Bei Kapitalbeschaffung wird Software als "nicht greifbares Gut" abgelehnt:

Mangel an SW-Qualität drückt auf Volkswirtschaft

11.12.1987

KARLSRUHE (CW) - Die oft unzureichende Qualität bei Programmen und der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs in der Softwarebranche zeigen erste Auswirkungen auf die bundesdeutsche Volkswirtschaft. Darüber hinaus macht den Herstellern die Klassifizierung von Software als "nicht greifbares Gut" bei der Kapitalbeschaffung immer mehr zu schaffen. Dies wurde jetzt auf dem Kongreß "Euro Software '87" in Karlsruhe deutlich.

Mit rund 400 Besuchern blieb jedoch das Interesse an dem Software-Kongreß, der vom 7. bis 9. Dezember stattfand, hinter den Erwartungen des Veranstalters zurück. Die Network GmbH als Organisator hatte mit 200 bis 250 Teilnehmern pro Tag gerechnet. "Es ist bislang nicht gelungen, den Bereich Software als Sonderproblematik innerhalb der Datenverarbeitung darzustellen", kommentierte der Veranstalter.

Seit Jahren gehöre der Softwaremarkt zu denjenigen Sektoren der deutschen Wirtschaft, die über ein außergewöhnliches Wirtschaftswachstum verfügten. Während andere Bereiche der Informations- und Kommunikationstechnik weiter unter scharfen Wettbewerbsdruck gerieten, sei ein Umsatzzuwachs von 25 bis 30 Prozent bei der Software derzeit noch der Normalfall.

In vielen Referaten wurde denn auch auf Probleme der kommenden Jahre hingewiesen. Im Verhältnis zu Hardware-Produkten gewinne die Software auch künftig weiter an Bedeutung: Bereits heute zahle der Anwender bei der Anschaffung eines Computersystems 50 und mehr Prozent für die Software. Auch die Hersteller investierten bei der Erstellung neuer Informationssysteme bis zu 80 Prozent ihrer Forschungs- und Entwicklungskosten in die Programme.

Dennoch sei die Branche nach wie vor mittelständisch geprägt. Ein Grund dafür sei, daß annähernd die Hälfte der entwickelten Software speziell auf den Endanwender zugeschnitten würde, während Standardpakete nur mit etwa 25 Prozent und Dataprocessing-Einrichtungen mit zirka 22 Prozent am Umsatz beteiligt seien. So haben fast 90 Prozent der rund 3500 Softwarehäuser nicht mehr als 20 Beschäftigte.

Das Marktvolumen der Branche könne sich mit 13 bis 15 Milliarden Mark im volkswirtschaftlichen Rahmen sehen lassen. Auch in beschäftigungspolitischer Hinsicht sei der Markt im Zustand der absoluten Vollbeschäftigung. Derzeit kämen auf eine ausgeschriebene Stelle eines diplomierten Informatikers 0,7 Bewerber, während sich auf eine Offerte für Wirtschaftswissenschaftler bereits 3,3 Bewerber melden. Zum Vergleich: Auf eine Planstelle im pädagogischen Bereich kommen 80 bis 130 Bewerber.

Doch gerade hieraus, so wurde auf der "Euro Software" deutlich, ergeben sich auch Sorgen für die Herstellerunternehmen: Der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs schafft unmittelbar Probleme bei der mittel- und langfristigen Bedarfsdeckung. Auch bei Anwendern sei Frustration unvermeidbar, wenn junge Ingenieure nicht ausreichend praxisnah ausgebildet und schnell genug in den Wirtschaftsprozeß integriert würden.

Ein weiteres Problem für die Branche ergibt sich offenbar daraus, daß Software kein "greifbares" Gut ist das in absehbarer Frist in allgemein anerkannte, für den Anwender transparente Qualitätsnormen eingepaßt werde oder etwa bei Finanzierungsgeschäften aus Sicht eines Kreditinstitutes als Sicherheit dienen kann. Diese Situation führe zum einen zu Schwierigkeiten bei der Mängelhaftung und Gewährleistung, zum anderen ergäbe sich daraus die in einem expansiven Markt äußerst wichtige Frage der Kapitalbeschaffung und Liquiditätsvorsorge.

Von diesen elementaren Nöten der Branche, so hieß es, sei mittelbar auch die bundesdeutsche Volkswirtschaft betroffen. Hier stehe insbesondere die wirtschaftspolitische Frage der Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Gemessen am Weltmarkt betrage der europäische Marktanteil im Software-Bereich immerhin 23 Prozent, während sich Europa am allgemeinen Elektromarkt mit nur 19 Prozent zufriedengeben müsse. Die USA hielten zirka 60 Prozent (Elektromarkt: 36 Prozent) und Japan unterdurchschnittliche 11 Prozent (19 Prozent) Marktanteile.