgen durchsetzen. Zu den Anwendern, die sich bereits eine Meinung gebildet haben, gehört die Volkswagen AG aus Wolfsburg. Hier ein Statement dieses Unternehmens:

Die seit Oktober 1988 ISO-normierte "Manufacturing Message Specification" (MMS) beschreibt die siebte Schicht und damit die Anwendungsschnittstelle des MAP-Standards.

Die derzeitigen Implementationen von MMS sind im allgemeinen in höheren Programmiersprachen (vorzugsweise C) vorgenommen worden. MMS-Software wird in Form von portierbaren Quellprogrammen angeboten und kann somit an verschiedene Rechner angepaßt werden. Die Benutzung von MMS-Diensten ist somit nur von Anwenderprogrammen aus möglich, die ebenfalls in einer Hochsprache geschrieben wurden.

Für eine direkte Implementation in speicherprogrammierbaren Steuerungen, NC-Maschinen und Robotern müssen zunächst die entsprechenden Standards erstellt und normiert werden. Diese Normen definieren die für eine Gerätefamilie notwendigen Standardfunktionen für die Kommunikation sowie die Ausführung der definierten Definitionen unter Verwendung von MMS-Diensten. Bis zur Fertigstellung und Implementierung der Companion Standards besteht nur die Möglichkeit, einzelne Geräte über ein eigenes Gateway an ein MAP-Netwerk anzukoppeln. Auf der Systec beispielsweise wurden für diesen Zweck AT-kompatible PCs mit entsprechenden Erweiterungen eingesetzt.

Bei VW befinden sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine MAP-Produkte im produktiven Einsatz. Die Hauptursache dafür liegt darin, daß die bei VW in der Produktion eingesetzten Komponenten bisher nicht MAP-fähig sind oder waren. Bisher mußte auf firmenspezifische Lösungen zurückgegriffen werden. Für zukünftige Projekte bei Volkswagen bietet es sich an, bei den Ausschreibungen grundsätzlich auch ein zu den firmenspezifischen Lösungen alternatives Angebot einer Realisierung mit MAP 3.0 zu fordern. Aufgrund des zu beobachtenden Fortschrittes bei der Standardisierung, der Implementation und des Einsatzes wird auch bei VW angestrebt, MAP einzusetzen. Voraussetzung für den Einsatz ist die Wirtschaftlichkeit sowie die Gewährleistung einer ausreichenden Betriebssicherheit.

Eventuell vorhandene Unverträglichkeiten zwischen bestehenden MAP-Versionen führen bei VW nicht zu Problemen, da MAP bisher nicht eingesetzt wurde. Bei MAP-Installationen werden für VW nur Komponenten mit der MAP-Version 3.0 akzeptiert.

Die Festschreibung der aktuellen MAP-Version für einen Zeitraum von sechs Jahren ist sehr wichtig für die Erarbeitung der Companion Standards, da diese auf den "Manufacturing Message Specification" aufsetzen. Fortlaufende Änderungen an MMS würden ständige Überprüfungen und Änderungen der Service-Verwendung durch die Companion Standards zur Folge haben. Für die Definitionen und Implementationen dieser Companion Standards ist es daher eine feste Grundlage, die durch die angesprochene Festschreibung geschaffen wurde, unverzichtbar.

Weiterhin soll durch diese Maßnahme den Herstellern der Anreiz zur Implementierung gegeben werden. Die hierzu notwendigen Investitionen können sich über einen längeren Zeitraum amortisieren und beinhalten damit ein geringeres Risiko. Durch eine breite Produktpalette, die auf den gleichen Standards für die Kommunikation basiert, wird mit Sicherheit die Akzeptanz bei den Anwendern gefördert. Die daraus resultierenden Absatzmöglichkeiten für größere Stückzahlen können positive Auswirkungen auf die Kosten für den Anwender haben. Die Frage der Sicherheit für den Anwender bezüglich seiner Planungen mit MAP und CIM läßt sich vor diesem Hintergrund positiv beantworten. Fertige Produkte sind zum jetzigen Zeitpunkt nur in geringem Maß vorhanden. Die Erstellung läßt sich jedoch durch entsprechende Forderungen der Anwender beschleunigen.