IT in der Verwaltung/Das virtuelle Rathaus kooperativ realisieren

Mannheim: Online-Services vom Parkausweis bis zum Bürgerkonto

06.10.2000
Seit Anfang des Jahres profitieren die Mannheimer von einem Gemeinschaftsprojekt der Stadt mit SAP: Unter www.mannheim.de/internetrathaus stehen den Einwohnern der barocken Quadratestadt neue elektronische Bürgerservices zur Verfügung. Jürgen Käfer und Jörg Blumental* berichten über einzelne Anwendungen des langfristig angelegten Vorhabens.

Mannheim bietet seit kurzem seinen Bürgern, Besuchern und der Wirtschaft etliche neue Web-basierte Dienstleistungen. Technische Grundlage für diese Services ist die SAP-Internet-Plattform.

Beispielsweise können Anwohnerparkausweise - davon gibt es derzeit jährlich 12000 - online beantragt werden. Außerdem lassen sich von Bauherren und -unternehmen per Internet Genehmigungen nach dem Kenntnisgabeverfahren beziehungsweise zur Durchführung von Straßenaufgrabungen einholen. Ferner wurde das Ausstellen von Anwohnerparkausweisen vereinfacht: Der Bürger tritt als Antragsteller auf, ein Sachbearbeiter des Ordnungsamts als Genehmigender. Ein spezifiziertes Regelwerk erzeugt einen Vergabevorschlag. Das Ergebnis des Antrags wird dem Bürger sofort mitgeteilt, die freigegebene Parkzone anhand eines Ausschnitts aus dem Stadtplan grafisch dargestellt. Zur Entscheidungsfindung nutzt das System Informationen aus dem Einwohnermeldeamt, der Zulassungsbehörde und der Parkausweisdatenbank, die über eine Offline-Schnittstelle übermittelt werden.

An der Genehmigung von Straßenkleinaufgrabungen sind in Mannheim sowohl der Fachbereich Straßenbetrieb und Grünflächen als auch der Bereich Kommunale Ordnung beteiligt. Antragsteller sind in diesem Fall Unternehmen.

Die Erteilung einer "einfachen Baugenehmigung" nach dem Kenntnisgabeverfahren ist ein relativ komplexer Prozess, der sich in sieben Teilprozesse gliedern lässt. In der Regel wirken mindestens vier Personengruppen und mehrere Fachbereiche daran mit. Um die derzeit hohe Fehlerquote bei der Formularerstellung zu senken, wird der Antragsteller Schritt für Schritt durch den Antragsprozess geführt. Komplizierte Fragestellungen werden über Hilfefunktionen und anhand von Beispielen erläutert. Auch die Bearbeiter der Anträge werden diesbezüglich von der Software unterstützt.

Das Online-Angebot der Stadt Mannheim erspart oder vereinfacht den Rathausbesuch oder bereitet Behördengänge vor. Zum anderen können die E-Bürgerservices bei den zuständigen Organisationseinheiten gegenüber der konventionellen Erledigung der entsprechenden Aufgaben eine deutliche Effizienzsteigerung bewirken, soweit sie mit einer Verwaltungs- und Prozessmodernisierung verbunden werden.

Gemeinsam mit SAP entwickelt die Stadt in einer zweiten Projektphase weitere Online-Dienste, die ab dem ersten Quartal 2001 via Internet verfügbar sein sollen. Dazu gehören Sondernutzungsgenehmigungen aus dem Straßenrecht (Absperrungen, Straßenfeste etc.), die Ausstellung polizeilicher Führungszeugnisse sowie Kfz-Zulassungen für Händler.

Bei der Ausstellung von Führungszeugnissen handelt es sich allerdings um einen behördenübergreifenden Prozess. Ein Mitarbeiter erhält einen Antrag und überprüft diesen, bevor dieser von der systeminternen Ablaufsteuerung ("Workflow") an das Bundeszentralregister weitergeleitet wird.

In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsinitiative Connected des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Mannheim und SAP hat das Fraunhofer-Institut eine Studie erstellt, in der 30 Geschäftsprozesse (von insgesamt 180) ermittelt wurden, die sich für eine elektronische Abwicklung eignen. Zu den Auswahlkriterien gehörten rechtliche und technische Aspekte sowie eine Aufwands- und Ertragsanalyse. Unter den 30 Prozessen befinden sich auch diejenigen, die die Stadt Mannheim bereits umgesetzt hat beziehungsweise kurz davor steht, dies zu tun.

