Manager bezeichnet Office-Sammlung von Lotus als strategisch Bei IBM sticht Smartsuite das SW-Paket der Star Division aus

21.07.1995

MUENCHEN (IDG/CW) - Ob die Desktop-Suite "Star Office" der Hamburger Star Division GmbH im Softwareportfolio der IBM auch nach der Uebernahme von Lotus strategisches Gewicht erhaelt, wird immer fraglicher. Steve Mills, General Manager von Big Blues Software Solutions Division, erklaerte jedenfalls "Smartsuite" zum "strategischen Desktop-Angebot" der IBM.

Damit duerften auch die Plaene der Armonker, Star Office beziehungsweise "IBM Star-Office" auf dem amerikanischen Markt einzufuehren, Makulatur geworden sein.

Neben Mills sandte auch Bob Weiler, Senior Vice-President der Lotus Desktop Division, eine Erklaerung an die Vertriebsmitarbeiter des Softwarehauses: "IBM und Lotus werden Smartsuite bewerben, entwickeln und vertreiben." Allerdings sollte die Star Office zugrundeliegende Objekttechnologie in kuenftigen Produkten beruecksichtigt werden.

Die Existenz des Schreibens wurde von einer Lotus-Sprecherin bestaetigt.

"Diese Entscheidung war ueberfaellig", meinte Meta-Group-Analyst Matt Cain. Die Unsicherheit, ob IBM nun Star Office oder das Lotus-Paket unterstuetze, sei unter amerikanischen Anwendern erheblich gewesen. "Ich weiss von zwei Faellen, in denen grosse Anwenderunternehmen Smartsuite den Laufpass gegeben haben und zu MS-Office gewechselt sind."

Noch sind keine konkreten Beschluesse gefasst worden, wie das C++- Framework, das die Basis fuer das aus Tabellenkalkulation, Grafikmodul und Textverarbeitung bestehende Softwarepaket des deutschen Anbieters bildet, genutzt werden kann. Amerikanische Branchenbeobachter halten es daher fuer wahrscheinlicher, dass auch die Objekttechnologie fuer kuenftige Produkte aus der Smartsuite- Ecke stammen werde, weil das Programmpaket den Anwendern bestens bekannt sei. Dazu muessten IBM und Lotus allerdings noch abstimmen, welchem Standard sie in Zukunft folgen werden. Bisher favorisiert IBM Opendoc, Smartsuite unterstuetzt zur Zeit hingegen Microsofts OLE.

Dass die bisher groesste Uebernahme in der Softwaregeschichte einige Unsicherheit in die Softwarestrategie der IBM bringen wuerde, war spaetestens seit der PC-Expo in New York klar. Eine Pressekonferenz, in der die Armonker die US-weite Vermarktungsstrategie fuer Star Office darlegen wollten, wurde wenige Tage vor Messebeginn ersatzlos gestrichen. "Der Kauf von Lotus hat Fragen aufgeworfen, die zu beantworten wir nicht in der Lage waren", zitierte die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" damals einen IBM-Manager.

Bei der IBM Deutschland wurde hingegen dementiert, dass bereits eine Entscheidung fuer Smartsuite als strategisches Desktop-Produkt von Big Blue gefallen sei, ein offizielles Statement dazu stehe noch aus. Richard Seibt, Softwarechef der hiesigen Niederlassung, erklaerte lediglich: "Wir planen weiterhin, die Star-Office-Suite zu vermarkten." Darueber, wie diese Marketing-Strategie aussehen wird, wollte sich der Manager nicht aeussern. Andere Quellen in der deutschen IBM rechnen mit einer pragmatischen Loesung. Je nach Kundenbeduerfnis wuerden beide Pakete angeboten. Ob Star Office in den USA als IBM Star Office auf den Markt kommt, sei noch nicht entschieden.

Die Star Division GmbH gab bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme ab. Die Freude von Chef Marco Boerris, der noch zur CeBIT ueber das "lukrative Abkommen" geschwaermt hatte, duerfte jedoch einen Daempfer erhalten haben. Als die Unternehmen im Maerz in Hannover ihre Entwicklungs- und Vertriebskooperation ankuendigten, mit der IBM die Rechte an der Programmsammlung erwarb, schien die Zukunft fuer Star noch rosig. Seibt stellte damals klar: "Star Office steht kuenftig im Mittelpunkt." Nach dem Kauf von Lotus duerfte sich dieser Fokus verschoben haben.