Personalchefs können Fluktuation von DV-Profis nicht bremsen:

Mangelnde Motivation kann zur Zeitbombe werden

06.05.1988

Der Arbeitsmarkt für DV-Spitzenkräfte ist leergefegt, Phrasendrescherei hilft bundesdeutschen Personalchefs nicht bei der Suche nach geeigneten Leuten. Sie müssen sich schon etwas mehr einfallen lassen, wollen sie sich nicht in ein paar Jahren von der Unternehmensleitung den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Denn mangelnde Motivation kann zur Zeitbombe werden. Dr. Hubert Metz, Leiter Zentrales Personalwesen, Wild Leitz in Wetzlar, wappnet sich deshalb mit einer Doppelstrategie gegen die mißliche Lage: Kontakte pflegen zu den Hochschulen sowie die eigenen Leute motivieren, um die Fluktuationsrate im Hause so niedrig wie möglich zu halten. Während nämlich der Wunsch nach Lob bei den Mitarbeitern ganz oben rangiert, steht Motivation in der Realität des Alltags ganz unten. Die Personalberater indes sitzen in den Startlöchern.

DV-Spitzenleute sind nach wie vor Mangelware, und auch der Informatik-Nachwuchs ist nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Aussichten für die Zukunft sind ebenfalls mehr als düster: Bis Ende dieses Jahrhunderts werden in der Bundesrepublik rund 100 000 DV-Fachkräfte angepeilt. Daß die Nachfrage heute bereits größer ist als das Angebot, kann Dr. Bernhard Beerbaum von der Inlandsabteilung Führungskräfte DV und Organisation bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung nur bestätigen: "Wir sind derzeit kaum in der Lage, die eingehenden Aufträge zu bewältigen." Beerbaum ist überzeugt, daß dieser Überhang in der Zukunft eher noch größer wird. "Im Moment schieben wir", er klärt der Frankfurter Experte, "einen Bedarf von etwa 40 000 DV-Fachleuten vor uns her."

Wie "allumfassende Zukunftslösung" hat Dr. Hubert Metz, Leiter Zentrales Personalwesen, Wild Leitz, Wetzlar, zwar nicht parat, aber in seinem Unternehmen versucht man sich für die kommenden Personalprobleme zu wappnen. Eine Doppelstrategie soll zum Erfolg verhelfen: Kontakt zu den Hochschulen auf der einen Seite und Motivation der Mitarbeiter auf der anderen. Derzeit werden die DV-Führungspositionen im Haus überwiegend intern besetzt. Nur in Ausnahmefällen sucht das Unternehmen per Anzeige neue Fachkräfte oder setzt einen externen Personalberater ein. Metz hält es für besonders wichtig, daß DV- und Personalbereich hier an einem Strang ziehen. Viele Unternehmen hätten die Verantwortung schon zu sehr in die Hände von Externen gegeben. Diese seien dadurch in der Lage, einen wichtigen Faktor der Unternehmenskultur entscheidend mitzubestimmen.

"Was bleibt den Firmen denn anderes übrig, als die Suche nach neuen Mitarbeitern einem Personalberater zu überlassen, wenn ihre eigenen Bemühungen erfolglos waren", fragt der Stuttgarter Managementberater Berthold Trottnow. Den Personalchefs in den Unternehmen wirft er allerdings vor, an ihre potentiellen Mitarbeiter zu hohe Anforderungen zu stellen: "Sie müssen lernen zu abstrahieren, wenn es um das Anforderungsprofil neuer Leute geht." Seien die Verantwortlichen dazu nicht bereit, würden sie künftig auf den Bauch fallen. Den Kandidaten aus der Retorte mit Informatik- , Fachhochschul-, oder Hochschulabschluß und jahrelanger Berufserfahrung gebe es nämlich nicht, Skeptisch reagiert der Stuttgarter Berater auch auf die Behauptungen großer Unternehmen, Führungspositionen würden intern besetzt: "So tönt man nach draußen, um das Betriebsklima zu verbessern die, Wirklichkeit sieht meist anders aus."