Ein Kernanwendungsbereich ist das Einwohnerwesen, um das sich eine Vielzahl von Anwendungen aus verwandten Sachgebieten gruppiert. Eine Ausdehnung der Online-Services auf das Einwohnerwesen wird zum Ende dieses Jahres durch ein neues Gesetz für elektronische Bürgerdienste in Baden-Württemberg möglich.

Ein Hauptziel des Projekts ist eine sichere, datenschutzrechtlich unbedenkliche Handhabung der Online-Dienste. Missbrauch soll ausgeschlossen werden, ohne die Akzeptanz des Serviceangebots bei Bürgern und Wirtschaft zu gefährden. Den verwaltungstechnischen Durchbruch erwartet man von der jetzt anstehenden Verabschiedung des neuen Signaturgesetzes.

In der Kommunalverwaltung existieren 3500 Gesetze, die mit Blick auf die digitale Signatur anzupassen sind, etwa weil sie bisher ein persönliches Erscheinen oder die Vorlage eines Personalausweises vorschreiben. Die digitale Unterschrift kann künftig in vielen Fällen den Personalausweis ersetzen. Möchte ein Mannheimer Bürger derzeit die Online-Dienste nutzen, erfolgt eine einmalige Registrierung und Identitätsprüfung. Hierfür beauftragt der Bürger mittels Internet die Stadtverwaltung und erhält auf dem Postweg eine Benutzerkennung mit Passwort zugestellt.

Jenseits dieser Anwendungsbeispiele soll es künftig darum gehen, Prozesse zu entwickeln, die das Internet und die elektronischen Bürgerdienste direkt an die Abläufe der Verwaltung koppeln. So entwickelt SAP derzeit eine Software zur Erstellung elektronischer Akten und zur automatischen Vernetzung von Verwaltungsabläufen per Workflow. Dadurch sollen integrierte Prozesse entstehen - vom Bildschirmformular über die behördliche Bearbeitung bis zur automatisierten Entrichtung von Gebühren für kommunale Dienstleistungen einschließlich Verbuchung im städtischen Rechnungswesen. In diesem Szenario verfügt jeder registrierte Bürger über ein "Bürgerkonto", über das der Zahlungsverkehr abgewickelt und eingesehen werden kann.

Marktplatz für Dienste, Händler und HerstellerDie Stadt Mannheim hat darüber hinaus als eine der ersten Städte überhaupt neben ihren Internet-Seiten einen virtuellen Marktplatz eingerichtet, auf dem sich Händler, Dienstleister und Hersteller derzeit kostenlos präsentieren können (siehe Seite 86). Alle Anbieter haben ihre "elektronischen Filialen" selbst eingerichtet und locken mit speziellen Angeboten. Im nächsten Jahr ist eine Zusammenführung von privatwirtschaftlichen und kommunalen Angeboten auf einem Portal geplant. Dann werden etwa Vereine unter der Option "Fest veranstalten" bei der Stadtverwaltung die Sondernutzung einer Straße beantragen und sich bei Brauereien um die Bestuhlung und bei speziellen Partyservices um das leibliche Wohl ihrer Gäste sorgen können.

*Jürgen Käfer ist Leiter der Abteilung Informationsverarbeitung und Jörg Blumenthal Leiter des Amtes für Rats- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Mannheim.

Die Stadt MannheimMannheim, mit rund 320000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs, ist das Zentrum des Wirtschaftsraums Rhein-Neckar-Dreieck. Als eine der ersten deutschen Kommunen informiert die Stadt ihre Bürger bereits seit 1994 via Internet über Kultur, Sport, Wirtschaft, Politik und das öffentliche Leben (www.mannheim.de). Ihre Vorreiterrolle in puncto elektronische Bürgerdienste wurde in mehreren bundesweiten Vergleichstests bestätigt.

SW und HWSoftware: My SAP.com

Hardware: Unix-Server

Festplattenspeicher: 48 GB

Arbeitsspeicher: 48 GB

Datenbank: Oracle

Internet Transaction Server

128-Bit-Verschlüsselungssoftware

Web-Server