Indirekte Kritik des Bundesrechnungshofs an der Auftragsabwicklung durch IBM

Mangel bei der Btx-Auftragsvergabe

21.10.1988

BONN (cmd) - Das Thema Bildschirmtext bleibt für die Bundespost weiterhin unerfreulich: Die Prüfer des Bundesrechnungshofs lassen kein gutes Haar an dem 1984 unter schweren Geburtswehen aus der Taufe gehobenen Fernmeldedienst. Gerügt werden neben den realitätsfernen Prognosen in puncto Teilnehmerentwicklung vor allem Ungereimtheiten bei der Auftragsvergabe und -abwicklung.

"Bei der Vorbereitung, Gestaltung und Abwicklung der Verträge für das Projekt Bildschirmtext traten erhebliche Mängel auf", heißt es lapidar in der Zusammenfassung unter Punkt 53 der "Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 1988 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung". Hinter den wohlgesetzten Worten verbirgt sich vor allem der Vorwurf mangelnder Professionalität auf seiten der Post in puncto Auftragsvergabe und

-abwicklung.

Die Frankfurter Prüfer sind noch einmal in die Historie eingestiegen und haben versucht, die damaligen Vorgänge zu rekonstruieren. Demnach erhielt im September 1979 zunächst ein Auftragnehmer - die Stuttgarter SEL, die allerdings nicht genannt wird, da die Bemerkungen des Rechnungshofs grundsätzlich keine Unternehmen namentlich anführen - den Zuschlag für das erste Bildschirmtext-Projekt: Bis zum 31. März 1982 sollten eine Anwendungssoftware erstellt, ein Zentralen-Prototyp entwickelt und die Funktions- und Leistungsfähigkeit dieses Systems nachgewiesen werden. Der Auftragswert dafür belief sich auf rund 22 Millionen Mark, darüber hinaus verpflichtete sich die Post, bei positiver- Systementscheidung 20 weitere Btx-Zentralen in der Größenordnung von rund 180 Millionen Mark zu ordern.

Mitte 1981, also ein Dreivierteljahr vor der vereinbarten Frist, beendeten Auftraggeber und Auftragnehmer ihr Vertragsverhältnis durch einen Vergleich. Die Rechnungsprüfer, die sich für die Hintergründe interessierten, blieben bei ihrer Suche erfolglos; die Post gab hierzu lediglich an, daß SEL die Gründe für dieses Verhalten nicht zu vertreten habe.

Immerhin ist der Inhalt des Vergleichs aktenkundig: Die Post verpflichtete sich zur Zahlung von 28 (!) Millionen Mark und der Auftragnehmer zur Lieferung eines Pflichtenheftes, das sich allerdings laut Bundesrechnungshof "später als mangelhaft erwies". Wofür die Post letztlich die 28 Millionen Mark gezahlt hat, bleibt den Prüfern ein Rätsel, denn "die Deutsche Bundespost legte bisher keine Unterlagen darüber vor, welche Leistungen statt dessen erbracht worden waren und ob der gezahlte Preis dazu in einem angemessenen Verhältnis stand."

Knapp fünf Monate später, am 27. November 1981, hatte die Bundespost ihr Bildschirmtext-Projekt vertraglich unter Dach und Fach gebracht - der neue Auftragnehmer war zwar auch in Stuttgart ansässig, hieß jedoch nicht SEL, sondern IBM Deutschland GmbH und sicherte sich damit einen Order-Wert von rund 250 Millionen Mark. Im Vergleich zu den ursprünglich genannten Kosten bedeutete das immerhin eine Steigerung von 25 Prozent, was aber der Post offenbar nichts ausmachte.

Die Frankfurter Prüfer wundern sich freilich vor allem über anderes: Innerhalb dieser kurzen Fünf-Monats-Frist ließ sich die Bundespost von einem potentiellen Auftragnehmer, wiederum der SEL, eine Leistungsbeschreibung für das Btx-System erstellen, machte diese zum Gegenstand einer Ausschreibung und setzte eine Angebotsfrist von lediglich sechs Wochen fest, mit der Folge, daß von 14 aufgeforderten Unternehmen nur drei - SEL, IBM und GEC/British Telecom - überhaupt mit von der Partie waren.

Für das Btx-Projekt selbst hatte dieses Vorgehen die in der Öffentlichkeit immer wieder kritisierten Folgen: Während der Auftragsabwicklung mußten später "in erheblichem Umfang Vertragsänderungen vorgenommen werden. Deren Vielzahl führte schließlich dazu, daß die Kontrolle über die finanzielle Entwicklung des Vorhabens verlorenging."

Bis heute, so scheint es, tut sich die Post mit ihrem Problemkind Btx schwer, denn weder wurde dem Bundesrechnungshof trotz nachdrücklicher Aufforderung eine Aufstellung über die Gesamtausgaben und -verpflichtungen für das Btx-System vorgelegt, noch hat die Bundespost zu den Beanstandungen bisher Stellung genommen.