Manche Freiberufler verschont die Krise

01.04.2009
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Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
SAP- und Java-Experten müssen sich auf weniger Aufträge und geringere Honorare einstellen. Oracle-Profis stehen dagegen gut da.

Der IT-Projektmarkt ist geschrumpft, was aber nicht alle Freiberufler trifft. Großrechner- und Oracle-Spezialisten spüren die Krise meist gar nicht, während SAP-Berater und Java-Entwickler sich teilweise auf geringere Honorare einstellen müssen.

Die Nachfrage nach verschiedenen SAP-Modulen ist unterschiedlich. "Der Markt im Umfeld von SAP Business Warehouse, Business Objects, den klassischen Finanzmodulen und der SAP-Basis ist nur bedingt rückläufig", sagt Dieter Brencher, Leiter des SAP-Arbeitskreises im Berufsverband für Selbständige in der Informatik (BVSI). SAP-Berater Peter M. dagegen, der sich auf die Logistik-Module spezialisiert hat, spürt die Krise. Vor vier Wochen lief der letzte Auftrag aus, und ein Folgeprojekt ist nicht in Sicht – trotz diverser Vorstellungsgespräche. Bei manchen Firmen ist er skeptisch, ob sie Projekte zu vergeben haben, da viele IT-Budgets eingefroren seien. Trotzdem luden die IT-Leiter potenzielle Projektmitarbeiter zum Gespräch ein, damit sie im "Ernstfall" das benötigte Personal schnell zur Verfügung haben.

Während Freiberufler 2008 nach zwei Gesprächen ein Folgeprojekt an der Hand hatten, müssen sie heute einen ungewohnten Bewerbungsmarathon absolvieren. Sechsmal sei er eingeladen gewesen, erzählt ein IT-Freiberufler. Einen Projektauftrag habe er aber nicht bekommen. Auch über neue Wege wie das Online-Netzwerk Xing fällt die Akquise nicht leicht. In dessen IT-Freelancer-Gruppe fand SAP-Berater M. kürzlich ein einziges SAP-Projekt angeboten. Als er der Vermittlerin sein Profil zuschickte, erfuhr er zu seinem Erstaunen, dass sich weitere184 SAP-Freiberufler gemeldet hätten.

Besser sieht es im Oracle-Projektmarkt aus. Legt man den Marktmonitor der Freiberuflerbörse Projektwerk zugrunde, ist die Zahl der eingetragenen Oracle-Projekte gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008 sogar gestiegen. Entgegen den Trends liegt der Marktindex für Oracle-Projekte fast 30 Prozent höher als vor einem Jahr.

Die guten Aussichten bestätigt Xenofon Grigoriadis, Verantwortlicher für den Oracle-Arbeitskreis im BVSI. "Die Lage ist überraschend gut", allerdings nicht in allen Branchen. So würden derzeit in der Automobilindustrie die Projekte zusammengestrichen. "In Banken, TK-Unternehmen und großen Hotelketten gibt es neue Projekte für Oracle-Berater."

Java-Profis verdienen weniger

Auch im Mainframe-Umfeld sieht die Marktsituation sehr gut aus. Alfons Warschburger arbeitet zurzeit in einem Third-Level-Projekt bei der IBM in München und betreut ein Rechenzentrum in Hannover. Mit beiden Kunden hat der Großrechner-Spezialist Jahresverträge unterzeichnet. "Die Lage für Systemtechniker ist ausgezeichnet. Wir können uns vor Aufträgen kaum retten", sagt Warschburger. Das liege auch daran, dass kaum junge Cobol-Spezialisten nachkommen. Reine Cobol-Entwickler hätten es schwerer: "Sie sollten mehr können als Cobol, viele Anwendungsentwickler nehmen auch Java mit hinzu."

Im Java-Bereich ist die Zahl der Projektanfragen zurückgegangen: "Erfahrene Java-Experten erhalten Projektangebote, aber erzielen niedrigere Honorare", sagt der Java-Experte Frank Dolibois. Dies gelte für Java-Freiberufler, die mit Vermittlern zusammenarbeiten und für Großkunden, Banken, Versicherungen und TK-Unternehmen tätig sind. Am eigenen Leib verspürt Dolibois, der mittelständische Unternehmen im Kölner Raum betreut, diese Entwicklung nicht: "Hier sind die Honorare noch relativ stabil." Das mag auch daran liegen, dass Dolibois mit den Kunden selbst verhandelt. Allerdings ist die Pflege des Netzwerks zeitaufwändig, so der Java-Profi: "Zu meinen Terminen gehören auch Geschäftsessen am Abend oder Einladungen zu Firmenterminen. Doch gerade in Krisenzeiten zahlen die Kontakte sich aus." (ka)

Der Markt ändert sich

IT-Freiberufler ...

müssen sich öfter für ein neues Projekt bewerben;

müssen längere Wartezeiten zwischen zwei Projekten in Kauf nehmen;

werden mit niedrigeren Honoraren und kürzeren Projektlaufzeiten konfrontiert.