Nicht ganz so dramatisch beurteilt dagegen Dr. Heinz P. Barth, Steinbach & Partner GmbH, die künftige Arbeitsmarktlage. Zwar sei eine große Nachfrage vorhanden, andererseits stünden aber auch viele Bewerber zur Verfügung. Konstatiert Barth: "Gerade in der DV-Branche gibt es eine relativ hohe Fluktuationsrate die muß man ausnutzen." Ein Grund für potentielle Mitarbeiter sei das ständige Gerede über den drohenden Personalengpaß. Ehrgeizige junge Leute fühlten sich dadurch angespornt, den DV-Beruf zu wählen, um hier später Karriere machen zu können.

Auch die projektbezogenen Tätigkeiten in den DV-Bereichen sorgen seiner Meinung nach für ein ruhendes Mitarbeiterpotential: "Irgendwann ist auch das schönste Projekt zu Ende und damit die durchaus attraktive Aufgabe, ein Vorhaben von Null an durchzuziehen." Dann seien nur noch "sogenannte Nacharbeiten" zu erledigen, die produktiven Fachkräften auf Dauer keine Befriedigung geben könnten. "Jetzt kommt der Moment", erklärt Barth, "wo sich so manch einer überlegt, ob er sich nicht in einem anderen Unternehmen ein neues Projekt sucht".

Daneben könnte man auf diejenigen Mitarbeiter zurückgreifen, die unterschwellig unzufrieden seien. Zwar tauchten sie nicht direkt als Stellensuchende auf, blätterten aber doch Woche für Woche interessiert die Stellenanzeigen durch. Sie zu kontaktieren, sei Aufgabe der Personalmanager im Hause oder externer Berater. Ein weiterer Lieferant von Manpower - wenn auch unfreiwillig -, so Barth, die Softwarehäuser. Nicht selten würden sie gute Leute an Unternehmen verlieren, in denen diese vorher "leihweise" gearbeitet hätten. Der Stuttgarter Berater hat die Erfahrung gemacht, daß Unternehmen, die ernsthaft DV-Mitarbeiter suchen, sie auch bekommen. Daran werde sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern.

Nicht so optimistisch wie der schwäbische Vermittlungsprofi sehen die Personalfachleute des Hauses Wild Leitz indes in die Zukunft. Die Unternehmen müßten mehr agieren, statt wie bisher zu reagieren. Hubert Metz plädiert beispielsweise dafür, junge Leute verstärkt in Richtung Informationstechnik auszubilden: "Ich glaube nicht, daß die DV nur den Informatik-Spezialisten etwas angeht. Sie wird in Zukunft jeden Bereich im Unternehmen und auch im Alltag beeinflussen."

Entscheidend für die Zukunft ist auch, so dagegen der einhellige Tenor der Befragten, daß die Betriebe den Kontakt zu den Hochschulen und Universitäten pflegen. Während viele große Unternehmen hier sehr aktiv sind und die Möglichkeit des Praktikums während des Studiums anbieten, hinken die mittelständischen Firmen ziemlich hinterher. Sie müssen, erklärt der Frankfurter Management-Gesprächspartner Beerbaum, sehr aufpassen, daß ihnen die "Großen" künftig nicht die besten Leute direkt von der Hochschule wegschnappen. Am einfachsten wäre es, kommende Personalprobleme dadurch zu lösen, daß die Fluktuationsrate im eigenen Haus so niedrig wie möglich gehalten werde. Lob wäre eines der einfachsten Mittel.

Doch mit der Anerkennung von Mitarbeiterleistung scheint es in den meisten Unternehmen noch gewaltig zu hapern. "Selbst die Tatsache, daß die Nachfrage nach qualifizierten und engagierten DV-Mitarbeitern immer größer wird", wundert sich Managementberater Trottnow, "führte bislang nicht dazu, die Motivation entscheidend zu verbessern." Seiner Meinung nach wird in den Firmen zuviel kritisiert, aber zu selten gelobt. Einkommenserhöhungen schließt Trottnow als Motivationsfaktor nahezu aus; wichtiger sei der Führungsstil der Vorgesetzten. Trottnow: "Ich frage mich, warum DV-Manager und Führungskräfte bislang nur völlig unzureichend in der Lage zu sein scheinen, dieses gewaltige Kreativ-Potential des Menschen zu nutzen". Mit mehr Arbeitszufriedenheit und einer niedrigen Fluktuationsquote könnten die Unternehmen immerhin etwas beruhigter in die Zukunft sehen.